Der FC Bayern und sein Gefühl der Unbesiegbarkeit

München - Dieser Auftritt hatte alle Zutaten. Mit einer Trommel unterm Arm, zwei Schlägeln und ordentlich Lärm kam der frisch gebackene und - hoffentlich - frisch geduschte Champions-League-Gewinner Joshua Kimmich aus der Kabine des Estádio da Luz von Lissabon. Kimmich trällerte hinter seiner Gesichtsmaske einen Fansong ("FC Bayern olé, FC Bayern olé!") und haute so richtig auf die Pauke – in Adiletten, mit der Hose aus dem Spiel und dem roten Sieger-Shirt.
Serge Gnabry filmte grinsend den Siegesmarsch seines Kumpels Richtung Mannschaftsbus mit dem Handy. Noch-Teenager Alphonso Davies, mit Kanada-Flagge um die Hüfte gewickelt, war es überlassen, den Henkelpott nach dem 1:0 gegen Paris Saint-Germain in einen der beiden Busse zu transportieren. Unter schrägem Absingen von "We are the champions!"
Generation Bruder – ein Jahrgang, eine großartige Perspektive
Vorstand Oliver Kahn saß schon im Bus, ganz vorne rechts, und lächelte gequält, aber doch amüsiert, als Kimmich & die Stadtmusikanten einstiegen. Für eine ruhige, entspannte Fahrt zum Mannschaftshotel hätte der ehemalige Torwart ein Taxi nehmen müssen. Am "größten Tag meiner Karriere" sprach Kimmich später über den Teamgeist als Schlüssel zum Titel. "Es ist gar nicht wirklich zu beschreiben, was man empfindet, wenn man mit so einer Truppe auf dem Platz steht, wenn man mit Brüdern so einen Titel gewinnt. Das ist das Größte, was man erreichen kann."
Die Generation Bruder – ein Jahrgang, ein Triumph, eine großartige Perspektive. Seit Kinder- und Jugendtagen kennen sich Kimmich, Gnabry, Leon Goretzka und Niklas Süle, alle aus dem Geburtsjahr 1995. In der Nationalelf gehört zu dieser Gruppe auch noch Leroy Sané, zwar geboren im Januar 1996, aber auch ein Mitglied der Brüderbande. Während die 95er-Gang in Lissabon ihren ersten Pott und ihr erstes Triple holte, machte sich 45-Millionen-Euro Neuzugang Sané zu Hause in München fit für die nächste Saison. Für den nächsten Anlauf. Was für ein Fundus an Extraklasse, mit dem Potenzial zur Weltklasse. Beängstigend gut – für die Gegner.
"Da wächst etwas zusammen, auf das sich Fußballdeutschland Freude kann", meinte Gnabry vor ziemlich genau einem Jahr. Und Goretzka, ebenfalls seit 2018 bei Bayern und damit nur ein Jahr kürzer als Süle und zwei als Kimmich, sagte kürzlich: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine beste Zeit gerade erst anfängt."
Kimmich: "Wir haben ein geiles Gefühl der Unbesiegbarkeit entwickelt"
Zu Ende ging in Lissabon wohl die Ära Thiago, der in seinem letzten Spiel nach sieben Jahren zeigte, was ihn auszeichnet. Vor dem höchstwahrscheinlich anstehenden Wechsel zum FC Liverpool war der spanische Spielmacher bei den Feierlichkeiten besonders angefasst, separierte sich immer mal wieder von der Gruppe, um mit sich und seinen Gefühlen alleine zu sein. Klar, diese Mannschaft zu verlassen, in der die Mischung und das Füreinander stimmen, fällt keinem leicht. Auch der designierte Weltfußballer Lewandowski (32) sowie Neuer (34) und Müller (30) haben allesamt Verträge bis 2023 und sicher noch zwei, drei richtig starke Jahre im Tank.
"Alle wissen, von wo wir herkommen – von der Talsohle bis jetzt ganz nach oben", sagte Müller und dachte an das Scheitern bei vier Halbfinals seit dem Triple 2013. "Wir sind marschiert, waren füreinander da, haben natürlich auch enorme Qualität, ohne das geht es nicht. Wir haben den Spirit, die Jungs sind bereit, zu leiden. Wir streiten uns, wer den Fehler des anderen ausbügeln darf. Der Haufen ist Wahnsinn von A bis Z. Die Mentalität bei uns ist brutal, die Qualität ist super und dann haben wir noch Manu im Tor." Der hielt gegen Neymar und Marquinhos in zwei Situationen bärenstark. "Es macht so viel Spaß, in dieser Mannschaft zu spielen. Mehr als in jeder anderen davor", sagte er.
Da ist was zusammengewachsen. Und wächst und wächst und wächst. "Wir haben ein geiles Gefühl der Unbesiegbarkeit entwickelt", meinte Kimmich. Und, ach ja. Siegtorschütze Coman ist übrigens auch erst 24. Der Hunger der Double-Sieger ist mit dem Pott obendrauf gestillt – fürs erste jedenfalls.
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