Mit sechs Stimmen aus Bayern zur Mehrheit im Bundesrat? Darum geht's beim Milliarden-Paket:

Tag der Wahrheit im Bundestag: Nach zähen Verhandlungen sollen die Schuldenbremse gelockert und ein 500-Milliarden-Sondertopf geschaffen werden. Die nötige Zweidrittelmehrheit ist nicht garantiert.
AZ/ dpa |
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Kaum vorstellbare Summen: Im Bundestag geht es um dreistellige Milliardenbeträge für Verteidigung, Infrastruktur, Klimaschutz. (Achivfoto)
Kaum vorstellbare Summen: Im Bundestag geht es um dreistellige Milliardenbeträge für Verteidigung, Infrastruktur, Klimaschutz. (Achivfoto) © Soeren Stache/dpa
Berlin

Im Bundestag geht es für den voraussichtlichen künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) an diesem Dienstag um viel: Der extra noch einmal zusammengetrommelte alte Bundestag soll über das von Union, SPD und Grünen ausgehandelte enorme Schuldenpaket abstimmen, mit dem Milliarden-Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung möglich werden sollen.

Geplant sind mehrere Grundgesetzänderungen. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit ist nicht hundertprozentig sicher. Für eine künftige Bundesregierung aus Union und SPD mit einem Kanzler Merz ist es zentral, dass die Pläne durchgehen. Beide Seiten sehen sie als notwendig an, um in wirtschaftlich und sicherheitspolitisch angespannter Lage finanziell und politisch handlungsfähig zu bleiben. Über die Bildung einer neuen schwarz-roten Koalition wird parallel in Arbeitsgruppen weiter intensiv verhandelt.

Worum es geht

Bei dem Gesetzespaket geht es um eine Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz, die vereinfacht gesagt vorschreibt, dass Bund und Länder ohne zusätzliche Kredite mit dem Geld auskommen müssen, was sie einnehmen. Wegen der schwächelnden Wirtschaft und der internationalen Lage - Stichwort Ukraine - sollen hier nun Ausnahmen geschaffen werden: Für Verteidigungsausgaben, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit sollen unbegrenzte Kredite möglich werden, und für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur (u.a. Schienen, Brücken, Straßen) wird ein 500-Milliarden-Euro Sondertopf ("Sondervermögen") eingerichtet, der mit Krediten gefüttert wird.

Klimaneutralität 2045 im Grundgesetz

Die Grünen, deren Zustimmung für die erforderliche Zweidrittelmehrheit nötig ist, hatten hineinverhandelt, dass die Mittel aber auch "für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" verwendet werden können. So soll es im Grundgesetz, Artikel 143h, künftig stehen. Klimaneutralität bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.

Kritisch diskutiert wird, ob die explizite Angabe des Jahres 2045 im Grundgesetz wie ein neues Staatsziel verstanden werden kann, mit negativen Folgen für die Wirtschaft und neuen Klagemöglichkeiten für Umweltschutzorganisationen. Merz hatte das in der ARD zurückgewiesen: Das Ziel 2045 sei bereits international vereinbart und im deutschen Klimaschutzgesetz festgehalten, das Bundesverfassungsgericht habe die Politik zudem darauf verpflichtet. Es sei eine Zweckbestimmung für das Sondervermögen und kein neues Staatsziel.

Krimi um Zweidrittelmehrheit

Es dürfte ein Abstimmungskrimi werden im Bundestag. Das alte Parlament, das noch einmal zusammenkommt, hat 733 Abgeordnete. 489 Ja-Stimmen bräuchte es für eine Zweidrittelmehrheit. Union (196), SPD (207) und Grüne (117) haben zusammen 520, also 31 mehr als nötig - die vorliegenden Zahlen wurden dpa von der Bundestagsverwaltung übermittelt. 

Merz hatte ebenfalls von 31 Stimmen gesprochen und gesagt, es gebe damit einen gewissen Puffer für Krankheitsfälle. Komfortabel ist diese Mehrheit aber nicht. Es gibt Abweichler, die zuvor deutlich gemacht hatten, dass sie nicht zustimmen oder nicht anwesend sein werden. Merz sprach am Montag von zwei oder drei Unionsabgeordneten, die nicht zustimmen wollten.

In der Grünen-Fraktion gab es bei einer Probeabstimmung am selben Tag nach Angaben aus Teilnehmerkreisen eine Enthaltung und eine unentschiedene Person. SPD-Fraktionschef Lars Klinbeil sagte am Montag, derzeit sei der Stand, dass von den 207 SPD-Abgeordneten einer krankheitsbedingt fehlen und es eine Nein-Stimme geben werde. 

Namentliche Abstimmung im Bundestag

Viele Abgeordnete sind im neuen Bundestag, der in der kommenden Woche erstmals zusammentritt, nicht mehr dabei. Es ist ihre letzte Abstimmung. Nicht auszuschließen ist, dass einige davon nicht wie sonst entlang der Fraktionslinie votieren. Es wird namentlich abgestimmt. Das bedeutet, für jeden Abgeordneten ist später nachvollziehbar, wie er abgestimmt hat.

Am Montag waren in Karlsruhe weitere Versuche gescheitert, den Beschluss des Bundestags am Dienstag zu stoppen. Das Bundesverfassungsgericht verwarf mehrere Eilanträge gegen die geplante Abstimmung. Darunter waren Anträge von Bundestagsabgeordneten von AfD, Linke, FDP und dem BSW. Schon am Freitag hatte das Gericht mehrere Anträge gegen die einberufenen Sondersitzungen des alten Bundestags verworfen. Sie seien unbegründet. 

Nächste Etappe Bundesrat

Auch wenn der Bundestag zustimmt, ist die Sache noch nicht durch. Grundgesetzänderungen brauchen auch eine klare Zustimmung der Bundesländer: Im Bundesrat, der am Freitag entscheidet, wird ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit benötigt. 46 der 69 Stimmen im Bundesrat wären nötig. Landesregierungen, an denen nur CDU, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen auf 41 Stimmen.

Zusammen mit den sechs Stimmen aus Bayern wäre die Zweidrittelmehrheit gegeben. Am Abend sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) bei einem gemeinsamen Statement mit Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl in München, dass Bayern zustimmen werde. Darauf hätten sich CSU und Freie Wähler in einer Sitzung des Koalitionsausschusses verständigt - obwohl die Freien Wähler zuvor massive Vorbehalte geäußert hatten.

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2 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 19.03.2025 18:45 Uhr / Bewertung:

    Das Interessante an dem Milliarden-Paket ist doch, dass es in der Vergangenheit von der Union immer hieß, wir haben kein Einnahme-Problem, sondern ein Ausgabe-Problem.
    Und jetzt werden 1000 Milliarden locker gemacht, weil das Geld doch nicht reicht?

    Und dann noch für die Infrastruktur, die von Scheuer, Dobrinth, Ramsauer, Wissmann über jahrzehnte vernachlässigt wurde. Und diese Parteien wollen plötzlich etwas voranbringen? :-)

    Hier wird Geld verteilt zu Lasten der sozial Schwachen. Erste Andeutungen hat Merz ja heute schon gemacht.

    Und was die Verteidigung betrifft, es mag ja sein, dass die BW eine bessere Ausrüstung braucht. Wer hats kaputt gespart? 16 Jahre Merkel, 16 Jahre Kohl......
    Und es gibt keine Politiker mehr, die den Krieg erlebt haben. Denn die haben sich immer für Friedensprozesse eingesetzt und nicht für eine Aufrüstung.

  • FFF-Nein Danke am 19.03.2025 09:00 Uhr / Bewertung:

    Unbegrenzte Kredite u.a. für Rüstung? Super, die Lobbyisten, Politiker uva. werden sich freuen. Auch darf sich der Steuerzahler freuen. Wir bezahlen die Zinsen! Danke an die CDU und SPD Wähler. Danke an den Merz, der die Wähler betrogen und belogen hat. Alleine daran sieht man, das die machen können, das die wollen. Es wird sich nichts dagegen unternommen. Der Wählerwille interessiert die nicht im geringsten. Demokratie? Demokratie ist das nicht mehr.

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