Jürgen Kohler: FC Bayern München muss Leon Goretzka holen

Weltmeister Jürgen Kohler spricht in der AZ über den Schalke-Star, die Zukunft von Ribéry und Robben, Süles Potenzial und den neuen Trainer: "Wenn Jupp nicht bleibt, ist Klopp die Nummer eins."
von  Maximilian Koch
Weltmeister Jürgen Kohler (rechts) hält große Stücke auf Schalkes Nationalspieler Leon Goretzka.
Weltmeister Jürgen Kohler (rechts) hält große Stücke auf Schalkes Nationalspieler Leon Goretzka. © firo/Augenklick, imago/Revierfoto

München - Jürgen Kohler (52) spielte von 1989 bis 1991 beim FC Bayern, 1990 wurde er mit Deutschland Weltmeister.

AZ: Herr Kohler, der FC Bayern hat noch Titelchancen in allen drei Wettbewerben. Trauen Sie Ihrem Ex-Klub sogar das Triple in dieser Saison zu?
JÜRGEN KOHLER: Die Ausgangslage, gerade was die Bundesliga betrifft, ist sehr komfortabel. Bis zum Triple ist es aber ein weiter Weg. Da muss alles passen, da müssen alle Spieler in einer Topverfassung sein. Ich glaube nicht, dass aktuell jeder Bayern-Spieler schon an seiner Leistungsgrenze dran ist, aber bis zu den entscheidenden Wochen ist ja noch ein bisschen Zeit.

Gibt es Mannschaften in der Champions League, die stärker einzuschätzen sind als Bayern?
Ich sehe Teams, die auf einem Level mit Bayern sind. Das wird ein interessanter Vergleich mit den Spaniern Real Madrid und FC Barcelona, auch die Engländer sind gut unterwegs, Paris Saint-Germain ebenso. Das hat man im Gruppenspiel in Paris gesehen, als die Bayern chancenlos waren. Und man sollte auch Besiktas Istanbul im Achtelfinale nicht unterschätzen.

Besiktas sollte man nicht unterschätzen

Was macht die Türken gefährlich?
Das ist eine gute, erfahrene Mannschaft. Da muss Bayern aufpassen und im Hinspiel in München vorlegen. In Istanbul wird sicher was geboten, nicht nur auf dem Platz. Da werden die Spieler schon mal nachts um vier Uhr vom Feueralarm geweckt. Das kann auch diesmal passieren.

Niklas Süle hat als Abwehr-Neuzugang bislang überzeugt. Wie schätzen Sie sein Potenzial ein?
Süle nimmt eine sehr positive Entwicklung. Schon bevor er zu Bayern gewechselt ist, hat er in Hoffenheim auf hohem Niveau gespielt. Nach seinem Kreuzbandriss, den er sich ja in jungen Jahren zugezogen hat (2014, d. Red.), ist er sehr stark zurückgekommen. Auch Jérôme Boateng ist momentan wieder auf einem sehr guten Weg. Wenn er von Verletzungen verschont bleibt, hat Bayern eine weitere starke Waffe, mit Mats Hummels auch. In der Innenverteidigung sind die Bayern gut besetzt.

Hat Süle schon das Niveau von Boateng und Hummels erreicht?
Die internationale Erfahrung spricht aktuell noch für Boateng und Hummels. Süle ist dafür jung, gerade 21, deshalb gehört ihm die Zukunft. Da hat Bayern einen guten Griff gemacht.

Mit Leon Goretzka steht der nächste deutsche Nationalspieler vor der Unterschrift bei Bayern.
Bayern muss Goretzka holen – ohne Wenn und Aber! Er ist ein sehr torgefährlicher Spieler, sehr laufstark, einer, der auch defensiv viel arbeitet. Goretzka kann außerdem auf verschiedenen Positionen im Mittelfeld eingesetzt werden. Er hat einen guten Schuss – und eigentlich alles, was ein Spieler braucht, um bei Bayern bestehen zu können.

Sind die Bayern damit auf einem guten Weg, was den Umbruch im Kader angeht?
Definitiv. Der Umbruch ist ja alternativlos. Spieler wie Franck Ribéry oder Arjen Robben haben ein Alter erreicht, in dem sie verletzungsanfälliger werden. Sie sind viele Jahre dabei, haben etliche Spiele auf dem Buckel. Das sieht bei einem Joshua Kimmich oder Leon Goretzka noch anders aus. Die stehen am Anfang ihrer Karriere. Kingsley Coman ist ja auch schon etabliert, dazu gibt es Süle. Es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung bei Bayern – aber es gibt auch Baustellen.

Meinen Sie damit vor allem die offensive Außenbahn und die Nachfolge von Robben/Ribéry?
Ja. Sie sind beide verdiente Spieler, die viel für Bayern geleistet haben. Auf der anderen Seite ist die Leistung von früher am nächsten Tag meistens schon nichts mehr wert. Wenn Ribéry und Robben fit sind, sind sie immer noch außergewöhnliche Spieler. Aber ob sie das ganz hohe Niveau noch mal über eine gesamte Saison halten können? Ich weiß es nicht.

Karl-Heinz Rummenigge hat angekündigt, dass Bayern auch mal bis zu 100 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben wird.
Man sieht ja, was für Summen gezahlt werden und wo sich der Fußball hinbewegt. Ob das gesund ist, wage ich zu bezweifeln. Aber so ist der Markt. Wenn Bayern Top-Leute haben will, um international konkurrenzfähig zu bleiben, muss man so viel investieren.

Wer könnte Bayern denn verstärken? Atléticos Antoine Griezmann gilt als Kandidat, auch Paulo Dybala von Ihrem Ex-Klub Juventus.
Dybala kenne ich gut. Das ist ein junger Argentinier, der am Anfang seiner Karriere steht. Wenn Bayern im Konzert der Großen mitspielen will, muss man sich um einen solchen Spieler Gedanken machen. Dybala wird in den nächsten Jahren noch teurer.

Sehen Sie eine Chance, dass Jupp Heynckes doch noch eine weitere Saison Trainer bleibt?
Ich würde es dem Jupp zutrauen. Er ist ein erstklassiger Trainer, nicht nur durch den Triple-Gewinn 2013. In den Jahren zuvor ist er öffentlich etwas zu schlecht weggekommen. Er ist ein Trainer, der sehr genau weiß, wie er mit Menschen umzugehen hat. Gleichzeitig ist er in seinen Entscheidungen klar strukturiert. Jupp ist die beste Option als Bayern-Trainer. Was dagegen spricht, ist sein Wunsch, wieder bei seiner Frau und seinem Hund zu sein.

Falls Heynckes nicht bleibt: Wer könnte ihn beerben?
Man braucht einen Trainer, der großes Renommee hat und Titel vorweisen kann. Und da ist Jürgen Klopp für mich eine sehr gute Option. Er ist aktuell sogar die einzige Alternative aus meiner Sicht, die Nummer eins.

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