Rummenigge über ganz besonderen FC-Bayern-Spieler: "Die beste Lösung für ein Jahrzehnt"

Audio von Carbonatix
Gab es einen Transfer in Ihrer Zeit als Bayern-Vorstandschef, auf den Sie besonders stolz sind?
Zwei Transfers waren für den Erfolg des FC Bayern von herausragender Bedeutung: Manuel Neuer und Robert Lewandowski. Neuer mussten wir wirklich mit aller Finesse aus Schalke loseisen. Wir haben immer wieder mit seinem Berater verhandelt, weil wir wussten: Mit ihm hätten wir für ein Jahrzehnt die beste Lösung im Tor.
Inzwischen ist Neuer im 14. Jahr beim FC Bayern.
14 Jahre – und immer auf Top-Niveau. Doch es war nicht einfach, ihn zu holen. Einmal war ich sogar skeptisch, ob es überhaupt klappt.
Rummenigge: "Florian Wirtz hätte sehr gut zum FC Bayern gepasst"
Warum?
Da gab es dieses vermaledeite Pokal-Halbfinale 2011 gegen Schalke, als in der Südkurve die "Koan Neuer"-Plakate hochgehalten wurden. Ich war auf 180! Nach dem Spiel bin ich zur Schalker Kabine gegangen, um mit Manuel zu sprechen. Er kam gerade aus der Dusche, noch mit dem Handtuch um die Hüften. Ich habe mich für das Verhalten unserer Südkurve entschuldigt. Und er stellte mir nur eine Frage: 'Wollen Sie und Uli Hoeneß, dass ich zum FC Bayern komme?' Ich sagte ihm:'Ja, wir werden alles tun, um dich zu verpflichten.' Und er antwortete: 'Dann komme ich.' Das fand ich unglaublich stark und werde es ihm nie vergessen. Es war nicht fair, was unsere Ultras damals veranstaltet haben. Der zweite entscheidende Transfer war Robert Lewandowski – ablösefrei von Borussia Dortmund. Auch da haben wir hart gearbeitet, um ihn und seine Berater zu überzeugen. Das war ein echtes Kunststück, das uns gelungen ist. Und selbstverständlich darf man auch Arjen Robben und Franck Ribéry nicht vergessen – auch sie waren für den FC Bayern von unschätzbarem Wert.
Gab es gescheiterte Transfers, über die sie sich heute noch ärgern? Ende Februar etwa haben Sie im AZ-Interview sehr von Florian Wirtz geschwärmt, der dann zu Liverpool wechselte.
Florian Wirtz hätte sehr gut zum FC Bayern gepasst. Und ich glaube auch, dass es für ihn persönlich besser gewesen wäre, wenn er den Schritt nach München und nicht nach Liverpool gemacht hätte. Wir respektieren seine Entscheidung, aber ein bisschen bedauere ich sie, weil er genau in das 'Beuteschema' des FC Bayern gepasst hätte: Wir wollen immer die besten deutschen Spieler verpflichten. Vielleicht denkt er ja irgendwann noch einmal darüber nach. (schmunzelt)

"Der FC Bayern heute braucht nicht weniger Uli Hoeneß, sondern mehr Uli Hoeneß, weil er die Inkarnation des FC Bayern ist“
Welchen Trainer hätten Sie gern mal bei Bayern gesehen?
Wir hatten immer Toptrainer: Jupp Heynckes, Pep Guardiola, die erste Saison unter Carlo Ancelotti – das waren großartige Jahre. Uli hat sich irgendwann mal Gedanken über Jürgen Klopp gemacht. Aber ich glaube, Klopps Liebe zum BVB war damals zu groß, als dass man das irgendwie hätte bewerkstelligen können. (lacht)
Wie hat sich Ihr Verhältnis zu Uli Hoeneß in all den Jahren entwickelt?
Wir haben uns zwischendurch auch mal richtig gefetzt, aber danach immer wieder versöhnt. Für uns beide steht der Fußball im Mittelpunkt, da sind wir identisch. Und deshalb verstehen wir uns auch so gut. Wir kennen uns am längsten. Und deshalb weiß ich, welche Qualitäten Uli Hoeneß hat. Wir hatten immer großen Respekt voreinander. Ich weiß, wie er tickt in allen Belangen – und ich kann nur eins sagen: Der FC Bayern heute braucht nicht weniger Uli Hoeneß, sondern mehr Uli Hoeneß, weil er die Inkarnation des FC Bayern ist.
Rummenigge über Eberl: Wenn Hoeneß "einen Ratschlag gibt, kann ich nur empfehlen, ihn anzunehmen"
Wie lange wollen Sie noch im Aufsichtsrat des FC Bayern tätig sein? Gibt es da eine Absprache mit Ihrer Frau?
Nein (lacht). Aber begeistert war sie nicht, als ich vor zwei Jahren dem Ruf des Aufsichtsrats gefolgt bin. Der Klub hatte damals Schwierigkeiten, deshalb habe ich zugesagt. Der Blick auf die Finanzen zeigte, dass zu viel Geld ausgegeben wurde und dass wir in Probleme geraten würden, wenn wir in diesem Stil weitermachen. Also mussten wir gegensteuern – und das haben Uli, Herbert Hainer, ich und der gesamte Aufsichtsrat auch klar kommuniziert. In diesem Sommer haben wir es auf dem Transfermarkt kreativ und sinnvoll gelöst. Man sieht, wie die Mannschaft inzwischen wieder Fußball spielt, und mit Jamal Musiala, Alphonso Davies und Hiroki Ito kehren bald drei wichtige Spieler zurück. Wir sind auf einem guten Weg – und wenn Uli Max Eberl mal einen Ratschlag gibt, kann ich nur empfehlen, ihn anzunehmen. Denn Uli macht alles stets im Sinne des FC Bayern. Und das ist letztlich das Entscheidende.
Was ist Ihr Hauptantrieb, im Aufsichtsrat zu bleiben?
Es ist ja letztlich die Aufgabe des Aufsichtsrats, zu beaufsichtigen und zu beraten. Und der Aufsichtsrat beim FC Bayern, da bin ich felsenfest von überzeugt, ist der beste Aufsichtsrat der gesamten Bundesliga. Wenn man sich die einzelnen Mitglieder anschaut – welche Spitzenpositionen sie in der Wirtschaft bekleiden oder Edmund Stoiber als ehemaligen Ministerpräsidenten –, dann erkennt man schnell, welche Qualität hier versammelt ist. Vor allem aber eint sie alle die Leidenschaft für den FC Bayern und der Wille, jeden Schaden vom Klub fernzuhalten. Das ist unsere Aufgabe. Das ist geballte Erfahrung, die da am Tisch sitzt.
Rummenigge über die DFB-Elf vor der WM 2026: "Das Wichtigste wäre, für Kontinuität zu sorgen"
Wie kann der FC Bayern auch in Zukunft mit der europäischen Elite mithalten?
Grundsätzlich empfehle ich, entspannt mit den Dingen umzugehen. Natürlich sehe ich auch, was die Engländer im Moment am Transfermarkt veranstalten. Und dass es nicht einfacher wird für den FC Bayern, liegt auf der Hand. Aber es gab immer 'Verrücktheiten' am Transfermarkt, denken Sie an Manchester City oder PSG. Wir müssen unsere eigene Philosophie finden. Das Wichtigste ist, dass wir den Campus weiter zum Laufen bringen. Wenn ein junger Spieler wie Lennart Karl reinkommt und so erfrischend aufspielt, dann schlägt doch jedes Bayern-Herz höher. Das hatten wir früher auch schon mit Bastian Schweinsteiger, David Alaba, Holger Badstuber. Da haben wir Louis van Gaal viel zu verdanken. Man muss den Mut haben, den Jungen ihren Platz einzuräumen. Und ich glaube, Vincent Kompany hat jetzt verstanden, dass das die Philosophie des FC Bayern ist und auch immer ein Erfolgsgarant war.
Wenn wir noch auf die WM 2026 blicken: Was trauen Sie der deutschen Mannschaft zu?
Wir sind nach wie vor nicht stabil. Das Wichtigste wäre, für Kontinuität zu sorgen. Toni Kroos hat vor Kurzem gesagt, dass er den Eindruck hat, drei, vier gute Spiele reichen, um Nationalspieler zu werden. Zu meiner aktiven Zeit musste man zwei Jahre auf Topniveau spielen, bevor Helmut Schön überhaupt über eine Einladung nachdachte. Wir müssen dahin zurück, dass die Nationalmannschaft wieder etwas Besonderes ist – die wichtigste Mannschaft des Landes, die im Mittelpunkt steht. Der Trainer ist wichtig, ohne Frage, aber die Mannschaft ist das Wichtigste. Das wird eine ganz schwere Weltmeisterschaft, die klimatischen Verhältnisse sind gravierend, ich spreche aus eigener Erfahrung. Julian Nagelsmann muss die Mannschaft körperlich in einen Top-Zustand bringen. Mit unseren Tugenden haben wir es 1986 bis ins Finale geschafft und damals waren wir alles andere als Favorit.
Rummenigge schwärmt von Neuer: "Wir haben im Tor das Beste, was der europäische Fußball zu bieten hat"
Wäre ein Comeback von Manuel Neuer wichtig für das deutsche Team?
Entscheidend ist, dass am Ende des Tages die Besten auf dem Platz stehen – und Spieler mit Persönlichkeit. In den letzten beiden Spielen hat mir da etwas gefehlt. Es sind alles gute Fußballer, aber ich sehe keinen klaren Abwehrchef auf dem Platz, keine klare Achse. Die hatten wir zum Beispiel 2020 beim FC Bayern: Neuer im Tor, Alaba in der Abwehr, Thiago im Mittelfeld und Lewandowski im Sturm. Das war das beste Bayern München, das ich je gesehen habe. Wenn du diesen roten Faden, diese Achse in einer Mannschaft hast, musst du nur noch die anderen klug drumherum postieren, der Spirit muss stimmen – dann wirst du Erfolg haben.

Können Sie sich vorstellen, dass Neuer noch länger beim FC Bayern im Tor stehen wird? Sein Vertrag läuft im nächsten Sommer aus.
Ich wünsche es ihm. Aber ich bin ehrlich: Nach seiner schweren Verletzung hatte ich zunächst Bedenken. Und mit fast 40 ist man natürlich nicht mehr so fit wie mit 30. Aber so, wie er im Moment spielt, ist Manuel eine absolute Bank für den FC Bayern. Wir haben im Tor das Beste, was der europäische Fußball zu bieten hat. Was er für den Klub geleistet hat – und noch immer leistet – ist herausragend. Er hat das Torwartspiel auf ein neues Niveau gehoben. Pep Guardiola wollte ihn ja sogar einmal im Mittelfeld aufstellen, aber von dem Gedanken hat er dann doch Abstand genommen. (schmunzelt)
Die Nachfolgeregelung wird schwierig. . .
Wir hatten beim FC Bayern immer Top-Torhüter – und jeder Nachfolger wird sich an ihnen messen lassen müssen. Irgendwann wird Manuel aufhören, wann auch immer. Einen Torwart zu finden, der diese Lücke füllt, wird alles andere als einfach. Das weiß ich heute schon. Aber bis dahin können wir dankbar sein, dass er diese Leistungen bringt.