Noch 100 Tage bis zur Wahl

Nicht mehr lang, dann wählen wir eine neue Regierung. Ein Überblick, wie die Parteien jetzt in den Wahlkampf ziehen.
BERLIN In 100 Tagen wird der neue Bundestag gewählt – damit beginnt langsam die heiße Wahlkampfphase, theoretisch jedenfalls. Während es lange Zeit mau für eine Wiederauflage des schwarz-gelben Bündnisses aussah, sind die Chancen in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Reichen würde es derzeit laut Umfragen aber nicht – noch viel weniger aber für eine rot-grüne Koalition. Die AZ macht den Check, wer wie dasteht.
CDU.
Ihr Trumpf heißt Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einer Direktwahl würden sich 57 Prozent der Bürger für Bundeskanzlerin Angela Merkel entscheiden. Weil sie das weiß, versucht sie wieder, den Wahlkampf so dezent wie möglich zu halten, um das Wahlvolk nicht aufzuschrecken und an die Urne zu treiben.
So hatte sie schon 2009 mit dem Kleinhalten der SPD großen Erfolg. Erhoffter Nebeneffekt diesmal: Bei einer niedrigen Wahlbeteiligung würden weniger Stimmen reichen, um den Partner FDP über die Fünf-Prozent-Hürde zu hieven.
Konträre Themen werden gemieden, entwickelt die SPD eine populäre Forderung, übernimmt Merkel sie selbst. Aktuell größter Malus der Union ist die Drohnen-Affäre, in der jüngsten Umfrage fiel sie deswegen um einen Punkt auf 40 Prozent. Dauer-Klotz-am-Bein ist die schwächelnde FDP.
CSU.
Weil die Landtagswahl in Bayern eine Woche vorher ein wichtiges Signal setzt, hat sie gerade vom Kanzleramt Narrenfreiheit und darf sogar die Pkw-Maut einfordern, von der ohnehin jeder weiß, dass sie so nicht kommt. Die Verwandtenaffäre schadet ihr laut Umfragen überhaupt nicht.
FDP.
Sie tut sich schwer: Den Absturz seit 2009 hat sie nicht verkraftet, der neue Parteichef Rösler zieht ebensowenig wie Spitzenkandidat Brüderle. Vor allem aber fehlen ihr die Themen: Die Steuerpläne sind gescheitert, bei anderen Fragen wie der Vorratsdatenspeicherung ist kaum erkennbar, dass in den nächsten vier Jahren etwas anderes passiert als in den vergangenen vier.
SPD.
Ihre Schwäche ist, dass zentrale Punkte nicht so recht zusammenpassen: Spitzenkandidat, Programm, Parteichef, um nur die größeren zu nennen. Das Kalkül war, dass Peer Steinbrück die unabhängige Mitte anspricht und der Rest die traditionellen Gewerkschafter.
Nun ist denkbar, dass der Rest die Mitte vergrault und Steinbrück die Gewerkschafter. Zumal der Kandidat noch immer nicht im Tritt ist – und jetzt auch noch mit dem Rauswurf seines Sprechers und dem Anheuern eines Bild-Haudegens mitten im Ritt die Pferde wechselt.
Wenn es nicht bald einen zündenden Funken gibt, stellen sich viele Genossen auf eine Neuauflage der großen Koalition ein. Andere hoffen noch auf die Stärke der Grünen, nach dem Motto: Die SPD mobilisiert stärker als 2009 ihre traditionellen linken Anhänger, die Grünen das pragmatische Bürgertum.
Die Grünen.
Hier läuft es einigermaßen rund: Das Spitzen-Duo harmoniert, die Steuerpläne haben – anders als von manchen befürchtet – keine Verluste provoziert. Allerdings auch keine Zugewinne. Mit ihren 14 Prozent wird es aber zusammen mit der SPD nicht reichen.
Die kleineren Parteien.
Die Linke liegt stabil bei acht Prozent, eine Koalition kommt für SPD und Grüne aber nicht in Frage.
Die Piraten dümpeln nach ihrem Höhenflug jetzt wieder bei zwei Prozent herum, ebenso – nach dem ersten Hype – die Anti-Euro-Partei AfD. Vermutlich werden die Piratenpunkte eher dem linken Lager fehlen, die AfD-Punkte dem rechten, insofern gliche sich das aus.
Die Aussichten: Rechnerisch reicht es derzeit knapp nicht für Schwarz-Gelb, dafür aber für eine große Koalition – oder theoretisch auch für Schwarz-Grün, dies gilt als wenig wahrscheinlich. In allen drei Fällen hieße Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder Bundeskanzlerin Angela Merkel.