Merkel entlässt Röttgen als Umweltminister

Kanzlerin Merkel hat Umweltminister Röttgen entlassen. Sollte seine formelle Entlassung schnell geschehen, müsste Horst Seehofer im seine Entlassungsurkunde geben.
von  dapd

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Umweltminister Röttgen nach dessen NRW-Pleite entlassen. Sollte seine formelle Entlassung schnell geschehen, müsste Horst Seehofer im seine Entlassungsurkunde geben.

Berlin - Am Mittwoch hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Musterschüler gefeuert. Nachfolger wird Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier, wie die CDU-Chefin in Berlin bekannt gab. Sollte Röttgens formelle Entlassung ganz schnell über die Bühne gehen, müsste CSU-Chef Horst Seehofer dem geschassten Umweltminister die Entlassungsurkunde überreichen. Der bayerische Ministerpräsident vertritt in dieser Woche noch bis Freitag Bundespräsident Joachim Gauck als Staatsoberhaupt.

Seehofer ist derzeit Präsident des Bundesrates, der nach Artikel 57 des Grundgesetzes die Befugnisse des Bundespräsidenten wahrnimmt, wenn dieser verhindert ist. Gauck befindet sich derzeit im Urlaub und hat diese Vertretungsregelung in Kraft gesetzt. Gerade Seehofer war es, der nach der krachenden Wahlniederlage der CDU in Nordrhein-Westfalen Röttgen schwer kritisierte.

Dass Seehofer Röttgen nun im Schloss Bellevue gegenübertritt, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Erst am Freitag will das Bundespräsidialamt nämlich bekannt geben, wann Röttgen die Entlassungsurkunde erhält und sein designierter Nachfolger Peter Altmaier die Ernennungsurkunde. 

Röttgen, der die NRW-Wahl am Sonntag krachend verloren hatte, hatte seinen Posten nicht freiwillig räumen wollen und wurde entlassen. Es ist die vierte Kabinettsumbildung in der schwarz-gelben Bundesregierung seit ihrem Antritt 2009. Die Opposition reagierte mit Häme und sieht die Regierung Merkel im Zerfall.

Der 46-jährige Röttgen hatte als NRW-Spitzenkandidat das schlechteste CDU-Wahlergebnis aller Zeiten im bevölkerungsreichsten Land eingefahren. Die CDU stürzte an Rhein und Ruhr auf 26,3 Prozent ab. Seinen Rückzug vom CDU-Landesvorsitz hatte Röttgen direkt am Wahlabend verkündet. Der Politiker, der auch stellvertretender CDU-Chef ist, galt vor dem Wahldebakel als Hoffnungsträger der Union.

Knapper Dank von der Bundeskanzlerin

Merkel bat Bundespräsident Joachim Gauck darum, Röttgen zu entlassen. Wörtlich sagte die CDU-Vorsitzende bei einem überraschend angesetzten Statement im Kanzleramt: „Ich habe heute Vormittag mit dem Herrn Bundespräsident gesprochen und ich habe ihm gemäß Artikel 64 des Grundgesetzes vorgeschlagen, Norbert Röttgen von seinen Aufgaben als Bundesumweltminister zu entbinden und so in diesem Amt einen personellen Neuanfang möglich zu machen.“

Die Kanzlerin erklärte zur Begründung, die Energiewende sei ein zentrales Projekt dieser Legislaturperiode. Röttgen habe zwar die Grundlage dafür gelegt, es bleibe aber noch „ein Stück Arbeit vor uns“. Sie dankte Röttgen knapp für sein Engagement.

CSU-Chef Horst Seehofer sagte dem Rundfunksender „B5 aktuell“, nach dem, was ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt habe, habe Handlungsbedarf bestanden. Merkel habe ihn gegen 16.00 Uhr über die Beweggründe der Entlassung informiert. Näher wollte sich Seehofer nicht äußern. Bayerns Ministerpräsident hatte am Montag seinem Unmut über Röttgen freien Lauf gelassen. Er nannte den Wahlausgang in NRW „für die Union eine politische Katastrophe, die mich wirklich aufwühlt. Es ist ein Desaster mit Ansage.“ Auch hatte der CSU-Vorsitzende das Gelingen der Energiewende infrage gestellt.

Ein Ministerkollege sagte der dapd, Röttgen sei schon in der Kabinettssitzung am Morgen „völlig durch den Wind“ gewesen. So mancher habe sich danach gefragt, ob der Umweltminister überhaupt sein Amt weiter ausüben könne. Die Kabinettssitzung sei im übrigen sehr entspannt verlaufen, hieß es aus Regierungskreisen weiter. Die Kanzlerin habe sogar Scherze gemacht – etwa über die sonderbare Verfassungslage in Griechenland bezüglich Regierungsbildung und Parlamentswahl.

Neuanfang mit Altmaier

Als „personellen Neuanfang“ im Umweltministerium schlug die CDU-Vorsitzende den Parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Bundestag vor. „Peter Altmaier kenne ich sehr lange. Ich schätze seine bisherige Arbeit“, sagte Merkel. Der Merkel-Vertraute sagte kurz darauf, er freue sich auf „die Herausforderungen“. Er sei sich der großen Verantwortung bewusst. Die Energiewende sei eine „gesamtgesellschaftliche Herausforderung“, von der viel abhänge. Er wolle sich „mit ganzer Kraft und vollem Engagement“ darum kümmern.

Offizieller Stellvertreter von Altmaier als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer ist kraft Amtes der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller. Als Nachfolgerin Altmaiers wurde unter anderen die Abgeordnete Michaela Noll gehandelt. Die CDU-Politikerin ist bereits eine Parlamentarische Geschäftsführerin der Unionsfraktion.

Massive Kritik aus Nordrhein-Westfalen

In der nordrhein-westfälischen CDU stieß Röttgens Entlassung auf Kritik. Sowohl Generalsekretär Oliver Wittke als auch Fraktionschef Karl-Josef Laumann äußerten sich verwundert. Gründe konnten beide nicht erkennen. Laumann sagte: „Die heutige Entlassung von Norbert Röttgen erschreckt mich.“ Er verstehe nicht, dass Röttgen bis zum Tag der NRW-Wahl als „der hervorragende Umweltminister galt, der er war“, und drei Tage später entlassen werde.

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sagte auf dapd-Anfrage, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Altmaier. Er sei überzeugt davon, dass es Altmaier gelingen werde, die Energiewende voranzutreiben. Dies sei jetzt auch dringend geboten. FDP-Chef Philipp Rösler trägt die Entlassung voll mit. Die FDP sehe in der Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Neubesetzung „eine Fortsetzung der stabilen Zusammenarbeit in der Regierungskoalition“, sagte Rösler. Er freue sich nun auf die „Kooperation“ mit Nachfolger Altmaier, erklärte der Bundeswirtschaftsminister.

SPD spricht von Mobbing

Die SPD sieht im Abgang von Röttgen einen Beleg für den „maroden Zustand“ der schwarz-gelben Bundesregierung. „Wie Röttgen nun von den eigenen Leuten weggemobbt wurde, beweist, welches Klima in der sogenannten bürgerlichen Koalition mittlerweile herrscht“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Dass Merkel nun einen ihrer engsten Vertrauten fallen lasse, zeige, „dass die Krise der Koalition nun in den innersten Kern vorgedrungen ist“.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann nannte die Wahl von Altmaier „hochgefährlich“ für die Union. Altmaier habe „die Unionsfraktion wie kein anderer zusammengehalten. Mit seinem Weggang droht der Laden auseinanderzufliegen“, sagte Oppermann über seinen Unions-Kollegen. Die Grünen warfen Röttgen Totalversagen vor. Parteichefin Claudia Roth sagte, er habe in allen wichtigen Fragen seines Ressorts nichts bewirkt, vor allem habe er die Energiewende nicht vorangebracht. „Seine Bilanz ist wirklich das schreiende Nichts.“ Insoweit sei sein Rausschmiss nur konsequent. Er sei einfach nicht mehr zu halten gewesen. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir verlangte in einem „Brennpunkt“ der ARD, Merkel müsse die Energiewende jetzt zur Chefsache erklären. 

 

 

 

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