EU-Wahl: Radikale und Populisten auf dem Vormarsch

Radikale Protestparteien erleben einen Aufwind. Insgesamt werden im Europaparlament ab sofort 140 europafeindliche Abgeordnete sitzen, während die stärksten Fraktionen Mandate verlieren.
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Sie sind die Speerspitze des Rechtspopulismus in Europa und erzielten starke Ergebnisse. Marine Le Pen von der französichen rechtsextremen Front National und Nigel Farage asu Großbritannien von der Ukip.
dpa/AFP Sie sind die Speerspitze des Rechtspopulismus in Europa und erzielten starke Ergebnisse. Marine Le Pen von der französichen rechtsextremen Front National und Nigel Farage asu Großbritannien von der Ukip.

Brüssel – Trotz leicht höherer Beteiligung als 2009 ist die Europawahl zum Triumphzug vieler Rechtspopulisten und EU-Gegner geworden. In Frankreich löste der Wahlsieg der rechtsextremen Front National (FN) ein politisches Erdbeben aus. Von Großbritannien aus rief Ukip-Chef Nigel Farage nach seinem "Jahrhundertsieg" ein Ende der europäischen Integration aus. Insgesamt errang die konservative EVP die meisten Sitze im Europaparlament, gefolgt von den Sozialdemokraten.

In Frankreich erreichte Marine Le Pens FN knapp 25 Prozent der Stimmen, vier mal mehr als vor fünf Jahren. Die Sozialisten von Staatspräsident François Hollande stürzten auf unter 14 Prozent und landeten hinter der konservativen UMP mit knapp 21 Prozent. Le Pen rief Hollande umgehend zu Neuwahlen für Frankreich auf.

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Ebenso spektakulär wie das FN-Abschneiden war der Aufstieg von Farage und seiner europafeindlichen Ukip in Großbritannien. Die Partei kam nach vorläufigen Ergebnissen auf mehr als 27 Prozent der Stimmen. Farage sprach von der "außergewöhnlichsten Wahl in 100 Jahren", weil erstmals keine der etablierten Parteien eine nationale Wahl gewinnen konnte. Die Tories von Premier David Cameron landeten hinter der Labour Party auf Platz drei. Die proeuropäischen Liberaldemokraten, die mit Cameron regieren, sind der größte Verlierer und halten nur einen Sitz im EU-Parlament.

Farage schloss in der Nacht zum Sonntag zwar eine Allianz mit der Front National aus: "Das wird es niemals geben." Gleichwohl sieht er die EU am Wendepunkt. "Bis jetzt schien die europäische Integration unausweichlich. Ich denke, mit den Ergebnissen dieser Nacht wird diese Unausweichlichkeit enden." Der britische Außenminister William Hague sagte, die ganze EU müsse "die Botschaft des Europaverdrusses klar und laut hören."

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Auch in Dänemark lagen die Rechtspopulisten von der Dänischen Volkspartei (DF) mit knapp 27 Prozent vorn. In Österreich legte die rechtspopulistische FPÖ deutlich zu und landete mit knapp 20 Prozent auf dem dritten Platz. In Griechenland nutzten die Wähler die Abstimmung für eine Abrechnung mit der Regierung. Dort triumphierte Die Linksallianz Syriza mit mehr als 26 Prozent. Damit lag sie vor der konservativen Nea Dimokratia (ND) von Regierungschef Antonis Samaras mit 23,5 Prozent.

Insgesamt werden im neuen EU-Parlament etwa 140 europafeindliche beziehungsweise europakritische Abgeordnete sitzen. Zugleich verlieren die stärksten Fraktionen Mandate: Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, bleibt mit 212 Mandaten (28,23 Prozent) stärkste Kraft (zuvor 273); die Sozialdemokraten bleiben zweitstärkste Kraft (24,77 Prozent) und entsenden 186 Abgeordnete (zuvor 196). Drittstärkste Kraft (9,32 Prozent) bleiben die Liberalen mit 70 Abgeordneten (zuvor 83). EU-Kommissionschef José Manuel Barroso rief die proeuropäischen Parteien zur Zusammenarbeit auf, um eine "solide und arbeitsfähige Mehrheit" im EU-Parlament zu bilden.

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In Deutschland behaupteten die etablierten Parteien ihre Vormachtstellung. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge wurde die Union trotz Verlusten mit 35,3 Prozent stärkste Kraft. Die SPD legte auf 27,3 Prozent zu. Die Grünen erreichten bei der Wahl 10,7 Prozent der Stimmen, die Linke kam auf 7,4 Prozent. Die FDP stürzte auf 3,4 Prozent ab. Die euroskeptische AfD holte aus dem Stand sieben Prozent.

Die Wahlbeteiligung in Europa lag mit fast 43,1 Prozent geringfügig höher als 2009, womit erstmals der stete Abwärtstrend bei der Beteiligung gestoppt wurde. Die Parteienfamilien hatten erstmals europaweite Spitzenkandidaten aufgestellt – Martin Schulz für die Sozialdemokraten und Jean-Claude Juncker für die Konservativen.

Beide Politiker betonten am Sonntagabend ihren Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionschefs und suchen nun eine Mehrheit im Europaparlament. Ob aber wirklich einer von ihnen EU-Kommissionspräsident wird, ist fraglich: Neben Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich auch Cameron gegen einen entsprechenden Automatismus.

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