Die SPD verteilt schon mal die „GroKo“-Posten

In einem alten Postbahnhof in Berlin entscheidet sich am Samstag, ob Deutschland die dritte große Koalition seit 1949 bekommt. Klar ist schon vor dem Ergebnis, wer für die SPD Ministersessel bekommen soll.
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Heiko Maas (SPD) wird Justizminister.
dpa Heiko Maas (SPD) wird Justizminister.

Berlin - Wochenlang hat Sigmar Gabriel die Karten eng an der Brust gehalten. Doch nun, da das Votum der Mitglieder beendet, wenn auch noch nicht ausgezählt ist, sickert am Freitagabend bereits die ganze geplante SPD-Mitgliederliste durch. Es ist eine Liste unter Vorbehalt. Sechs Ministerposten soll die SPD immerhin bekommen.

Gabriel (54) soll als Vizekanzler ein neues Wirtschafts- und Energieressort übernehmen, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (57) wie schon bei der letzten großen Koalition das Außenministerium bekommen. Die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles (43) soll Arbeits- und SPD-Vize Manuela Schwesig (39) Familienministerin werden. Schatzmeisterin Barbara Hendricks soll das bisher von Peter Altmaier (CDU) geführte Umweltministerium übernehmen, Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas das Justizministerium.

Entsprechende Berichte der „Bild“-Zeitung und von „Spiegel online“ wurden der Deutschen Presse-Agentur aus der Partei bestätigt. Als Steinmeiers Nachfolger soll Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann Fraktionschef werden. Gabriel will vor allem mit einer besseren Gestaltung der Energiewende das Wirtschaftsprofil der SPD schärfen – ihm zupass kommen dürfte, dass auch das Umweltressort rot wird. Union und FDP hatten sich hier oft gerieben, zwei „gleichfarbige“ Ministerien versprechen ein Handeln aus einem Guss. Für den Mann aus Goslar wäre die Vizekanzlerschaft die Krönung einer von Auf und Abs geprägten Karriere. Doch die Bändigung der Strompreise und Energiewendeprobleme ist kein leichter Job.

Gabriel sitzt seit Wochen in einer ziemlich rasanten Achterbahn. Erst geht es mit Schussfahrt nach unten: Nur 25,7 Prozent bei der Bundestagswahl, Putschgerüchte. Dann bekommt der SPD-Chef die Kurve, indem er einen Mitgliederentscheid verspricht: Er darf über eine große Koalition verhandeln. Zwischendrin droht es ihn aus der Bahn zu werfen, die Basis murrt kräftig. Dann gelingt aber so mancher Erfolg bei den Koalitionsverhandlungen. Doch nun kommt zum Abschluss der Fahrt nochmal ein waghalsiger Looping mit dem Ergebnis des Votums.

Bisher erwartet kaum einer der führenden Genossen, dass Gabriel am Samstagnachmittag mit versteinertem Gesicht vor die Kameras tritt und das Undenkbare verkündet: Keine Zustimmung der SPD-Mitglieder zur großen Koalition. Keine Ministersessel. Es wäre, um im Bild zu bleiben, das Herauskatapultieren aus der Bahn. Gabriel würde nicht Vizekanzler, sondern müsste wohl zurücktreten, der Vorstand und alle neun SPD-Ministerpräsidenten wären beschädigt, die 150 Jahre alte Partei in einer tiefen Krise.

Einen Plan B gibt es bisher nicht. Gibt es ein Nein, würde es zu einem Neuanlauf für Schwarz-Grün kommen. Scheitert auch dies, stünde Bundespräsident Joachim Gauck vor der Frage, ob er den Weg für Neuwahlen freimacht. Etwa wenn Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag nach mehreren Anläufen nur mit einer einfachen, nicht einer absoluten Mehrheit gewählt wird. Dann müsste Gauck entscheiden, ob er sie ernennt und Merkel eine Minderheitsregierung führt, oder ob er den Bundestag auflöst.

Vier Jahre hatte man die SPD-Basis gegen Union und FDP auf die Bäume gejagt – nun war es schwer, alle wieder herunterzuholen. In der finalen Verhandlungsnacht vom 26. auf den 27. November wurde aber der Union so manches abgetrotzt. Der Basis wurde auf Regionalkonferenzen eingebläut, es sei ein Koalitionsvertrag „für die kleinen Leute“ – es liege in den Händen der Mitglieder, ob eine Floristin künftig weiter 5 Euro oder 8,50 Euro Mindestlohn die Stunde bekommen werde. Ausgerechnet in dem früheren Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg, wo die SPD auf dem Parteitag vor zwei Jahren einen rot-grünen Aufbruch beschwor, wird nun über die große Koalition entschieden. 335 000 der 474 820 stimmberechtigten Mitglieder haben abgestimmt, Gabriel spricht von einem Sieg der innerparteilichen Demokratie.

Zuerst werden am Samstag bis zu 40 000 Briefe pro Stunde in der Halle aufgefräst – mit Hochleistungsmaschinen des Typs OL 1000 plus -, bevor dann 400 Helfer die Stimmen auszählen. Der Slogan des OL-1000-Herstellers lautet: „Wenn die Post so richtig abgehen soll“. Die Post abgehen wird in jedem Fall nach Verkündung des Ergebnisses. Gibt es ein Ja, muss die Ministeriumsarbeit organisiert, müssen auch die Generalsekretärs- und Schatzmeisterposten neu besetzt werden. Am Dienstag würden die Minister vereidigt und Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag wiedergewählt. Und dann hoffen sie in der SPD auf eines: Weihnachtsruhe nach der Achterbahnfahrt.

 

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