Angela Merkel: Auf dem Höhepunkt der Macht
Berlin - Mit dem Überschwang, mit dem Jubel tut sie sich immer noch schwer: „So, jetzt“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie die milde Mama, die den ausufernden Kindergeburtstag unter Kontrolle bringen will. Aber es hilft nichts: „So ein’ Tag hamwa lange nicht gesehen“, skandieren die schicken JU-Jugendlichen. In ihren orangenen „Team Deutschland“-Sweatshirts bejubeln sie ein Ergebnis, mit dem niemand hier im Adenauer-Haus gerechnet hat – und das auch einigen unheimlich ist.
Um die 42 Prozent, das kratzt an der absoluten Mehrheit an diesem Abend. Solche Verhältnisse gab es zuletzt vor 56 Jahren: Angela im Adenauer-Modus. Sie ist auf dem Höhepunkt ihrer Macht.
„Wir sind jetzt wirklich eine Volkspartei“ und „Wir werden mit dem Ergebnis verantwortungsvoll umgehen“, sagt sie ihren Fans, die sich in der Scheinwerfer-Hitze von dutzenden Kamera-Teams feiern. „Wir haben wirklich gekämpft“, freut sie sich und dankt „den vielen jungen Leuten, die uns geholfen haben“. Sie dankt den „Freunden von der Union – und ich sage bewusst der Union“. Sie weiß, dass die CSU mit ihren Bayern-Ergebnis vor einer Woche die Steilvorlage gegeben hat, sie jetzt verwandelt hat.
Und wie das so ist nach einem gelungenen Torschuss, da fällt man sich um den Hals: Also umarmt Merkel CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, sie umarmt Generalsekretär Hermann Gröhe und sie umarmt – ganz besonders lange – Volker Kauder, den treuen Fraktionschef.
Das Ergebnis ist eine kleine Sensation in einer politischen Landschaft, in der die einzig realistischen Alternative Schwarz-gelb oder große Koalition schienen.
Fast entschuldigend lobt Merkel „die gute Zusammenarbeit mit der FDP“, die jetzt aber nicht mehr da ist. Die Verantwortung für das Ableben der Liberalen mag sie allerdings nicht auf sitzen lassen: „Ich bin nicht für alles verantwortlich“, sagt sie auf die Frage, ob sie nicht doch eine klitzekleine Zweitstimmen-Kampagne zugunsten der FDP hätte zulassen sollen.
Wie auch immer: „Feiern dürfen wir jetzt schon“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel, und die Partei lässt sich das nicht zweimal sagen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gelöst wie lange nicht mehr. „Und ich danke auch meinem Mann, der dort an der Seite steht“, sagt sie. „Er musste manches ertragen.“ Joachim Sauer wirkt verlegen.
Um viertel nach Neun, die Berliner Runde und alle TV-Interviews sind endlich gemeistert, gibt es dann tatsächlich eine Premiere im Adenauer-Haus. Da stimmt eine grottenschlechte Unterhaltungsband „An Tagen wie diesen“ an . Volker Kauder schnappt sich das Mikro, und Bundeskanzlerin Angela Merkel klatscht auf der Bühne mit. Sie holt sogar den alten Heiner Geißler zu sich, dessen Rhythmus-Gefühl auch nicht besser ist. Aber was soll's .
Es herrscht Champagner-Laune in der Union. Also stellt sich Thomas de Mazière hinter den Stand der Meissener Sekt-Winzer und schenkt Gläschen aus wie ein Barkeeper auf Freibier-Kurs.
Wolfgang Schäuble sieht die Union in „sehr guter Verfassung“ und bewirbt sich höchst vorsorglich für weitere vier Jahre im Finanzministerium, auch wenn ihm „das nicht so wichtig“ sei.
Peter Altmaier kann sich „an einen solchen Abend nicht erinnern“, und er auch beeilt sich zu versichern: „Wir werden mit dem Ergebnis sorgsam umgehen.“ Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann freut sich: „Ich kann's noch nicht so richtig glauben.“ Geschafft habe das Bundeskanzlerin Angela Merkel, es liege „aber sicher auch an der klar christlich sozialen Handschrift“ des Wahlprogramms.
Ursula von der Leyen schwärmt von dem „fantastischen Ergebnis! Ganz phänomenal“. Sie sagt es erst auf deutsch – und dann einem Journalisten aus Afrika noch mal auf englisch: „Absolutely phenomenal“ sei das. Ja, so sei das eben in Germany: Wirtschaftlich geht's uns gut, und auch „socially“ sei alles in Butter, erklärt von der Leyen dem Kollegen vom schwarzen Kontinent.
Dann verschwindet sie mit vier ihrer sieben Kinder in den Führungsetagen des Adenauer-Hauses.
Dort gibt es sicher was zu feiern, aber auch eine Menge zu besprechen: Denn der Triumph hat eine Menge verändert in der politischen Landschaft. Die FDP ist pulverisiert, und wie geht man mit der neuen Macht um? Und was hat die AfD so überraschend stark gemacht? „So stark sind sie doch gar nicht“, sagt EU-Kommissar Günther Oettinger zur AZ: „Die Parteien, die den Euro-Kurs stützen – also CDU und SPD – haben gewonnen“, meint Oettinger, ganz Europäer: „Und Wolfgang Schäuble hat das sehr gut vertreten.“ Deutschland werde „weiter Stabilitätsanker und Wachstumsmotor in Europa sein“, verspricht Schäuble. Das Ausland solle sich „mal keine Sorgen machen“.
Aber immerhin sagt Thomas de Maizière in einer Pause am Winzer-Tresen: „Ich habe Verständnis dafür, dass die Menschen sich wegen der Euro-Rettung Sorgen machen“. Deshalb müsse auch die CDU „die Argumente für Europa weiter offen vertreten“. Sorgen macht man sich durchaus auch um eine mögliche neue Machtfülle: „Also eine absolute Mehrheit“, sagt Thomas Schröder aus Berlin, „das wäre heute eine sehr schöne Sache zum feiern".
Aber morgen sehe die Sache schon wieder ganz anders aus: „Bei dem Bundesrat mit seiner rot-grünen Mehrheit, das wäre die totale Blockade.“ Und die könne ja wohl keiner wollen. Aber was dann? „Schwarz-Grün, das wäre doch mal eine schöne Sache“, sagt er. Das wäre aber dann doch eine Überraschung zu viel.