Top-Stars verblassen im Verein: Ist der FC Bayern ein Karrierekiller?
Tokio/München - Es war eine symptomatische Szene, die sich in der 67. Minute des Testspiels zwischen dem FC Bayern und Manchester City (1:2) abspielte: Sadio Mané zog von links nach innen, suchte den Abschluss. Er fand ihn aber, wie viel zu oft in seiner Zeit beim FC Bayern, nicht.
Der Ex-Münchner João Cancelo blockte. Manés Chance verpuffte. Mal wieder. Ein fast schon vertrautes Bild. Die Chance, Bayern-Trainer Thomas Tuchel von sich und seinen Qualitäten zu überzeugen, war da schon längst dahin...
Youngster helfen sich selbst: Sadio Mané mit (zu) großer Konkurrenz beim FC Bayern?
"Auf der Position, wo ich ihn am stärksten sehe, sind auch Kingsley Coman, der herausragend wichtig ist für uns, und Serge Gnabry, der wieder zur Form gefunden und am Ende viele wichtige Tore gemacht hat. Da haben wir eine Konstellation, die es sehr schwer macht für Sadio", erklärte Bayerns Coach bereits zuvor im Trainingslager am Tegernsee.

Erwartet hat man sich von Mané, Afrikas Fußballer des Jahres, wesentlich mehr – und er selbst sich wohl auch, schließlich kam der Senegalese im Sommer 2022 als Königstransfer vom englischen Top-Klub FC Liverpool. Mit seiner Erfahrung sollte Mané eigentlich die Youngster um sich herum, wie Jamal Musiala oder Mathys Tel, entlasten und besser machen.
Er sollte mit seinem Können, seiner Erfahrung eine Art Vorbild sein – und als Teil des flexiblen Angriffs mithelfen, die Lücke, die durch den Wechsel von Torgarant Robert Lewandowski zum FC Barcelona entstanden war, zu schließen. Es kam anders. Ganz anders: Jung-Star Musiala startete durch und wurde selbst zum Superstar und Gesicht des Vereins.
Zudem zeigt Tel, dass er das Potenzial hat, in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Bayern-Offensive zu sein. Und Mané? Der landete durch mangelnde Leistungen, aber auch seine unrühmliche Watschn nach dem ManCity-Spiel gegen Teamkollege Leroy Sané, auf dem Abstellgleis.
Sabitzer kann seine RB-Qualitäten beim FC Bayern kaum einbringen
Ähnlich erging es einem von Manés, nun wieder, ehemaligen Mitspielern: Bereits zu Salzburger Zeiten spielte der Angreifer an der Seite von Marcel Sabitzer. So auch in der vergangenen Saison beim FC Bayern. 2021 heuerte der Österreicher mit einer ähnlichen Mission wie Mané an: Als Kindheitsfan des FC Bayern und langjähriger RB-Kapitän kam er, um das Mittelfeld zu stabilisieren und ihm mit seiner Vielseitigkeit eine neue Dimension zu geben. Besonders zu Leipziger Zeiten war Sabitzers Schusstechnik gefürchtet.
Beim FC Bayern konnte er diese nur selten einbringen. Die Führungsrolle im Mittelfeld übernahmen Thomas Müller, Joshua Kimmich und Leon Goretzka. Sabitzer fand nie wirklich zu seinem Spiel und wurde, nach einer Leihe zu Manchester United, in diesem Sommer für 19 Millionen Euro an Borussia Dortmund abgegeben.
Schlaudraff mit Zaubersolo, aber ohne Chance beim FC Bayern
Mit ihren Geschichten sind Mané und Sabitzer bei weitem nicht allein. Im Viertelfinale der DFB-Pokal-Saison 2006/07 empfing Alemannia Aachen den FC Bayern zum Pokalduell am Tivoli. Zur Pause führte der Aufsteiger bereits 3:0. Lukas Podolski und Mark van Bommel verkürzten für den doppelten Titelverteidiger. In der Schlussminute kam dann der Moment von Jan Schlaudraff.
Zuerst ließ der Offensivspieler drei Gegner stehen und entschied, frei vor Michael Rensing, die Partie. Uli Hoeneß schaute fassungslos drein. Im Sommer 2007 wechselte Schlaudraff dann nach München und lehnte dafür auch ein Angebot von Werder Bremen ab.
Allerdings kam er für den deutschen Rekordmeister auf ganze 14 Spiele und kein Tor. Nach nur einem Jahr ging es weiter zu Hannover 96. Heute ist Schlaudraff Geschäftsführer Sport beim österreichischen Zweitligisten SKN St. Pölten.
FC-Bayern-Karriereknick macht auch vor Rekordtorschützen nicht Halt
Manchmal widerfuhr ein solcher Karriereknick beim FC Bayern auch Spielern, die in ihrem Heimatland zu den Größten aller Zeiten gehören. Einem sechsfachen Meister beispielsweise, dem Rekordtorschützen seiner Nationalmannschaft. Dennoch soll Bayern-Legende Hermann Gerland über Landon Donovan gesagt haben, dass er nicht einmal für die zweite Mannschaft gut genug sei. Im Januar 2009 kam der US-Amerikaner auf Anraten des damaligen Trainers Jürgen Klinsmann und blieb für lediglich drei Monate. Das Kapitel Klinsmann endete ähnlich erfolglos.
Ebenfalls als großes Missverständnis erwies sich Jahre später Breno Vinícius Rodrigues Borges. Als Abwehr-Supertalent vom FC São Paulo gekommen, war seine Anfangszeit weitestgehend von Verletzungen geprägt. Der 19. September 2011 sollte sein Leben grundlegend verändern – allerdings nicht zum Positiven.
Laut Polizeiberichten war der Brasilianer tiefst frustriert darüber, dass eine seiner Knieverletzungen nicht wie erhofft verheilt sei und ihm eine weitere Operation drohe.
Daraufhin zündete Breno, wohl unter Alkoholeinfluss, seine Villa in Grünwald an und musste sich vor Gericht wegen schwerer Brandstiftung verantworten. Nach gut vier Monaten in Haft stellte der FC Bayern im Oktober 2011 seine Kaution, woraufhin er einstweilig aus dem Gefängnis entlassen wurde. Brenos auslaufenden Vertrag verlängerte der Rekordmeister allerdings nicht. Eine tragische, aber traurige Geschichte.
"Fertig gemacht, also vertraglich": Mönchengladbach und der FC Bayern im Streit um Sinan Kurt
Stattdessen fokussierte man sich auf andere junge Spieler. Wenn ein solcher, an der Seite von Xabi Alonso verpflichtet wird, von Pep Guardiola trainiert werden darf und beide Teams einen amtlichen Streit vom Zaun brechen, muss dieser Spieler ein bisschen was am Ball können. Als "eines der größten deutschen Talente" bezeichnete der FC Bayern Sinan Kurt damals bei der Verkündung des Transfers in der offiziellen Pressemitteilung.

"Sinan Kurt haben wir noch fertig gemacht, also vertraglich", holte sich der damalige Sportvorstand Matthias Sammer ungewollt Lacher ab und legte sehr gewollt Richtung Gladbach nach: "Fertig gemacht wurde er von jemand anderem".
Sammer und Max Eberl gerieten im Rahmen der Transferverhandlungen immer wieder aneinander und warfen sich auch gegenseitig schlechten Stil vor. Allerdings konnte Guardiola nie wirklich etwas mit Kurt anfangen. Nach einem Abstecher in die zweite Mannschaft ging es für ihn 2016 dann weiter Richtung Hertha BSC.
Renato Sanches: Richtige Idee, falscher Zeitpunkt
Ein weiteres Karriereknick-Beispiel: Am 30. Juni 2016 trafen Polen und Portugal im Viertelfinale der Europameisterschaft in Frankreich aufeinander. Für den FC Bayern hätte die Partie kaum besser verlaufen können. Robert Lewandowski eröffnete bereits in der zweiten Minute. Nach gut einer halben Stunde gelang Renato Sanches der Ausgleich. Nur wenige Wochen zuvor gab der deutsche Rekordmeister die Verpflichtung des portugiesischen Top-Talents bekannt.

Carlo Ancelotti trieb zu seiner Bayern-Zeit jedoch nicht wirklich den Umbruch an. Wie Sanches kamen auch Kingsley Coman und sogar Joshua Kimmich kaum zum Zug. Letzteren plagten während dieser Zeit Selbstzweifel, verriet Kimmich im "FC Bayern Podcast": "Bei Carlo musste ich mich erst mal wieder hinten anstellen, und da hast du dann schon Tage, wo du nach Hause fährst und dich fragst: 'Reicht das überhaupt? Reicht deine Qualität, um bei Bayern München zu spielen?'"
Einem Spieler, der als Teenager erstmals im Ausland auftritt, dürfte es höchstwahrscheinlich ähnlich ergangen sein. Nach einer erfolglosen Leihe zu Swansea verkaufte der FC Bayern Sanches Sommer 2019 nach Lille. Inzwischen ist er bei Paris Saint-Germain – meist als Auswechselspieler – gelandet. Aktuell soll er bei der AS Rom im Gespräch sein.
Talent, aber die falsche Einstellung: Auch Michaël Cuisance schlägt beim FC Bayern nicht ein
Drei Jahre später probierte es der FC Bayern erneut mit einem vielversprechenden Mittelfeldtalent von Borussia Mönchengladbach: Michaël Cuisance. Anders als Kurt hatte der Franzose bereits Bundesligaeinsätze hinter sich – und durchaus seine Stärken.
Jedoch galt er als schlampiges Genie, das bisweilen zu unprofessionellem Verhalten neigte. Wenig überraschend reichte es bei Hansi Flick nur zu Kurzeinsätzen. Auch eine Leihe zu Olympique Marseille gestaltete sich erfolglos. Januar 2023 konnte ihn der FC Bayern an Venezia verkaufen.

Etwas erfolgreicher als Cuisance werden Mané und Sabitzer dann doch in Erinnerung bleiben. Auch weil die Qualität beider Spieler immer mal wieder aufblitzte – nur eben zu selten. Was jedoch all diese Schicksale zeigen, ist eines: Für einen Wechsel und eine Karriere beim FC Bayern muss einiges, wenn nicht alles, zusammenpassen. Auch für einige der Größten.