Es wurde gefeiert und gefeuert: Das total verrückte Chaos-Jahr des FC Bayern
München - Das letzte Silvesterfest verbrachte Julian Nagelsmann als Bayern-Trainer und war mit seiner Mannschaft - anders als aktuell sein Nachfolger Thomas Tuchel - noch in allen drei Wettbewerben vertreten. Erstens kommt es anders und zweitens. . .
Mit drei 1:1-Remis in Leipzig, gegen Köln und Frankfurt stolperten die Münchner ins Jahr 2023. Zwischendrin flog Serge Gnabry zur Fashion Week nach Paris, bekam das Label "Gucci Gnabry" und erhielt von Sportvorstand Hasan Salihamidzic einen öffentlichen Rüffel. Im Februar glückten in sechs Partien fünf Siege, darunter das 1:0 im Achtelfinale der Champions League bei Paris St.-Germain. Nach dem 2:3 in Gladbach und der frühen, umstrittenen Roten Karte für Dayot Upamecano lief Nagelsmann wütend durch die Katakomben und brüllte mit Stoßrichtung Schiedsrichter: "Weichgespültes Pack!"
Neun Punkte-Vorsprung verspielt: Thomas Tuchel folgt auf Julian Nagelsmann beim FC Bayern
Unsouverän, unnötig. Elf Tage nach dem Viertelfinal-Einzug in der Königsklasse (2:0 im Rückspiel gegen PSG) verspielte Bayern nach einem Vorsprung von neun Punkten durch das 1:2 bei Bayer Leverkusen die Tabellenführung an Dortmund. In den Tagen danach entscheiden Salihamidzic und Vorstandsboss Oliver Kahn, sich von Nagelsmann zu trennen. Dessen – so der Vorwurf – teils arrogantes Auftreten hatten sie intern schon länger bemängelt. Ehrenpräsident Uli Hoeneß und Präsident Herbert Hainer nickten die Entscheidung ab.
Am 23. März versuchten die Bosse, ihren Trainer zu erreichen – vergeblich. Der weilte mit Freundin Lena beim Skifahren im Zillertal, ein laut Nagelsmann genehmigter Kurzurlaub. Von seinem Beraterteam informiert, meldete sich Nagelsmann bei den Bossen, die ihn für den nächsten Morgen einbestellten: Entlassung. Tags darauf wurde Thomas Tuchel vorgestellt. Er erhielt Vertrag bis Juni 2025. Tuchel, 2021 Gewinner der Champions League mit Chelsea, war sechs Monate ohne Job – die Gelegenheit günstig.
Bayern feiert Last-Minute-Meisterschaft: Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn entlassen
Tuchel startete mit einem 4:2 gegen seinen Ex-Klub BVB, die Realität holte ihn rasch ein. Im April flog Bayern gegen Freiburg aus dem DFB-Pokal, dann folgte das deutliche Aus (0:3/1:1) in der Königsklasse gegen Manchester City, den späteren Titelträger mit Bayerns Ex-Trainer Pep Guardiola. Er habe sich "schockverliebt" in sein neues Team, so Tuchel in Manchester. Nach den 1:3-Pleiten in Mainz und gegen Leipzig steuerte man auf eine titellose Saison zu, die erste seit 2011/12. In den Tagen vor dem letzten Spieltag in Köln kam es dann zum ganz großen Knall.
Während Team und Trainerstab nach dem Last-Minute-Siegtreffer durch Jamal Musiala die total unverhoffte Meisterschaft feierten, die ihnen der BVB durch das 2:2-Versagen gegen Mainz schenkte, erfuhren die Akteure noch auf dem Rasen von den Entlassungen von Kahn und Salihamidzic. Während man sich mit dem Sportvorstand tags zuvor einigen konnte, musste der Vorstandsboss von seinen Aufgaben per Videositzung des Aufsichtsrates abberufen werden. Kahn wurde die Reise nach Köln verwehrt, erbost twitterte er: "Leider kann ich heute nicht bei euch sein, weil es mir vom Club untersagt wurde." Jan-Christian Dreesen, zuvor Kahns Stellvertreter, und schon verabschiedet, trat die Nachfolge an.

Christoph Freund neuer Sportdirektor beim FC Bayern, Max Eberl soll 2024 als Sportvorstand folgen
War es ein Fehler, Kahn im Juli 2021 überhaupt zum Vorstandsboss zu machen? Antwort Hoeneß: "Im Nachhinein muss man das so sagen." Der 71-Jährige war wieder mittendrin, sein Ex-Compagnon Karl-Heinz Rummenigge wurde in den Aufsichtsrat berufen. Gemeinsam halfen sie Hainer, Dreesen und Tuchel im Transfersommer, in dem sie mit Harry Kane das heißeste Torjäger-Eisen verpflichteten, sich beim Wunsch-Sechser João Palhinha vom FC Fulham die Finger verbrannten, weil der Transfer des Portugiesen, der schon an der Säbener Straße weilte, in letzter Sekunde scheiterte. Und sportlich?
Mit fünf Siegen erreichte man das Achtelfinale der Champions League, hechelt in der Liga jedoch Leverkusen hinterher, im Pokal scheiterte man blamabel an Drittligist 1. FC Saarbrücken.
Zum 1. September verpflichtete Bayern Christoph Freund als Sportdirektor, im Frühjahr soll Max Eberl als Sportvorstand installiert werden. Für eine bessere, weil ruhigere Zukunft? Kaum zu glauben.