Die Schafkopfrunde beim DFB
Der FC Bayern dominiert die Nationalmannschaft: Acht Münchner könnte Trainer Joachim Löw gegen Belgien spielen lassen. Schuld daran ist auch Jupp Heynckes – und sogar Louis van Gaal
Düsseldorf - Der Schilderung des Kronzeugen Thomas Müller zufolge begann die Vereinnahmung eines gewissen Manuel Neuer von Münchner Seite im vergangenen Winter. Wann immer sich die Nationalmannschaft in den langen, dunklen Monaten traf, bildeten der Ur-Bayer Müller, der gebürtige Münchner Philipp Lahm und der an der Säbener Straße ausgebildete Mats Hummels eine Schafkopfrunde, in die damals auch der Nationaltorwart gebeten wurde. „Wir haben ihn angelernt”, plauderte Müller nun bei der Pressekonferenz der Nationalmannschaft in einem Düsseldorfer Autohaus aus, „und oft gewinnen lassen, damit er zum FC Bayern kommt”. Ob der in Gelsenkirchen-Buer sozialisierte Ballfänger je als echter Bajuware durchgeht, sei einmal dahingestellt, zumindest hat sich der 25-Jährige jüngst zur Wiesn in eine Krachlederne gepresst.
Ein Sinnbild. Dass der FC Bayern als Branchenführer einmal das Gros der deutschen Auswahl stellt, wünschte sich Vordenker Uli Hoeneß bereits vor der WM 2006 – umgesetzt ist eine erschlagende Dominanz erst zu dieser Spielzeit. Im letzten EM-Qualifikationsspiel gegen Belgien in Düsseldorf (19 Uhr/live ZDF) könnten bis zu acht Bayern-Profis mitmachen. Vermutlich wird Bundestrainer Joachim Löw aber nicht das Risiko eingehen und die angeschlagenen Bastian Schweinsteiger (Bluterguss) und Jerome Boateng (muskuläre Probleme) einsetzen. Wäre ja blöd, es sich mit seinem wichtigsten Zulieferer zu verscherzen.
„Wir brauchen nicht unbedingt die Blockbildung”, sagt Löw, „aber wir profitieren gegenseitig voneinander.” Der 51-Jährige ist hocherfreut, dass die selbstbewussten Mia-san-mia-Bayern „eine dominante Spielweise” pflegen, „unter Louis van Gaal und Jupp Heynckes ist der Stil sehr offensiv geworden, das schnelle Positionsspiel ist mit unserem vergleichbar.” Zudem hat ihm Heynckes mit einigen Entscheidungen sehr geholfen; dass Lahm links und Holger Badstuber zentral verteidigen oder Toni Kroos vertraut wird, kommt auch der DFB-Elite zugute. „In vielen Details kennen wir Bayern-Spieler uns besser”, sagt Müller, „ich weiß genau, was Bastian Schweinsteiger macht.”
Die Protagonisten aus München erkennen in Heynckes und Löw längst Offensivliebhaber ähnlicher Ausrichtung. Mario Gomez hat festgestellt, „dass auch Heynckes will, dass wir bei Ballbesitz schnell umschalten; dass vorne die Post abgeht und mehr Tempowechsel reinkommen”. Was der Angreifer, den Löw explizit als „Tormaschine” belobigte, damit sagen wollte: So klar in der Spielausrichtung und so weit im Spielstil wie das Nationalteam ist die Vereinsmannschaft noch nicht. Die Annäherung, auch der Systeme, ist unverkennbar.
In Zeiten „flacher Hierarchien” findet Müller zwar die Begrifflichkeit der Bayern-Hausmacht nicht passend, sehr wohl „haben wir ein gewichtiges Wort, wenn Bayern den Kapitän und Vizekapitän stellt und sieben oder acht Spieler in der ersten Elf stehen”. Der Irrwisch vom rechten Flügel („Ich bin ein Mensch, der gerne Risiko eingeht, manchmal muss man einfach zocken”) ist auch Schuld daran, dass Gomez nicht der Schafkopfrunde angehört. „Der Müller spielt genauso unberechenbar Karten wie er Fußball spielt”, verriet der Stürmer mit einem Augenzwinkern, „da muss ich um Mitternacht nicht noch in der Players Lounge sitzen.” Und sich als Schwabe von einem Bayern das Geld aus der Tasche ziehen lassen.