AZ-Kolumne von Jean-Marie Pfaff: Manuel Neuer und der FC Bayern brauchen Geduld
München - Manuel Neuer wird in Mainz und Istanbul noch nicht im Bayern-Tor stehen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es jetzt in Manuel aussieht, der unbedingt wieder zurück auf den Platz und ins Tor will. Da macht sich sicherlich Enttäuschung breit, denn er konnte ja in den letzten Tagen ohne Probleme mit der Mannschaft trainieren, wie es Tuchel auch bestätigt hat.
Manuel wird brennen auf sein Comeback und kann den Zeitpunkt der Rückkehr sicher kaum erwarten. Ich kenne das aus meiner Zeit. Ich musste 1984 an der Leiste operiert werden und dann begann der lange Weg zurück. Reha, Aufbau-, Einzel-, Mannschaftstraining - die Wochen vergingen und ich dachte nur daran, schnellstmöglich ins Tor zurückzukehren.
Der FC Bayern braucht einen gesunden Manuel Neuer – und hat mit Sven Ulreich die perfekte Nummer 2
Es dauerte drei Monate. Für mich eine ganz schlimme Zeit, denn den Kollegen von der Tribüne aus zuzuschauen, war so gar nicht mein Ding. Aber ich habe aus dieser Zeit auch gelernt, dass es wichtig ist, in solchen Phasen Geduld zu bewahren. Niemandem ist damit geholfen, wenn man zu früh zurückkommt und sich dann erneut verletzt, weil man es mit dem Ehrgeiz übertrieben hat.
Dies kann ich auch Manuel nur raten. Lieber noch zwei Spiele pausieren und dann um so stärker zurückkehren. Auch wenn er die Entscheidung sicher nur schwer verdauen kann. Bayern braucht einen gesunden Manuel Neuer – nicht nur für zwei Spiele. In Mainz sollten die Bayern auch mit Sven Ulreich im Tor bestehen. Er hat seine Sache sehr gut gemacht, strahlte Ruhe aus. Mit ihm hat man die perfekte Nummer zwei im Kader.
In Mainz sind drei Punkte Pflicht. Leverkusen hat das nicht ganz so leichte Auswärtsspiel in Wolfsburg vor der Brust und auch der Zweitplatzierte VfB Stuttgart hat mit Union Berlin eine harte Nuss zu knacken. Bayern kann mit einem Sieg in Mainz Druck auf das Führungsduo in der Liga ausüben.
Julian Nagelsmann gibt der Nationalmannschaft etwas, das unter Hansi Flick verloren ging
An dieser Stelle noch ein Wort zum Debüt von Julian Nagelsmann als Bundestrainer. Die Reise in die USA hat gezeigt, dass man die deutsche Mannschaft nie abschreiben sollte. Gegen die USA zeigte das Team eine sehr gute Leistung, gewann hochverdient. Mit Mexiko hatte man einen sehr unangenehmen Gegner.
Auch wenn es in der Defensive nicht immer stimmte, hat man im Spiel nach vorne deutlich gesehen, zu was die Mannschaft fähig ist. Und man Moral bewiesen, sich gegen Mexiko durch den Rückstand nicht aus der Bahn werfen lassen. Das lief sehr viel besser als unter Hansi Flick. Bekommt Nagelsmann die Defensivprobleme in den Griff, wird Deutschland im eigenen Land eine erfolgreiche EM spielen.
Euer Jean-Marie
Der 69-Jährige ist einer der besten Torhüter der Geschichte. Er war belgischer Nationaltorwart (64 Einsätze) und stand beim FC Bayern zwischen 1982 und 1988 insgesamt 156 Mal zwischen den Pfosten. Pfaff war Vizeeuropameister 1980, WM-Vierter 1986, zudem drei Mal deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger. 1987 war er Welttorhüter. Für die AZ ist er nun als Kolumnist tätig.
