Spannende Botschaften für Berlin

Kann sich Schwarz-Gelb doch noch halten? Kopf-an-Kopf-Rennen in Niedersachsen
von  tan

Kann sich Schwarz-Gelb doch noch halten? Kopf-an-Kopf-Rennen in Niedersachsen

 

Bis aus China sind Kamerateams angereist: In Niedersachsen wird es so spannend wie lange nicht mehr bei einer Landtagswahl. Erstens, weil das Rennen nach allen Umfragen extrem knapp wird. Und zweitens, weil die Wahl als letzter großer Stimmungstest viele Signale setzen wird, wie es im wichtigsten Land der EU weitergehen kann. Die Ausgangslage ist ähnlich wie in Berlin: Schafft es Schwarz-Gelb trotz der Schwäche der FDP doch noch, sich im Amt zu halten?
Nach der letzten Umfrage ist das Rennen völlig offen: Das schwarz-gelbe und das rot-grüne Lager kommen jeweils auf exakt 46 Prozent. Im einzelnen hat die Union 41, die FDP fünf, die SPD 33 und die Grünen 13 Prozent. Die entscheidende Frage ist nun, ob die FDP es über die Hürde schafft. Wenn nicht, dürfte der Weg frei sein für Rot-Grün – und die Union muss als stärkste Partei in die Opposition. Wenn es die FDP doch schafft, könnten wenige hundert Stimmen den Ausschlag geben, sagen Wahlforscher: Entweder, es reicht gerade so für Schwarz-Gelb. Oder es reicht gerade so trotzdem noch für Rot-Grün. Oder aber es gibt eine große Koalition. Piraten und Linke sind laut Prognosen in Niedersachsen nicht in Sichtweite der Hürde.
Die Wahl wird in Berlin mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Auch, weil sich die Stimmung gedreht hat: Lange hatte das rot-grüne Lager in Niedersachsen deutlich vorne gelegen. Dann begann die SPD zu bröckeln und die FDP – wenn auch auf niedrigem Niveau – aufzuholen, womöglich auch dank einiger Unionswähler, die das Signal einer Abwahl von Schwarz-Gelb panisch gestimmt hat. Vom Ergebnis erhoffen sich alle Parteien Botschaften: Kann man auch gegen beliebte Amtsinhaber gewinnen? Welche Rolle spielen Leihstimmen? Kippt die Union bei allen Rekordwerten – bundesweit liegt sie jetzt schon bei 42 – mangels Partner hinten runter?

Neue Debatten um Steinbrück?


Welches Lager auch immer gewinnt, es bekommt einen wichtigen Schub fürs Wahljahr. Siegt die SPD, will sie die Parallelen zu 1998 ziehen, als Schröders Sieg in Niedersachsen den Machtwechsel in Berlin einläutete. Verliert sie, stehen quälende Debatten um den Kandidaten Steinbrück an: Nach dem missglückten Start ist es für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein entscheidender Moment, ob er das Ruder noch herumreißen kann. Gewinnt die SPD zusammen mit den Grünen, wären die Holperschritte der letzten Wochen wie die Gehaltsdebatte zumindest in den eigenen Reihen wohl erst einmal vergessen. Schafft es dagegen Schwarz-Gelb, an der Macht zu bleiben, wird auch die interne Debatte um Steinbrück gehörig Fahrt aufnehmen. Dann wird die Frage laut werden, ob Steinbrücks Auftritte vielleicht den lange sicher geglaubten Sieg in Niedersachsen verpatzt haben. Und ob er die SPD vielleicht runter- statt raufzieht. Aktuell schwören noch alle SPD-Spitzenpolitiker Treueschwüre, dass nicht daran gedacht wird, bei einer Niederlage in Niedersachsen den Kandidaten auszuwechseln. Auch Steinbrück selbst wird von sich aus kaum das Handtuch werfen. Doch es werden neue Entwicklungen nicht ausgeschlossen.

Und noch ein ganz konkrete Folge kann die Wahl von Niedersachsen haben: Gewinnt Rot-Grün, hätte das linke Oppositionslager erstmals seit Jahren wieder die Mehrheit im Bundesrat. Mit 36 von 69 Stimmen kann sie alles blockieren, was vom Bundestag kommt. Schwarz-Gelb verfügt dann nur noch über 15 Stimmen, der neutrale Block (große Koalitionen) über 18.

Und das sind die beiden Kandidaten für den Job des Regierungschefs: 

 


 

David McAllister (42): Im Juli 2010 übernahm der CDU-Mann das Amt des Ministerpräsidenten von Christian Wulff – jetzt muss der Sohn eines Schotten und einer Deutschen in seine erste Wahl. Er ist populär, kann gut reden und charmant auftreten; inhaltlich gilt er als geschmeidig ohne allzuscharfe Kanten. Der Schützenkönig von Bad Bederkesa hat einen engen Draht zu Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel, er ist tausendprozentig loyal und wird auch „Muttis Liebling“ genannt. Im Fall einer Niederlage wird sie sicher eine Anschlussverwendung in Berlin für die unbelastete schwarze Nachwuchshoffnung finden.

Stephan Weil (54): Der SPD-Herausforderer ist – noch – Oberbürgermeister von Hannover. Dort ist er durchaus beliebt, über die Stadtgrenzen hinaus kennt ihn allerdings kaum jemand. Weil ist definitiv keine Rampensau und will auch keine sein. Freunde beschreiben ihn als pragmatisch und bürgernah, Skeptiker als blass und spröde. Weil sagt dazu trocken: „Ich will keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern eine Wahl.“ Der berühmteste SPD-Mann Hannovers, Gerhard Schröder, hält trotz stilistischer Unterschiede große Stücke auf den Feingeist, der vor seiner Politiker-Karriere Richter war.

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