Sondervermögen und neue Schulden: Aiwanger sagt Nein zu Söders GroKo-Plänen
München - Die Chancen, das von Union und SPD geplante Milliarden-Paket noch über die Bühne zu bringen, sind gesunken. Die Freien Wähler (FW) im Bayerischen Landtag wollen der Lockerung der Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben sowie das 500-Millionen-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur nicht zustimmen.
"Die Schuldenbremse muss bleiben", sagt Aiwanger
"So wie das Papier vorliegt", sage man dazu "aus heutiger Sicht Nein", verkündete der bayerische Wirtschaftsminister und FW-Vorsitzende Hubert Aiwanger nach zweieinhalbstündigen Beratungen der FW-Landtagsfraktion in einer Sondersitzung am Mittwoch. Die Schuldenbremse müsse bleiben, "wenn wir sie lockern fällt der Reformdruck weg", sagte Aiwanger - und verwies zudem darauf, dass die Schuldenbremse im Koalitionsvertrag zwischen CSU und FW festgeschrieben sei. Nun wolle der Partner CSU in Berlin außer Kraft setzen, "was wir in Bayern vereinbart haben".
Freie Wähler: "Geld für Party - das lehnen wir ab"
Zudem sei man nicht bereit, 500 Milliarden für "Wünsch Dir was" auszugeben. Aiwanger: "Dass man hier in großem Stil Dinge, die eigentlich den Kernhaushalt angehen, über Sondervermögen abfrühstücken will, damit mehr Geld für Party übrigbleibt, das lehnen wir ab."
Das Nein der FW könnte dazu führen, dass sich Bayern im Bundesrat bei der Abstimmung über das Milliarden-Paket enthalten muss. Die entsprechende Lockerung der grundgesetzlich festgelegten Schuldenbremse würde in diesem Fall in der Länderkammer höchstwahrscheinlich die notwendige Zweidrittel-Mehrheit verfehlen. Die FW als Teil der bayerischen Landesregierung halten sich jedoch Hintertüren offen. Er glaube nicht, dass die Vorlage "eins zu eins" so zur Abstimmung gestellt werde wie die Pläne jetzt aussähen, sagte Aiwanger.

Zustimmung signalisierten Aiwanger und FW-Fraktionschef Florian Streibl dagegen zu einem Sondervermögen für die Bundeswehr. Um wieder wehrhaft sein zu können, müsse man diese Zeche wohl zahlen, sagte Streibl.
Wo die Freien Wähler Bedingungen stellen
Allerdings stellen die FW auch mit Blick auf ein Bundeswehr-Sondervermögen Bedingungen. Bislang sei vorgesehen, dass der Staat Schulden machen dürfe, wenn die Verteidigungsausgaben über ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hinausgingen, erläuterte der FW-Haushaltsexperte Bernhard Pohl. Allerdings war bisher vorgesehen, einen Verteidigungsetat in Höhe von zwei Prozent des BIP aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren.
Wenn Union und SPD nun auf ein Prozent zurückgehen wollten, sei dies ein "Taschenspielertrick", womit sich die künftigen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD Freiraum für andere Ausgaben schaffen wollten. "Das geht nicht", sagte Pohl.
Was sich die Freien Wähler durchaus vorstellen könnten: zwei Prozent vom BIP für die Verteidigung und dazu ein ordentliches Sondervermögen - Aiwanger sprach von 400 Milliarden Euro.
Zudem pochen die Feien Wähler auf Veränderungen beim Länderfinanzausgleich. Bernhard Pohl rechnete vor: Würde jedes Bundesland 0,5 Prozent seines Bruttoinlandproduktes in den gemeinsamen Topf einzahlen, "wären das für Bayern 3,5 bis vier Milliarden und nicht mehr zehn wie bisher".
Den Freien Wählern ist bewusst, dass ihr Nein zu den Finanzpaketen aus den Berliner Sondierungsverhandlungen das Verhältnis zur CSU in der "Bayern-Koalition" auf eine harte Probe stellt. Im bayerischen Koalitionsvertrag sei die Einhaltung der Schuldenbremse ausdrücklich festgeschrieben worden, betonte Aiwanger.
Fraktionschef Florian Streibl deutet allerdings Kompromissbereitschaft an
Falls die Verfassungsänderungen nicht schon vorher an der fehlenden Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag oder am Bundesverfassungsgericht scheitern sollten, werde man sich in München mit der CSU zusammensetzen, um "Wege zu finden", deutete Fraktionschef Streibl Kompromissbereitschaft an. Jetzt müsse man "abwarten, was am Schluss zur Abstimmung steht".

Warum Bayerns Stimmen im Bundesrat diesmal besonders wichtig sind
Die Bundesländer haben im Bundesrat je nach Einwohnerzahl drei, vier, fünf oder – wie Bayern – sechs Stimmen. Insgesamt sind es 69.
Bei einer Änderung des Grundgesetzes, die etwa für eine Lockerung der Schuldenbremse notwendig wäre, ist in der Länderkammer eine Zweidrittel-Mehrheit vorgeschrieben, die 46 Stimmen entspricht.
Ebenfalls wichtig: Im Bundesrat soll der Wille des Landes und nicht der des einzelnen Bundesratsmitglieds zum Ausdruck kommen. Deshalb ist bei Ländern, die von Koalitionen regiert werden, eine einheitliche Stimmabgabe vorgeschrieben. Sind sich Regierungspartner uneins wie aktuell im Freistaat CSU und Freie Wähler enthalten sie sich üblicherweise.
Zurück zum aktuellen Fall: Geht man davon aus, dass sich alle Länder enthalten, in denen die FDP (gegen Lockerung der Schuldenbremse), die Linke oder das BSW (beide gegen mehr Verteidigungsausgaben) beteiligt sind, können die verbliebenen Bundesländer lediglich auf 41 Stimmen. Für eine Zweidrittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes wären die sechs Stimmen aus Bayern also dringend notwendig.