Rüttgers streicht die Segel: Weg frei für SPD und Grüne

Nach wochenlangem Tauziehen hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers den Rückzug angetreten. Damit ist der Weg zur Macht für SPD-Chefin Kraft frei.
von  Abendzeitung
Jürgen Rüttgers
Jürgen Rüttgers © dpa

DÜSSELDORF - Nach wochenlangem Tauziehen hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers den Rückzug angetreten. Damit ist der Weg zur Macht für SPD-Chefin Kraft frei.

Jürgen Rüttgers (CDU) hat im Kampf um die Macht in Nordrhein-Westfalen die Segel gestrichen und den Weg für die SPD-Kontrahentin Hannelore Kraft freigemacht: Der geschäftsführende Regierungschef will sein Amt bei der Ministerpräsidentenwahl Mitte Juli im Landtag nicht gegen die SPD-Landesvorsitzende verteidigen. Auch Fraktionschef will er nicht werden. Die Basis von SPD und Grünen befürwortete am Samstag grundsätzlich eine gemeinsame Minderheitsregierung. Die Koalitionsverhandlungen sollen an diesem Dienstag starten.

Rüttgers behält sein Landtagsmandat und bleibt auch CDU- Landesvorsitzender. „Ich habe dem Landesvorstand gesagt, dass ich mich nicht vom Acker mache“, sagte der 58-Jährige nach einer Sitzung des Landesvorstands der NRW-CDU am Samstag in Düsseldorf. Rüttgers ließ offen, ob er auf dem CDU-Bundesparteitag im November in Karlsruhe erneut als stellvertretender Parteivorsitzender kandidiert.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete Rüttgers' Rückzug als konsequent. Sein Verzicht auf eine Kandidatur gegen Kraft verdiene Respekt, sagte Gabriel der „Welt am Sonntag“. Offenbar wolle Rüttgers sich die Demütigung ersparen, am Ende nicht alle Stimmen der CDU zu bekommen. Kraft sagte, sie sei gespannt, ob „die personellen Klärungsprozesse innerhalb der CDU“ auch mit inhaltlichen Klärungsprozessen verbunden seien.

Unterdessen beschlossen Parteitage von SPD und Grünen, an diesem Dienstag Koalitionsverhandlungen über eine rot-grüne Minderheitsregierung aufzunehmen. Das Votum der Parteirats der NRW- SPD in Dortmund dafür fiel einstimmig aus. Beim Landesparteitag der Grünen in Neuss stimmte bei drei Enthaltungen nur einer von 267 Delegierten gegen das politische Experiment.

Kanzlerin und CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel warf der NRW-SPD Wählertäuschung vor. „Wir erleben zum zweiten Mal nach Hessen, dass Versprechungen nach dem Tag der Landtagswahl keine Gültigkeit mehr haben“, sagte sie bei einem bundesweiten Treffen von CDU- Kreisvorsitzenden in Berlin. Kraft habe wiederholt erklärt, dass ein Land wie NRW nicht von einer Minderheitsregierung geführt werden dürfe. Kraft habe zudem angekündigt, dies werde es auch nicht geben. „Die politische Kultur in Deutschland darf nicht so verkommen, dass man sich nicht mehr verantwortlich für das fühlt, was man vor der Wahl versprochen hat“, sagte Merkel.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dem Hörfunksender Antenne Bayern: „Das ist ein tragisches Schauspiel, das da in Nordrhein-Westfalen gezeigt wurde.“ Es sei ein schlechtes Zeichen für Deutschland, wenn die SPD-Spitze aus Berlin die Anweisungen gebe, was in Düsseldorf passieren solle.

Zur absoluten Mehrheit im Landtag fehlt SPD und Grünen eine Stimme aus den Reihen der anderen drei Fraktionen – CDU, FDP und Linkspartei. Am 13. oder 14. Juli will das rot-grüne Lager Kraft zur ersten Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens wählen.

Die Grünen erhoffen sich vom Machtwechsel in NRW auch einen Politikwechsel im Bund. Mit der Landesregierung in NRW verlieren CDU und FDP die Mehrheit im Bundesrat. „Merkel und Westerwelle wollten dieses Land schwarz-gelb durchregieren“, sagte die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth. „Das ist nicht mehr möglich, und das ist das allerwichtigste Signal für die Bundesrepublik.“ Nordrhein- Westfalen habe gezeigt, dass es möglich sei, Schwarz-Gelb nach nur einer Legislaturperiode abzulösen. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sagte auf NDR-Info, man wolle im Düsseldorfer Landtag mit allen Fraktionen zusammenarbeiten, um zentrale energie- und sozialpolitische Ziele durchzusetzen.

Die CDU-Fraktion will am 6. Juli einen neuen Vorsitzenden wählen. Als Kandidaten werden Integrationsminister Armin Laschet, Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und der Generalsekretär der NRW- CDU, Andreas Krautscheid, gehandelt.

Nach der Niederlage von CDU und FDP bei der Landtagswahl ist Rüttgers als Ministerpräsident nur noch geschäftsführend im Amt. Als CDU-Landeschef ist er noch bis zum Frühjahr 2011 gewählt. Bei der Landtagswahl 2005 hatte Rüttgers mit einer schwarz-gelben Koalition die zuvor 39 Jahre regierende SPD abgelöst. Bei der Landtagswahl am 9. Mai hatte die CDU eine schwere Niederlage erlitten und rund zehn Prozentpunkte verloren.

Die Spitzen der Bundes- und NRW-Grünen warben beim Parteitag in Neuss vehement dafür, sich auf eine Minderheitsregierung einzulassen. Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann sagte: „Wer einen echten Politikwechsel im Land will, der muss auch bereit sein, dafür ein für Deutschland weitgehend unbekanntes Wagnis einzugehen.“ Sie forderte alle Fraktionen zur Zusammenarbeit auf.

dpa

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