Nach Berlin-Debakel: Schwarz-gelb hält zusammen

Die FDP setzt nach ihrem Absturz in Berlin weiter auf Skepsis bei der Griechenland-Hilfe. Trotzdem unterstreicht schwarz-gelb ihre Koalitionstreue. Und wie wird Wowereit koalieren?
von  dpa

Berlin – Union und FDP haben nach dem Absturz der Liberalen bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl ihren Willen zur Fortsetzung der Koalition im Bund bekräftigt. Führende FDP-Vertreter wollten sich am Montag zwar nicht vom auch in der CDU umstrittenen neuen Kurs in der Euro-Debatte abwenden. Zugleich betonten sie aber wie CDU-Spitzenpolitiker die Treue zu Schwarz-Gelb. SPD und Grüne versuchten, einen Spalt ins Regierungslager zu treiben. Sie erklärten sich bereit, eine Minderheitsregierung der Union in der Euro-Frage zu stützen. Anschließend müsse es aber Neuwahlen geben.

Die SPD hatte die Abgeordnetenhauswahl trotz Verlusten klar gewonnen und kann mit Grünen oder CDU eine Koalition bilden. Der zum dritten Mal erfolgreiche Regierungschef Klaus Wowereit will mit beiden Parteien Sondierungsgespräche führen. Das seit fast zehn Jahren regierende rot-rote Bündnis hat keine Mehrheit mehr. Die FDP flog zum fünften Mal in diesem Jahr aus einem Landesparlament. Die Piratenpartei zog dagegen erstmals in ein Landesparlament ein. Die Grünen holten ihr bisher bestes Ergebnis in Berlin, blieben aber hinter ihren Erwartungen zurück.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die SPD auf 28,3 Prozent (minus 2,5). Die CDU wird zweitstärkste Kraft mit 23,4 Prozent (plus 2,1). Dahinter liegen die Grünen mit 17,6 Prozent (plus 4,5), die Linke mit 11,7 (minus 1,7) und die FDP mit 1,8 (minus 5,8). Die Piratenpartei erreichte 8,9 Prozent. Dies ergibt folgende Sitzverteilung: SPD 48, CDU 39, Grüne 30, Linke 20, Piratenpartei 15. Die Wahlbeteiligung betrug 60,2 Prozent (2006: 58,0).

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte im ZDF: „Die Koalition bleibt zusammen, das habe ich mehrfach betont.“ Die von SPD und Grünen ins Gespräch gebrachte Minderheitsregierung sei „eine Kasperei“. „Darüber diskutiere ich nicht einmal.“ CDU-Vize Norbert Röttgen sieht die Koalition ungeachtet des FDP-Debakels weiterhin handlungsfähig. „Wir haben eine stabile Regierung, die eine satte Mehrheit im Bundestag hat, und von dieser Mehrheit werden wir jetzt Gebrauch machen.“ Das „enttäuschende, bittere Ergebnis“ der FDP schmälere nicht die gemeinsame Mehrheit und die Verantwortung, die „dramatische Situation“ der Euro-Schuldenkrise zu bewältigen.

„Man kann auch in der zweiten Halbzeit noch ein Spiel drehen.“

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte auf die Frage, ob die FDP einen Denkzettel für euroskeptische Töne bekommen habe: „Mit Sicherheit ja.“ Er erwarte, dass die FDP sich nun wieder europapolitisch neu justiere. Der Berliner Spitzenkandidat und CDU-Landeschef Frank Henkel sagte: „Das, was die Berliner FDP hier in den letzten Tagen gemacht hat, einen populistischen Wahlkampf zulasten Deutschlands und Europas, das gehört sich nicht.“

FDP-Generalsekretär Christian Lindner verteidigte im Deutschlandfunk die Äußerungen von Parteichef Philipp Rösler zu einer möglichen Insolvenz Griechenlands. Auch der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Daniel Bahr sagte, er sehe keinen Anlass zur Kursänderung in der Euro-Politik. Der Bundesgesundheitsminister unterstrich aber, die FDP sei sich ihrer Regierungsverantwortung bewusst. „Ich halte überhaupt nichts von irgendwelchen Planspielen, die Koalition scheitern zu lassen.“ Schwarz-Gelb habe noch zwei Jahre vor sich. „Man kann, das wissen wir aus dem Fußball, auch in der zweiten Halbzeit noch ein Spiel drehen.“

Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn kritisierte, es könne nicht sein, dass bei der Euro-Rettung Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Euro-Rettung ständig neue Zusagen zulasten der deutschen Steuerzahler mache. Von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werde die FDP Führung fordern. FDP-Bundesvize Holger Zastrow verlangte eine härtere Gangart seiner Partei in der Bundesregierung. Die FDP müsse „wieder mal Kante zeigen“ und in der Koalition mehr liberale Politik durchsetzen, sagte er im ZDF. „Wir müssen anfangen, uns zu wehren.“

Baden-Württemberg: FDP hackt nach Merkel

Baden-Württembergs FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke gab Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Mitschuld an den FDP-Wahlpleiten. „Es ist offensichtlich so, dass Frau Merkel wenig Interesse daran hat, diese Koalition zum Erfolg zu führen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte dem Fernsehsender N24, sie wolle zwar eine vorgezogene Wahl nicht herbeirufen. „Aber es ist zumindest eine Möglichkeit, die ich nicht ausschließen würde.“ Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im Deutschlandradio Kultur, wenn die Koalition in der Euro-Frage sichtbar scheitern sollte, werde es eine Neuwahl geben müssen.

Die Grünen-Bundesspitze kündigte Konsequenzen aus dem für die Partei enttäuschenden Abschneiden an. „Da haben wir deutlich nachzubessern“, sagte Parteichefin Claudia Roth vor einer Sitzung des Parteivorstands. Die Grünen müssten überlegen, wie sie in einem Wahlkampf wie in Berlin ihre Inhalte gegenüber der Konkurrenz deutlich machen könnten.

Die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch forderte ihre Partei zu mehr Geschlossenheit auf. Nach außen hin zerstrittene Parteien würden vom Wähler nicht unterstützt, sagte sie im Radiosender MDR Info. Bundestagsfraktionsvize Dietmar Bartsch sieht die Wahlverluste in Berlin als Ergebnis von Fehlern „auch auf der Bundesebene“. Personelle Konsequenzen seien einstweilen allerdings nicht gefordert, sagte er im Südwestrundfunk (SWR).

 

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