Horst Seehofer kündigt Rücktritt an - Finale Verhandlungen am Montag
München/Berlin - Dramatische Wendung im Asylstreit der Union: Als Konsequenz aus der eskalierten Auseinandersetzung mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer in einer Vorstandssitzung seiner Partei überraschend den Rücktritt von beiden Ämtern angekündigt.
Endgültig ist seine Entscheidung aber noch nicht. Nach Gesprächen in der engsten Parteiführung, die ihn zum Weitermachen bewegen wollte, sagte er, er werde seine politische Zukunft von einem Einlenken der CDU abhängig machen. Das bestätigten Teilnehmer am frühen Montagmorgen. An diesem Montag will die CSU demnach ein Spitzengespräch mit der CDU führen, danach will sich Seehofer entscheiden.
Stundenlange Beratungen bei CDU und CSU
Der zeitgleich tagende CDU-Vorstand stellte sich am Sonntag klar hinter Merkel. Auch nach stundenlangen Beratungen blieb ungewiss, was die erneute Zuspitzung der Lage für die Zukunft der Koalition bedeuten könnte. Die CDU-Führung vertagte sich schließlich auf den Montagmorgen.
Seehofer sagte nach fast achtstündigen Beratungen vor seinen Parteikollegen, es gebe drei Optionen: Entweder die CSU beuge sich dem Kurs Merkels in der Asylpolitik. Oder er ordne als Innenminister Zurückweisungen bestimmter Migranten an der deutschen Grenzen an - mit allen Gefahren für den Fortbestand der Koalition. Die dritte Option sei, dass er als Parteichef und Minister zurücktrete - und das habe er auch vor zu tun. Er werde am kommenden Mittwoch 69 Jahre alt, und habe viel erreicht. Seehofer ist erst seit rund 100 Tagen Minister in der neuen großen Koalition, seit 2008 ist er CSU-Chef.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt widersprach in der Sitzung umgehend. "Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht akzeptieren kann", sagte er und erhielt dafür nach Teilnehmerangaben lang anhaltenden Applaus. Die Sitzung wurde unterbrochen, die engste Parteispitze zog sich mit Seehofer zu Beratungen zurück. Der CSU-Vorstand hatte seit dem Nachmittag über den Asylstreit mit der CDU diskutiert. Dabei hatten Seehofer und seine Parteifreunde sich mehrheitlich gegen die Linie der Kanzlerin gewandt.
Darum geht der Streit in der Union
Kern des Unions-Streits sind Pläne Seehofers, in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber notfalls im Alleingang an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Merkel lehnt einseitige Aktionen ab und pocht auf ein europäisch abgestimmtes Vorgehen.
Beim Gipfel in Brüssel hatte sich die EU auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik verständigt. So sollen Bootsflüchtlinge in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden. Merkel erhielt nach eigenen Angaben zudem Zusagen mehrerer Länder, über schnellere Rückführungen von Migranten zu verhandeln. Außerdem wurden am Samstag überraschend weitgehende zusätzliche Asyl-Vorschläge Merkels bekannt.
Seehofer nannte die EU-Beschlüsse kein "wirkungsgleiches Surrogat" (keinen gleichwertigen Ersatz). Er widersprach damit direkt Merkel. Die Kanzlerin hatte bei der Aufzeichnung eines Sommerinterviews der ZDF-Sendung "Berlin direkt" zur Frage, ob die Forderungen der CSU erfüllt seien, gesagt: "In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden."
Einen davon lehnte Seehofer nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Teilnehmer in der CSU-Sitzung ebenfalls ab. Merkel hatte angeregt, anderswo in der EU registrierte Flüchtlinge in den geplanten "Ankerzentren" in Deutschland unterzubringen. Sie sollen dort ein beschleunigtes Verfahren durchlaufen und sich nicht entfernen. Die Abkürzung steht für: Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung (AnKER).
Wie weiter mit Horst Seehofer?
Bei der CDU kamen die Spitzengremien in Berlin zusammen, während die CSU-Sitzung noch lief. Merkel sprach nach Informationen aus Teilnehmerkreisen in der Sitzung von einer "sehr ernsten" Situation und unterstrich den Wert der Unions-Fraktionsgemeinschaft. Sie warnte vor einer Schwächung ihrer EU-Verhandlungsposition, wenn Deutschland einseitig nationale Maßnahmen verhängen würde.
Sie wolle, dass CDU und CSU gemeinsam weiter arbeiten können. Die Kanzlerin ging nicht auf die Frage ein, ob sie Seehofer notfalls als Minister entlassen würde - dies würde das Ende der Koalition bedeuten. Sie ließ auch offen, ob sie eine Vertrauensfrage im Bundestag stellen würde. Für diesen Montag ist eine Sitzung der Unionsfraktion geplant. In der neuen Woche soll der Etat 2018 vom Bundestag beschlossen werden.