Heftiger Schlagabtausch im Bundestag um Euro-Politik

Trotz ihrer Unterstützung für den Euro-Rettungskurs der Regierung hat die SPD die Europapolitik der Bundeskanzlerin als desaströs kritisiert.
dpa |
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Trotz ihrer Unterstützung für den Euro-Rettungskurs der Regierung hat die SPD die Europapolitik der Bundeskanzlerin als desaströs kritisiert.

Berlin - In einer von scharfen Angriffen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geprägten Rede fragte SPD-Chef Sigmar Gabriel im Bundestag:

"Warum haben Sie zugelassen, dass die gesamte europäische und internationale Politik und die Finanzmärkte über die deutsche Haltung irritiert und verunsichert worden ist?"

Gabriel sprach von "Merkel-Bonds", die schon wie Eurobonds wirkten, obwohl die schwarz-gelbe Koalition die Einführung von solchen gemeinsamen europäischen Staatsanleihen zu einheitlichen Zinssätzen ablehne. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle nannte Gabriel "Sirtaki-Siggi".

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb in dieser ersten Parlamentsberatung über den Gesetzentwurf zum erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF für dieses Instrument als Bollwerk zur Verteidigung der Währung. In der Koalition von Union und FDP gibt es erhebliche Kritik an der EFSF-Reform, die Ende September im Bundestag beschlossen werden soll. Bei der Einbringung des Gesetzes hatten zu Wochenbeginn 25 Abgeordnete von Union und FDP Merkel die Gefolgschaft verweigert. Um die Kanzlermehrheit zu erreichen, kann sie sich aber nur 19 Nein-Stimmen oder Enthaltungen leisten. Das deutsche Ja zum EFSF ist aber dank der Unterstützung der SPD nicht gefährdet.

Schäuble sagte, mit mehr Kompetenzen für den EFSF sollten Ansteckungsgefahren wie jetzt von Griechenland auf die gesamte Euro-Zone eingedämmt werden. Das Bundesverfassungsgericht habe mit seinem Urteil vom Mittwoch erneut bestätigt, dass die Maßnahmen zur Stabilisierung der europäischen Währung in vollem Umfang dem Grundgesetz entsprechen würden. Sorgen über mögliche Verstöße gegen die Verfassung seien unbegründet.

Schäuble machte aber deutlich, dass hoch verschuldeten Ländern mit den Hilfen nur Zeit verschafft werde, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. "Die Lösung der Strukturprobleme können wir ihnen nicht ersparen." In Athen sei die Lage ernst, sagte Schäuble. Die Sparmaßnahmen zum Abbau der Defizite seien eine schwere Belastung für die griechische Bevölkerung. So lange das Land aber Vorgaben nicht erfülle, werde es auch keine weiteren Gelder bekommen.

FDP-Fraktionschef Brüderle sieht Griechenland endgültig am Scheideweg. Europa dürfe sich nicht die Zukunft verbauen lassen, nur weil ein Land Verträge breche. Gabriel warf Schäuble und Merkel Populismus seit Beginn der Griechenland-Krise im Frühjahr 2010 vor. Mit "kurzsichtigen und dummen Parolen" hätten sie Partner und Märkte verunsichert. Sie hätten sich gegen Kredite für Griechenland, gegen den Rettungsschirm und gegen eine europäische Wirtschaftsregierung gestellt. Das sei nicht zu halten gewesen. "Sie haben den Stammtischen Zucker gegeben und deswegen müssen Sie jetzt um Ihre Mehrheit fürchten."

Gabriel kritisierte, dass die Regierung Eurobonds mit dem Argument ablehne, Staatsschulden würden so vergemeinschaftet und Deutschland sei der Zahlmeister. Es gebe schon seit dem ersten EZB-Ankauf von Staatsanleihen im Umfang von 120 Milliarden Euro eine gemeinsame Haftung für die Schulden - nämlich der Euro-Staaten, die an der EZB beteiligt sind. "Das sind die ersten Merkel-Bonds, die wir (...) bekommen haben." Die "zweite Tranche der Merkel-Bonds" komme nun mit dem EFSF, in dem Deutschland für 211 Milliarden Euro hafte.

Der EFSF sei aber richtig und Eurobonds wären es auch, sagte Gabriel. Aber auch dies alles werde zur Bewältigung der Schuldenkrise in Europa wohl nicht ausreichen. Zur Ankündigung der Regierung zu Steuersenkungen sagte Gabriel: Jetzt versprechen Sie schon wieder Steuergeschenke. Sie sind wirklich nicht mehr ganz bei Trost."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel vor, die EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen genötigt zu haben. Die Kanzlerin habe die "Unabhängigkeit der EZB auf schäbige Weise beschränkt". Der Linke-Vorsitzende Klaus Ernst kündigte das Nein seiner Fraktion zum EFSF an. "Gerettet werden nur Banken, Versicherungen und Hedgefonds." Die Vorlage zur Euro-Rettung sei ein "Fass ohne Boden". Notwendig sei eine Euro-Bank für öffentliche Anleihen. "Sonst laufen wir wie die Schoßhunde hinter den Finanzmärkten hinterher."

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