Interview

Berliner CSU-Chef nach Marathon-Sitzung: "Werden uns von schlechten Umfragen nicht abbringen lassen"

Acht Stunden Koalitionsausschuss, schlechte Umfragen, unbeliebter Kanzler: CSU-Politiker Alexander Hoffmann erklärt im Gespräch, warum die Union trotzdem an ihrem Kurs festhält.
von  Christian Grimm, Stefan Lange
Markus Söder (CSU), Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bärbel Bas (SPD) nach dem Koalitionsausschuss im Bundeskanzleramt.
Markus Söder (CSU), Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bärbel Bas (SPD) nach dem Koalitionsausschuss im Bundeskanzleramt. © Kay Nietfeld/dpa

Die schwarz-rote Koalition hatte einen holprigen Start. Doch nach acht Stunden nächtlicher Verhandlungen meldet die Union Erfolge: Bürgergeld-Reform, neue Infrastruktur, E-Auto-Förderung. Im Interview spricht CSU-Bundestagsabgeordneter Alexander Hoffmann über den "Geist von Würzburg", Umfragen und warum die Grünen kein Partner sein können.

AZ: Herr Hoffmann, der Koalitionsausschuss geriet in der Nacht zum Donnerstag zur schweren Geburt. Acht Stunden tagten die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt. Was sagt das über den Zustand der Koalition aus?
Alexander Hoffmann: Es zeigt: Diese Koalition entscheidet und bringt Deutschland voran. Wir waren in der Nacht zu Donnerstag so produktiv, dass wir auch Themen erfolgreich abgearbeitet haben, bei denen zuvor nicht klar war, ob wir schon zu einer Lösung kommen würden. Aber das haben wir geschafft. Der Systemwechsel zur Neuen Grundsicherung ist beschlossen, neue Autobahnen und Bahnstrecken werden gebaut, der Kauf von Elektroautos wird wieder bezuschusst. Dieser Koalitionsausschuss ist ein hervorragendes Aushängeschild für eine erfolgreiche Koalition, auf die vor einigen Wochen viele keinen Pfifferling gegeben hätten.

Schlechte Umfragen, unbeliebter Kanzler

Wie würden Sie die Stimmung in der Regierung beschreiben?
Die Stimmung war konstruktiv, ernst und fokussiert. Wir wussten um die Fragen in der Bevölkerung: Wie geht es mit dem Bürgergeld weiter? Werden neue Autobahnabschnitte gebaut? Gibt es Unterstützung für die Wirtschaft? Das hat genau die Ernsthaftigkeit erzeugt, die es brauchte.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann im Reichstagsgebäude.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann im Reichstagsgebäude. © Bernd Elmenthaler/IMAGO/ESDES.Pictures

Ein halbes Jahr nach dem Zusammentreten von Schwarz-Rot könnte ein wenig mehr Leichtigkeit angesagt ein, oder?
Wir hatten uns die Leichtigkeit ein Stückweit selbst genommen durch kommunikative Fehler beim Thema Stromsteuer und der Wahl der Verfassungsrichter. Statt über unsere Erfolge zu reden, haben wir nur darüber diskutiert, was wir noch nicht geschafft haben. Das hat sich durch unsere gemeinsame Klausur der Fraktionsspitzen in Würzburg im August spürbar verbessert. Der Geist von Würzburg ist keine Worthülse, er trägt bis heute und hat auch diesen Koalitionsausschuss mit zum Erfolg geführt. In dieser Woche hat der Bundestag mehr als 40 Gesetzentwürfe unserer Regierung beraten. 40! Ich kann mich nicht erinnern, dass es so ein starkes Arbeitsprogramm bei der Ampel je gegeben hätte.

Trotzdem sind die Wähler unzufrieden. Würde am Sonntag gewählt, hätten Union und SPD keine Mehrheit. Kanzler Merz ist unbeliebt, die AfD in den Umfragen stärkste Kraft. Wieso bekommen Sie das Momentum nicht auf die Straße?
Es war von Anfang an klar, dass nicht die eine Maßnahme reicht, um die Stimmung zu drehen. Wir haben aus unterschiedlichen Gründen eine tiefgreifende Verunsicherung in der Bevölkerung. Da spielt das Thema illegale Migration eine Rolle, da ist die Sorge um den Arbeitsplatz, um die Zunahme von schwerer Kriminalität. Und wenn man hinausschaut in die Welt, sieht es auch nicht gerade positiv aus. Wir dürfen aber keine Politik nach Umfragewerten machen. Wenn die Umfragewerte gut sind, können sie besoffen machen. Und wenn sie schlecht sind, können sie Angst machen. Wir werden uns davon nicht vom richtigen Weg abbringen lassen.

Streit um den Verbrenner

Offen ist, ob neue Benzin- und Dieselautos nach 2035 noch verkauft werden dürfen. Die Ministerpräsidenten aus Bayern und Niedersachsen – Markus Söder (CSU) und Olaf Lies (SPD) - haben ein Kompromisspapier vorgelegt. Da sollte doch bald eine Einigung gelingen?
Autobauer und Zulieferindustrie sagen uns, dass sie Technologieoffenheit brauchen. Man darf sie nicht einzwängen in das Korsett eines strengen Verbots 2035. Wir haben hervorragende Ingenieure. Sie wissen am besten, was die Märkte brauchen, und welche Produkte sie entwickeln müssen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald mit der SPD zu einem gemeinsamen Verständnis kommen, wie es im Papier der Ministerpräsidenten Söder und Lies angelegt ist. Der Großteil der Neuwagen wird elektrisch sein, aber Hybride und Reichweitenverstärker werden ebenfalls ihren Platz haben, genau wie synthetische Kraftstoffe.

Anderes Thema. Der Kreml testet das Nato-Bündnis bereits heute mit Drohnen. Kann Deutschland sich dagegen wehren?
Wir investieren nächstes Jahr 125 Milliarden Euro in die Bundeswehr. Für die Drohnenbewaffnung, die Drohnenentwicklung und die Drohnenabwehr steht damit Geld zur Verfügung. Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen. Und deshalb ist es unser erklärtes Ziel, zu einer hochtechnologischen Armee zu kommen.

Vier Milliarden Euro im Gesundheitswesen sparen

Der Bundeswehr soll zur Drohnenabwehr im Innern ermächtigt werden. Im Regelfall ist die Landespolizei für die Aufgabe zuständig. Das klingt nach Behörden-Pingpong mit Ansage?
Nein, der Föderalismus kann hier vielmehr seine Stärke ausspielen. Das zeigen Markus Söder im Land und Alexander Dobrindt im Bund mit ihren starken Entscheidungen zur Drohnenabwehr. Die Kompetenzen sind klar geregelt: Feindliche Drohnen von außen bekämpft die Bundeswehr, künftig wird sie das auch im Innern tun, wenn die Polizei um Amtshilfe bittet. Die Bundespolizei ist für den Luftraum über Flughäfen und Bahnhöfen zuständig, die 16 Landespolizeien für die Fläche. In den Einheiten vor Ort müssen jetzt Drohnenzüge aufgebaut werden, die das Erkennen und Abfangen übernehmen. Das ist eine riesige Aufgabe und wird auch nicht über Nacht gehen. Aber wir müssen überall damit anfangen.

CSU-Chef Markus Söder besucht das Drohnen-Start-up Quantum Systems in Gilching.
CSU-Chef Markus Söder besucht das Drohnen-Start-up Quantum Systems in Gilching. © Alexander Spöri

Sie haben mit dem Bürgergeld ein dickes Brett gebohrt, das nächste liegt schon auf dem Tisch: Gesundheitsministerin Nina Warken muss vier Milliarden Euro sparen. Wo sehen Sie da Potenzial?
Das Problem ist nicht, dass zu wenig Geld im System ist. Kaum ein Land wendet für seinen Gesundheitsbereich so viele Mittel auf wie Deutschland. Wenn man aber den Output betrachtet, dann sind wir eben nicht so viel besser als andere Länder, die weniger Mittel einsetzen. Wir müssen also schauen, wie wir mit jedem eingesetzten Euro die maximale Wirksamkeit erzielen. Gerade erleben wir eine Schieflage in der GKV und in der Pflegeversicherung. Und dem werden wir nur mit Strukturreformen begegnen können, steigende Beiträge sind keine Option. Schon deshalb, weil die Lohnnebenkosten nicht noch weiter steigen dürfen.

Söder und die Grünen

Es gab kürzlich Kritik von CSU-Granden wie Horst Seehofer an Markus Söder. Er sei zu hart im Umgang mit den Grünen. Die Junge Union wiederum zeigte sich unzufrieden mit der Mütterrente. Was sagt das über die CSU aus? Muss Markus Söder seinen Kurs anpassen?
Als Volkspartei ist uns die Mütterrente genauso wichtig wie die berechtigten Interessen der jungen Menschen, die wir ebenso vertreten. Wenn es mal Kritik aus unterschiedlichen Richtungen gibt, dann bildet das die Bandbreite einer lebendigen Volkspartei ab. Markus Söder ist ein starker Ministerpräsident, der gut ist für Bayern, gut für die Partei, gut für die politische Landschaft. Ihm gelingt es zudem in diesen schwierigen Zeiten, junge Menschen und andere Generationen für Politik zu interessieren. Das ist eine wahnsinnige Herausforderung, die er sehr erfolgreich meistert. Und wenn man sich die Herausforderungen unseres Landes anschaut, muss man feststellen, dass die Grünen kein Partner für uns sein können, solange sie in ihrer Ideologie verhaftet bleiben und den Mehrheitswillen der Bevölkerung weiter ignorieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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