Berlin starrt nach Bayern
Die Bundespolitik schaut mit so viel Spannung auf eine bayerische Landtagswahl wie selten zuvor. Unter der Käseglocke des Regierungsviertels wird bereits eifrig über eine bevorstehende "Zeitenwende in Bayern" geraunt. Welche Auswirkungen kann die Bayern-Wahl auf Berlin haben? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.
Das künftige Gewicht der CSU in Berlin. Sollte die CSU unter die magische 50-Prozent-Marke abrutschen oder gar ihre absolute Mehrheit verlieren, wäre ihr Nimbus als erfolgreichste Volkspartei dahin. Ihre bundespolitische Sonderrolle und der Anspruch als bajuwarischer Kraftprotz auf dem Berliner Parkett wäre ebenso perdu. Noch mehr als bereits derzeit könnte Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Schwesterpartei herabblicken und diese nur noch als hundsgewöhnlichen Landesverband der Union betrachten.
Die Wahlchancen der Union bei der Bundestagswahl. Die CDU weiß, dass sie die Wahl im September 2009 nur mit einer starken CSU-Ergebnis in Bayern gewinnen kann. Und sie weiß auch: Die CSU schneidet bei Bundestagswahlen stets schlechter ab als bei Landtagswahlen davor – 2005 kam die CSU immerhin auf 49 Prozent. Nur mit einer starken CSU hat die Union tatsächlich Chancen, dass es für eine Koalition mit der FDP im Bund reicht. Bei einer Klatsche für die CSU käme also auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unter Druck. Und es würden Fragen laut, warum sie die CSU bei der Pendlerpauschale eiskalt gegen die Wand hat laufen lassen?
Die Position der SPD. Sollten sich die Genossen aus ihrem 20-Prozent-Keller befreien und ein paar Punkte zulegen, dürfte das neue Berliner Spitzentandem Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier, das sich in Bayern sehr engagiert hat, diesen Achtungserfolg für sich reklamieren. Die SPD hätte endlich wieder Rückenwind im Bund.
Die Statik im Kabinett. Gibt es in der CSU einen Machtwechsel an der Spitze, dürfte dieser auch die Tektonik im Kabinett verändern: Würde Verbraucherschutzminister Horst Seehofer Erwin Huber an der Spitze der Partei ablösen, hätte die CSU mit dem Ingolstädter ihren führenden Mann plötzlich im Bundeskabinett.
Die Zukunft der großen Koalition. Der nächste schwarz-rote Koalitionsgipfel ist für den 5.Oktober anberaumt, dann will die Regierung eigentlich wieder zur Tagesordnung übergehen. Auf der Agenda stehen schwere Brocken: die Reform der Erbschaftsteuer und der Gesundheitsfonds. In der Unionsfraktion wird dem Vernehmen nach aber hinter den Kulissen bereits ein Plan B diskutiert: So könnten CDU und CSU nach einer verpatzten Bayern-Wahl sowie einer rot-rot-grünen Regierungsübernahme in Hessen die große Koalition platzen lassen, um sich aus den Zwängen der Regierung zu lösen. So könnte die Union die anstehenden Wahlkämpfe ganz unter das Motto „Wir kämpfen gegen eine linke Republik“ stellen.
Die Bundespräsidentenwahl. Die bayerischen Wähler entscheiden auch mit darüber, wie die Bundesversammlung zusammengesetzt ist, die am 23. Mai 2009 das neue Staatsoberhaupt wählt. Die derzeitige knapp schwarz-gelbe Mehrheit basiert auf dem 60-Prozent-Ergebnis der CSU bei der letzten Landtagswahl. Eventuell können die Verluste aber von Gewinnen der FDP und den Freien Wählern ausgeglichen werden. Nach Berechnungen der Experten von wahlrecht.de hat die SPD-Kandidatin Gesine Schwan nur eine Chance, wenn die Linke den Einzug in den bayerischen Landtag schafft.
jox