Streit um Forst Kasten: Die Emotionen kochen weiter hoch
München - Der Protest hat nichts gebracht: 9,5 Hektar Wald südwestlich von München werden zur Kiesgrube.
Nur zwei Stadträte - Tobias Ruff von der ÖDP und Thomas Lechner, der als Parteiloser in der Fraktion der Linken sitzt - stimmten dagegen. Beide werfen Grünen und SPD nun Mutlosigkeit vor. Denn diese stimmten für den Kiesabbau - nicht aus politischer Überzeugung, sondern weil sie sich gezwungen sahen, wie beide Fraktionen betonen.
Der Grund: Der Wald gehört der Heiliggeistspital-Stiftung, diese generiert mit dem Kiesabbau seit vielen Jahren Einnahmen. Verwaltet wird die Stiftung wiederum von Stadtrat und Oberbürgermeister.
So erklärt sich Oberbürgermeister Dieter Reiter
Als Treuhänder dürfen diese jedoch keine Entscheidungen treffen, die für die Stiftung ein finanzielles Risiko bedeuten könnten. Ansonsten machten sie sich haftbar - mit Summen im sechsstelligen Bereich.
So stellte es die Regierung von Oberbayern, die die Aufsicht über die Stiftung trägt, immer wieder klar - zuletzt in ihrer Antwort auf einen Brief der SPD und der Grünen, die die beiden Parteien abends um viertel vor zehn nur wenige Stunden vor der Abstimmung erhielten.
Die Stadträte, lässt sich in dem Schreiben nachlesen, handeln also nicht als politische Mandatsträger, sondern als Mitglieder des Stiftungsorgans.
Eine Kanzlei kommt zu einer anderen Auffassung
Dass dies tatsächlich so ist, kann Tobias Ruff von der ÖDP nicht glauben. Er hatte eine Kanzlei beauftragt, die zu einer anderen Auffassung kam. Umstimmen ließen sich seine Kollegen jedoch nicht.
Ebenso wenig wie von Stadtrat Thomas Lechner, der dazu aufrief, alle juristischen Mittel auszuschöpfen und notfalls sogar bis vors Verfassungsgericht zu ziehen. "Wir haben die historische Chance als Stadtrat voran zu ziehen", sagte er. Andernfalls verliere der Stadtrat, der vor zwei Jahren den Klimanotstand ausrief, seine Glaubwürdigkeit.
Die SPD hofft auf auf das Münchner Landratsamt
Anne Hübner, Fraktionsvorsitzende der Stadtrats-SPD, hofft nun auf das Münchner Landratsamt. Denn: Der Wald liegt jenseits der Stadtgrenze, deshalb müssen die Behörden im Landkreis der neuen Kiesgrube erst zustimmen.
Bis diese Prüfungen abgeschlossen sind, können mehrere Jahre vergehen, sagt Hübner. "Wenn die Zivilgesellschaft den Druck hochhält, geht vielleicht noch was."
Jahrelang werden die Aktivsten, die am Dienstag ein Camp in dem Wald zwischen Neuried, Krailling und Gauting aufschlugen, wohl nicht bleiben, sagt Ingo Blechschmidt, der den Wald gemeinsam mit etwa 20 anderen seit Dienstag besetzt.
Forst Kasten: Aktivisten drohen mit großer Waldbesetzung
Allerdings kündigte er an, wiederzukommen - und zwar auch mit Aktivisten aus anderen Ländern. "Das wird die größte Waldbesetzung, die Deutschland je gesehen hat."
Das wiederum könnte teuer werden. Die Räumung des Dannenröder Forsts in Hessen habe mindestens 150 Millionen Euro gekostet.
Auch der Bund Naturschutz will den Wald noch nicht aufgeben. "Wir sind mit unseren Anwälten im Gespräch und sobald sich eine Möglichkeit ergibt, werden wir klagen", sagte Geschäftsführer Christian Hierneis, der auch für die Grünen im Landtag sitzt.
Die FDP sieht die Rodung weniger dramatisch
Die einzige Partei, die den Kiesabbau in dem Wald weniger tragisch sieht, ist die FDP. Schließlich gehe es nur um einen Bruchteil der Flächen und nach dem Abbau solle ein deutlich wertvollerer Mischwald aufgeforstet werden, heißt es. Für S-Bahnen und Radwege brauche man außerdem Kies, für umweltfreundliche Häuser Holz.
Statt das Material mit Containerschiffen vom anderen Ende der Welt heranzuschaffen, könnte man es hier auf kurzem Weg haben, führte Fritz Roth aus. Statt sich gegen eine Rodung zu wehren, die man ohnehin nicht verhindern kann, solle die Stadt schon jetzt Wald an anderer Stelle aufbauen.
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