Grotesker Verhandlungstag im Fall Hanna: "Schäbig und unmoralisch"
Traunstein/Aschau - Das Landgericht Traunstein wäre mit der Beweisaufnahme im Mordprozess gegen den heute 22-jährigen Sebastian T. eigentlich schon durch. Er soll die 23-jährige Hanna überfallen und in den Bärbach gestoßen haben, wo sie ertrank. Es steht schlecht um den Angeklagten, denn eine ganze Reihe von Indizien sprechen dafür, dass er der Täter ist.
Verteidigerin Regina Rick stellt einen Beweisantrag nach dem anderen, um ihren Mandanten doch noch herauszuboxen. Im sogenannten Badewannen-Mordfall hat sie es so durch akribische Arbeit geschafft, Manfred Genditzki aus dem Gefängnis zu holen.
In Traunstein zeigt Rick ein anderes Bild. Sie verheddert sich oft thematisch, stellt Fakten anders dar, als sie Zeugen ausgesagt haben. Das Gericht fragt sie am Donnerstag nach einem Beweisantrag Nummer zehn. Rick muss kleinlaut einräumen, dass sie einen Zählfehler gemacht hat.
Prozess im Mordfall Hanna: "Schäbig und unmoralisch"
Zwei Beweisanträge weist das Gericht ab. Am Dienstag hatte Rick in einem publik gemacht, warum der Mann im Gefängnis sitzt. "Schäbig und unmoralisch" nennt Staatsanwalt Wolfgang Fiedler das Vorgehen der Verteidigerin, denn diese Gründe hätten nicht an die Öffentlichkeit dringen sollen. Zwar nimmt Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl seine Kollegin in Schutz, es gehe schließlich um einen sehr ernsten Vorwurf gegen T. Aber die beiden Pflichtverteidiger halten sich bei den Beweisanträgen eher im Hintergrund.
Rick will den Mithäftling, dem T. die Tat gestanden haben soll, als Lügner darstellen. Das Gericht sieht jedoch keinen Zusammenhang: Nur weil jemand in der Vergangenheit gelogen habe, heiße das nicht, dass jemand nie die Wahrheit sage, so Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler. Auch die Geodaten des Handys eines Zeugen will das Gericht nicht auswerten. Denn diese würden nur beweisen, wo ein Handy war, nicht aber zwangsläufig eine Person.
Der Prozesstag dauert keine Stunde. Ein unsinniger Donnerstag, ohne neue Erkenntnisse. Rick muss nun alle weiteren Beweisanträge bis zum tatsächlichen Unsinnigen Donnerstag in der kommenden Woche stellen. Trotz dieser Misserfolge hält die Familie von T. an Rick fest. Die Wahlverteidigerin kostet, so kann man mutmaßen, sicherlich auch eine Menge Geld.
Eltern des Angeklagten Sebastian T. verweigern zunächst Kooperation
Aber die Familie scheint mit einem Schuldspruch zu rechnen, wie am Dienstag zu sehen gewesen war. Rick möchte nachweisen, dass ihr Mandant zur Tatzeit ein Youtube-Video angesehen hat. Dazu sollen die drei Google-Konten ausgewertet werden, die auf dem Handy genutzt werden, darunter auch die von Mutter und Schwester. Als Aßbichler in der Verhandlung die Eltern von T. ansprach, ob sie der Auswertung zustimmen, verweigerten dies beide.
Es schien, als wären sie überrumpelt – dabei geht es doch um einen Beweisantrag, der ihren Sohn entlasten soll. "Also so wie das hier läuft", entfährt dem Vater des Angeklagten. Offenbar geht die Familie davon aus, dass das Gericht voreingenommen ist. Der Familie wird es daher auch nicht gefallen haben, dass am Mittwoch um sechs Uhr morgens eine Durchsuchung in ihrem Haus stattfand – abermals. Es soll dabei nach AZ-Informationen um das Youtube-Video gegangen sein.
Wie weiterleben nach der Tat?
Für die Familie steht viel auf dem Spiel – nicht nur die mögliche Haft ihres Sohnes. Wie sollen sie im Falle einer Verurteilung in der kleinen Gemeinde Aschau weiterleben? Hannas Eltern sind am Donnerstag nicht anwesend. Ihr Anwalt Walter Holderle sagt der AZ, dass Ricks Taktiken für die Eltern nur schwer erträglich seien.
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