Gemordet oder gespielt? Im Hanna-Prozess sollen Handydaten Aufschluss geben
Traunstein/Aschau - Eigentlich hätte der Mord-Prozess gegen den Angeklagten Sebastian T. (22) schon längst zu Ende sein sollen. Er soll laut Staatsanwaltschaft die 23-jährige Hanna in der Nacht auf den 3. Oktober 2022 in der Nähe des Clubs "Eiskeller" in Aschau überfallen und umgebracht haben – aus sexuellen Motiven. Die Medizinstudentin hatte das Nachtlokal besucht und sich alleine auf den Heimweg gemacht. Doch sie kam nie zu Hause bei ihren Eltern an: Ihre Leiche wurde am Nachmittag rund zehn Kilometer entfernt in der Prien angeschwemmt.
Doch weil der Angeklagte schweigt und immer neue Aspekte in dem Indizienprozess zutage treten, wird wohl noch lange am Landgericht Traunstein verhandelt. Ein Mithäftling hatte ausgesagt, dass T. ihm die Tat gestanden haben soll. Doch wie das mit Knastzeugen so ist: Die Verteidigung hält ihn nicht für glaubwürdig. Einen entsprechender Beweisantrag, Akten aus einem früheren Verfahren des Mannes unter dem Aspekt von dessen Glaubwürdigkeit zu sichten, lehnte das Gericht jedoch in Teilen ab.
Mordfall Hanna aus Aschau: Ein digitaler Forensiker soll Klarheit bringen
Der Fall geht inzwischen technisch stark in die Tiefe. Handys sammeln zwar jede Menge Daten, sogar geradezu erschreckend viele, werden sich wohl viele Zuhörer beim Prozess denken. Die Krux: Trotz aller Daten ist es äußerst schwierig, diese zu interpretieren. Klarheit soll ein digitaler Forensiker vom LKA bringen, der bereits zum zweiten Mal aussagt und zum Teil Experimente gemacht hat mit gleichen Smartphone-Modellen. Es geht um Fragen wie: Kann Hannas Handy einen Notruf selbstständig getätigt haben, etwas durch einen Sturz? Manche Handys können so etwas zwar, aber Hannas iphone XR nicht, erklärt der Experte.
Aber: Hanna hat in der Nacht um 2.31 Uhr die Nummer ihrer Eltern, die als Notrufkontakt gespeichert war, auf ihrem Handy gewählt. Kurz darauf fiel die Temperatur auf Hannas Handy stark ab, wie die Apple-Daten zeigen. Zwar hatte Hanna über 2 Promille Alkohol im Blut. Warum sollte sie jedoch den Notruf gewählt haben, wenn sie so betrunken war, dass sie deshalb in den Bärbach gefallen ist?
Hat Sebastian T. die Studentin Hanna getötet? Die Handydaten entlasten ihn nicht
Die Handydaten sprechen eher dafür, dass Hanna aufgrund einer Bedrohungslage die Notfallnummer gewählt hat. Für Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern, die als Nebenkläger auftreten, muss die "Unfall-Theorie damit endgültig ad acta gelegt werden". Seine Handydaten entlasten T. nicht. Besonders im Fokus steht das Smartphone des Angeklagten der Marke Oukitel. Der LKA-Beamte sagt aus, dass ihm sein Programm nur Wlan-Verbindungen nachweisen konnte, allerdings keine genauen Zeiträume. Nachweisen könne man aber in dem Zeitraum eine Vordergrund- und eine Hintergrundaktivität. Nach AZ-Informationen soll es um die App für das Spiel "Clash of Clans" gehen.
Ungewöhnlich auch: Bei seiner Aussage bei der Polizei im November 2022, damals noch als Zeuge, hatte er nichts davon gesagt, dass er zur Tatzeit "Clash of Clans" gespielt haben will. Er sei in jener Nacht joggen gewesen, weil er nicht schlafen habe können, sagte er aus. Aus diesem Grund hatte ihn auch seine Mutter bei der Polizei als Zeugen gemeldet. War es also so, dass der Angeklagte während des mutmaßlichen Tatzeitraums zwischen zwei und vier Uhr mit der App gespielt hat? "Es kann keine Aussage getroffen werden, ob sie wirklich aktiv genutzt wurde", sagt der Experte. Möglich sei, dass die App gestartet wurde, aber nur im Hintergrund lief.