Ismaik-Beben, Reisinger-Abgang, Doppel-Rauswurf: 100 Tage 1860-Wahnsinn im Zeitraffer
Innerhalb von knapp drei Monaten hat sich der TSV 1860 personell in großen Teilen komplett neu aufgestellt: Neuer Präsident, neuer Kader, neuer Trainer, aber keine neue sportliche Führung – und dann gab's da ja auch noch den Wirbel um Hasan Ismaik. Die AZ blickt zurück auf rund 100 Tage Wahnsinn, wie es ihn eigentlich nur in Giesing geben kann:
5. Juli: Giesing bebt nach Ismaik-Aus
Am Abend des 5. Juli schlagen die Seismografen an der Grünwalder Straße voll aus: Hasan Ismaik verkauft seine Anteile an eine Schweizer Familien-Holding und übergibt die KGaA schuldenfrei! Die Hammer-Nachricht gibt der Klub in einer offiziellen Pressemitteilung bekannt. Der neue Anteilseigner bekennt sich zudem zum Grünwalder Stadion, dem Breitensport und will auch den lange geplanten Bau einer Turnhalle vorantreiben.
In Giesing versammeln sich spontan zahlreiche Fans und feiern die bahnbrechende Neuigkeit mit einem Feuerwerk, im Vereinsheim Bamboleo werden Gratis-Rüscherl ausgeschenkt. Noch ahnt niemand, was in den nächsten Wochen alles passieren wird.
6. Juli: Reisinger lässt sich für Ismaik-Abgang feiern – Mang wird neuer 1860-Präsident
Nur einen Tag nach dem großen Ismaik-Paukenschlag findet im Zenith die Mitgliederversammlung statt. Es ist der letzte Tag der Amtszeit von Präsident Robert Reisinger, der den Staffelstab an Gernot Mang übergibt. Reisinger lässt sich für die Abwicklung des Verkaufs feiern und tönt in seiner Rede: "Alle Themen auf meiner Liste, welche HAM international und Hasan Ismaik betreffen, fallen weg – es hat keine Relevanz!"

Es sind große Worte mit kurzer Halbwertszeit. Nach der Mitgliederversammlung verschwindet Reisinger, der kurz zuvor noch klammheimlich den Vertrag von Geschäftsführer Christian Werner verlängert hat, öffentlich komplett von der Bildfläche.
18. Juli: Der Ismaik-Verkauf platzt spektakulär
Am 18. Juli folgt der nächste Paukenschlag: Um 15 Uhr meldet sich Ismaik bei der AZ und erklärt, dass der Verkauf seiner Anteile geplatzt ist. Nach exklusiven AZ-Recherchen handelte es sich beim potenziellen Käufer um Matthias Thoma, einen nebulösen Geschäftsmann mit Wohnsitz in der Schweiz.
Der Wahl-Züricher ist bei der deutschen Justiz kein Unbekannter und hatte unter anderem bei der Insolvenz des Modelabels "Paule Ka" seine Finger im Spiel. Weil im Rahmen der geplanten Übernahme große Zweifel an Thomas Seriosität aufkamen und er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, platzte der Deal. Die Verkaufsabsichten des Jordaniers bestehen noch immer – Anteilseigner bei 1860 ist er aber bis heute.
23. Juli: Top-Transfers sorgen für Aufstiegs-Euphorie beim Fanfest
Ernüchterung? Euphorie! Trotz aller Turbulenzen lassen sich die Fans die Vorfreude nicht nehmen, denn der TSV 1860 vollzieht einen großen Kader-Umbruch. Vollblut-Löwe Marco Hiller ist der prominenteste von insgesamt 16 Abgängen. Auf der Zugangsseite finden sich neben den beiden Leuchtturm-Transfers Kevin Volland und Florian Niederlechner auch zahlreiche weitere Top-Spieler.
Durch die Transfers verleiht Geschäftsführer Christian Werner der Mannschaft ein komplett neues Gesicht und sorgt bei den Fans für eine gewaltige Aufbruchstimmung, wie sich unter anderem beim Fanfest am 23. Juli zeigt. 5000 Anhänger kommen. Auch wenn es von den Verantwortlichen keiner ausspricht: Mit diesem Kader muss der Aufstieg das klare Ziel sein!

12. September: Ismaik holt Investoren-Kritiker Bergmaier in den Aufsichtsrat
Auch neben dem grünen Rasen geht der Umbruch bei 1860 weiter. Der Klub informiert darüber, dass Herbert Bergmaier zum neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats ernannt wurde. Bereits Ende Juli hatten die Ismaik-Vertrauten Saki Stimoniaris, Andrew Livingston und Yahya Ismaik ihre Posten räumen müssen.
Pikant: Bergmaier, Verleger des "Wochenanzeigers" und ehemaliger Vorstand der traditionsbewussten Fanorganisation "Pro1860", galt in den Jahren zuvor als einer der größten Kritiker Ismaiks – und wurde nun ausgerechnet von eben jenem in das Gremium entsandt. Drei Tage später grüßt Sechzig nach einem 3:2 in letzter Minute über Havelse von Rang zwei.
28. September: Doppel-Knall – Glöckner und Werner müssen gehen
Nach drei Niederlagen in Folge muss nicht nur Trainer Patrick Glöckner, sondern auch Geschäftsführer und Kader-Architekt Werner seinen Hut nehmen. NLZ-Boss Manfred Paula übernimmt vorübergehend Werners Aufgaben, U21-Trainer Alper Kayabunar betreut vorerst die Profis.

Infolgedessen kündigt Präsident Mang eine komplette Neuorganisation an: Anstatt eines Sport-Geschäftsführers sollen ein Sportdirektor und ein technischer Direktor für die Verzahnung mit dem NLZ kommen, zudem will man einen Geschäftsführer mit klarem Fokus auf die Finanzen verpflichten. Was folgt, ist eine Hängepartie. Kayabunars Aushilfe bei den Profis wird mehr als eineinhalb Wochen andauern.
9. Oktober: 1860 präsentiert Kauczinski als neuen Trainer
Um 21.16 Uhr bestätigt Sechzig Markus Kauczinski als neuen Trainer. "Ich freue mich sehr, dass wir nach intensiver Abstimmung mit beiden Gesellschaftern einen neuen Cheftrainer präsentieren können, der von allen Beteiligten als die beste Personalie für den TSV 1860 München anerkannt wird", sagt Interimsboss Paula, der bis auf Weiteres die Geschicke an der Grünwalder Straße leiten wird.
Am Montag wird er sein erstes Training leiten – genau 100 Tage nach Mangs Amtsantritt und 101 Tage nach den Gratis-Rüscherln ob des vermeintlichen Ismaik-Abschieds.