Der Absturz des TSV 1860: Wer hat's verbockt?

1860 in der Krise: Die AZ analysiert, wer welche Schuld an der Misere hat – von der Mannschaft über Trainer Friedhelm Funkel bis zu den Bossen um Präsident Gerhard Mayrhofer
München - Am Tag danach war erst mal Wunden lecken angesagt. 45 Minuten lang gingen alle Feldspieler der Löwen am Montag in den Isarauen laufen, mehr als doppelt so lange wie sonst. „Es war ein Frustlauf”, erklärte Trainer Friedhelm Funkel, der den Spielern auch den bisher obligatorischen freien Dienstag strich.
Anlass für Frust gibt es genug. Nur noch einen Punkt ist 1860 nach dem 1:3 gegen Dresden vom Relegationsplatz entfernt. Anlass zur Hoffnung auf Besserung haben die Löwen zuletzt nicht gegeben. Mut- und kopflos und völlig verunsichert noch dazu, so präsentieren sich die Sechzger in diesem Herbst. Doch wer trägt Schuld an der Misere? Die AZ-Analyse:
Die Mannschaft: Die Spieler wollen ja, mangelnder Einsatz ist nicht das Problem. Auch gegen Dresden rannten die Löwen wieder mehr als 120 Kilometer – überdurchschnittlich. Das Problem: „Laufen allein ist kein Qualitätsmerkmal. Man muss auch richtig laufen. Wir müssen auch so viel rennen, weil wir so viele Fehlpässe spielen und dem Ball dann wieder hinterher jagen müssen“, sagt Funkel. Viel schlimmer noch: Die, wie Funkel sie nennt, „unverzeihlichen, individuellen Fehler“, die immer wieder zu den Gegentoren führen. Am Sonntag patzte Innenverteidiger Kai Bülow vor dem frühen 0:1. Vor dem 1:2 hatte dann Mittelfeld-Motor Dominik Stahl, eigentlich sehr zuverlässig, einen Total-Aussetzer. „Es sind ja nie die gleichen Spieler, die die Fehler machen“, sagt Funkel. Das macht es schwerer, die Fehler auszumerzen. Benny Lauth hat nun zudem seit mittlerweile 855 Minuten nicht mehr getroffen, wurde am Sonntag nach einer Halbzeit und elf Ballkontakten ausgewechselt. Im Mittelfeld gelingt es Yannick Stark nicht konstant genug, das Spiel aufzubauen, Daniel Adlung und Moritz Stoppelkamp auf den Flügeln dribbeln sich oft fest. Normalform (und ein bisschen darüber hinaus) erreicht seit Wochen eigentlich nur Torwart Gabor Kiraly. Unerklärlich auch, wieso die Mannschaft vor allem gegen vermeintlich schwächere Gegner regelmäßig versagt. Eine Frage der Einstellung. Die Spieler tragen sicher die Hauptlast an der Misere.
Friedhelm Funkel: Sechs Punkte aus sieben Spielen, kein Sieg in den letzten fünf Partien: Funkels bisherige Bilanz ist die eines Absteigers. Zwar muss man dem Rheinländer zu Gute halten, dass – trotz des „total desolaten” (Funkel) Auftritts gegen Kaiserslautern und des unrühmlichen 1:3 gegen Dresden ein kleiner Fortschritt in der Spielanlage zu erkennen ist – die Löwen spielen dominanter als noch unter Ex-Trainer Alexander Schmidt (gegen Dresden hatten sie 70 Prozent Ballbesitz) – und etwas geordneter. Doch sie fabrizieren weiterhin viel zu viele Fehlpässe, spielen zu überhastet und nutzen die Chancen nicht. Wenn man es gut meint mit Funkel, ist sein bisheriges Schaffen glücklos. Auf jeden Fall: ziemlich erfolglos.
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Florian Hinterberger und Alexander Schmidt: Der Sportdirektor und Ex-Trainer stellten die Mannschaft zusammen. Als Aufstiegsmannschaft, wohlgemerkt. Restlos überzeugen konnte keiner der Neuzugänge. Zudem fällt auf, dass die Spieler zu zahm sind und Führungsspieler fehlen. „Es gibt eine Hierarchie in der Mannschaft, aber eine sehr ruhige”, sagte Funkel. Und weiter: „Ein Kopf der Mannschaft kristallisiert sich in dieser zusammengestellten Mannschaft nicht klar heraus.”
Die Bosse: Präsident Gerhard Mayrhofer war, genau wie seine drei Präsidiums-Kollegen, bis August noch Fan. Der Übergang vom Fan zum Funktionär scheint ihnen bis heute schwer zu fallen. Ausgewiesene Fußball-Experten sind sie, genauso wenig wie Investor Hasan Ismaik und dessen Statthalter Noor Basha (obwohl dieser eine Zeitlang als Scout gearbeitet haben will), alle nicht. Vor allem Mayrhofer reagiert zudem etwas allergisch auf Kritik und Widerworte auch aus den eigenen Reihen. Nach der frühen Beurlaubung Schmidts diskutierten die Bosse über drei Trainer: Funkel, Kosta Runjaic, der Kaiserslautern mittlerweile wieder nach oben führte und Heiko Vogel, mittlerweile U 19-Coach der Bayern. Verhandelt wurde aber nur mit Funkel. Für Verunsicherung sorgt auch die noch immer ungeklärte finanzielle Zukunft des TSV 1860.
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