Schweinsteigers Erbe: Wer wird neuer DFB-Kapitän?
Düsseldorf - Harte Zeiten für Bastian Schweinsteiger. Daheim in Manchester muss er den Charmebolzen José Mourinho ertragen, sich zudem von Uniteds Ex-Spieler Gordon McQueen vorwerfen lassen, er sei nur wegen des Geldes gekommen und bleibe auch nur deswegen. Dann kommt er in die Heimat zum letzten Spiel im DFB-Trikot – und keiner geht hin. Am Montag waren für das Mittwochs-Testspiel der Nationalmannschaft gegen Finnland (20.45/ZDF), Schweinsteigers Abschied im DFB-Trikot, gerade mal 18.000 der 43.000 Tickets in Mönchengladbach verkauft.
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"Es ist ein bisschen schade für Bastian, wenn das Stadion nicht ausverkauft sein sollte", sagte Bundestrainer Joachim Löw, äußerte aber auch Verständnis: "Es ist ein bisschen unglücklich: Es gab die EM, Olympia, die Bundesliga hat wieder begonnen. Außerdem ist der Anstoß recht spät, und die Schule hat wieder begonnen. Aber ich hoffe, dass noch einige Zuschauer kommen werden." Ihm liegt der Abschied seines Kapitäns sehr am Herzen, war dieser doch jahrelang ein vertrauensvoller Ansprechpartner. Als Schweinsteiger ihn über seinen Rücktritt informierte, habe er ihm wie auch Lukas Podolski "direkt ein Abschiedsspiel zugesagt", sagte Löw.
Löw: Rücktritt kommt zum richtigen Zeitpunkt
Es wird das erste Mal in Löws zehnjähriger Amtszeit sein, dass ein Spieler auf dem Platz verabschiedet wird. "Grundsätzlich hat der DFB entschieden, dass es keine speziellen Abschiedsspiele mehr gibt", erklärte Löw, "ich habe aber die Möglichkeit, jemanden in einem Testspiel nochmal dazuzunehmen. Und es ist für mich kein Problem, Basti und Lukas auflaufen zu lassen und nach 60 oder 70 Minuten auszuwechseln." Michael Ballack, Miroslav Klose und Philipp Lahm wurde diese Ehre nicht zuteil. "Klose und Lahm wollten nicht", erklärte Löw. Zu Ballack sagte er nichts.
Löw ließ neben Lob an Schweinsteiger aber durchblicken, dass es für den 32-Jährigen wie auch für Podolski künftig schwer geworden wäre. "Für beide ist es ein sehr guter Zeitpunkt gewesen. Beide haben die Nationalmannschaft geprägt und mit dem WM-Titel das Maximum erreicht. Es war von beiden der richtige Entschluss, sich auf die Vereinsmannschaft zu konzentrieren. Für mich war das absolut in Ordnung."
Offen bleibt derweil noch die Frage, wer Schweinsteiger als Kapitän nachfolgt. Klarer Favorit: Manuel Neuer, der schon bei der EM die Binde trug. Weitere Kandidaten: der Fußballer des Jahres und Angela-Merkel-Interviewpartner Jérôme Boateng, der bei Juventus gerade zum Torschützen vom Dienst mutierte Sami Khedira und der trotz zwischenzeitlicher Torflaute chronisch gut gelaunte Gaudibursche Thomas Müller. Löw will seine Entscheidung am Donnerstag verkünden, getroffen habe er sie schon längst: "Das Thema ist für mich nicht so dominant. Einem werde ich die Binde geben."
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Wichtiger sei für ihn "der gut funktionierende Spielerkreis im Mannschaftsrat: Denen kann ich viel Verantwortung übertragen, die sind weit im Mitdenken und Mitleben", so Löw, "mir ist es wichtig, dass ich mehrere Ansprechpartner habe." Dem Mannschaftsrat gehören noch Neuer, Khedira, Müller und Mats Hummels an. Den Platz, den Schweinsteiger im Führungszirkel frei macht, wird laut Löw Toni Kroos übernehmen: "Er hat sich menschlich und von der Persönlichkeit her sehr gut entwickelt."
Doch wer außer Kroos, dem Champions-League-Sieger von Real Madrid, steigt auf der zentralen Position des Spielfelds in der Hierarchie nun nach oben? Zunächst einmal Sami Khedira, der den gereiften "elder statesman" geben wird. Ilkay Gündogan wird – falls er tatsächlich mal länger als vier Wochen am Stück gesund bleibt – auf der Sechser-Position sicher eine Rolle spielen, und auch Jungspund Joshua Kimmich und der extrem ehrgeizige Liverpooler Emre Can werden bestimmt nicht als Rechtsverteidiger in die DFB-Historie eingehen wollen. Auch der Ex-Löwe Julian Weigl ist auf Sicht ein Kandidat für Schweinsteigers Position.
Am Mittwochabend wird aber nochmal das Original auflaufen, als Kapitän, im 121. Länderspiel. Sollte es Elfmeter für Deutschland geben, wird ihn vielleicht Bastian Schweinsteiger schießen. Das ein oder andere Tränchen wird sich kaum vermeiden lassen. Verdammt harte Zeiten.