Supercup: Der Pott, die Rache, das Prestige
Prag - So ein Abschlusstraining haben die Bayern noch nie erlebt. Während sie im Prager „Eden Stádion“ trainierten, wurde die Vorrunden-Gruppe der Königsklasse ausgelost, auf der Rückfahrt im Bus zum Mannschaftshotel kam die Nachricht: Franck Ribéry ist Europas Fußballer des Jahres!
Weswegen er FC Bayern eigentlich in Prag sind: Um etwas Historisches zu bejubeln, etwas nie Dagewesenes.
Den Supercup, die europäische Ausgabe, will man durch einen Sieg gegen den FC Chelsea heute (20.45 Uhr, ZDF und Sky live) mit nach München bringen, eine Trophäe, die im Vergleich zum Champions-League-Pott ins Handgepäck passt. Der Stellenwert des Duells mit dem Europa-League-Sieger ist überschaubar. Wären da nicht drei Motive.
Der Pott: Weltweit gibt es keinen anderen offiziellen Titel, der den Bayern fehlt. Nur dieser Supercup, diese schmale Vase. Also wollen die Sonst-Alles-Gewinner zuschlagen in der tschechischen Hauptstadt. Im vierten Anlauf soll der Titel endlich her – auch wenn es Kosten verursacht. Sämtliche Briefköpfe und Schriftstücke müssen ergänzt werden. Egal, sagt Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge: „Der Supercup ist uns wichtig, der fehlt uns noch auf dem Briefbogen – und wir hätten ihn da gerne drauf. Wir haben den Supercup dreimal gespielt.“ Pleiten gab es in den 70er Jahren und 2001. Rummenigge: „Höchste Zeit, diese Statistik mal etwas aufzupolieren.“
Die Rache: Es könnte kein reizvolleres Aufeinandertreffen geben. Denn das Duell mit Chelsea ist das erste Wiedersehen mit den „Finale-dahoam“-Spielverderbern von 2012. „Wir haben da noch eine kleine Rechnung offen, die wollen wir begleichen“, sagt Torhüter Manuel Neuer. Innerhalb der Mannschaft arbeitet es seit jenem Abend von München im Mai letzten Jahres, da kommt Chelsea nun gerade recht. Rache ist ein süßes Motiv. „Sie haben uns damals das Finale versaut“, sagt Thomas Müller. Nochmal will man die Blues aus London nicht feiern sehen. Präsident Uli Hoeneß in der vergangenen Saison mit großem Abstand gewonnen. Wir waren wirklich die beste Mannschaft in Europa, deshalb hege ich keine Revanchegelüste.“ Wer die Bilder vom in sich zusammensackenden Hoeneß von 2012 vor Augen hat, darf kontern: gut geflunkert.
Das Prestige: Chelsea-Coach José Mourinho ist der Erzfeind von Pep Guardiola, einst lieferten sich die Alphatiere in der Primera Division (bei den Duellen von Real Madrid gegen Peps Barca) wahre Hahnenkämpfe inklusive gegenseitiger Ignoranz und dezenter Beleidigungen. Allein den Namen des anderen in den Mund zu nehmen, war ein Unding. Der Ort der ersten Gegenüberstellung der beiden seit Frühjahr 2012 ist also nun Prag. Und was passiert? Beide betonten den Respekt, den sie voreinander hätten, lobten sich gar. Alles nur Show? Schmusekurs oder Ruhe vor dem Sturm? Hoeneß verriet: „Ich glaube schon, dass es ums Prestige geht. Vor allem weil Mourinho einmal mehr unqualifizierte Kommentare abgegeben hat. Unser Trainer ist richtig heiß auf das Duell." Na also!