Josip Stanisics Leihe bringt den FC Bayern früh in die Zwickmühle
München – Mangelnde Kreativität kann man Thomas Tuchel bei der Wahl der Startelf des 4:0 in Münster nicht vorwerfen. Ein Mittelfeld aus Joshua Kimmich und Jamal Musiala.
Eric Maxim Choupo-Moting auf der Zehn und hinten in der Mitte verteidigte Leon Goretzka an der Seite von Noussair Mazraoui. "Nous neben mir hat gesagt, dass er schon einmal in seiner Karriere dort gespielt hat", scherzte Goretzka nach der Partie im ZDF. "Von daher konnten wir heute von seiner Erfahrung profitieren."
Nur ein gelernter Innenverteidiger: In Münster tritt für den FC Bayern der Worst Case ein
Genau diese Kreativität forderte der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen forsch von seinem Coach, als Tuchel sich beschwerte, der Kader sei mit sechs gelernten Defensivspielern für eine Viererkette "auf Kante genäht". In Münster trat aus Bayern-Sicht genau das Worst Case-Szenario ein, vor dem Tuchel so vehement gewarnt hatte.
Sowohl Matthijs de Ligt (Schlag aufs Knie) als auch Kim-Min jae (Schlag auf den Oberschenkel) und Dayot Upamecano (Adduktorenprobleme) fielen aus. Da auch Youngster Tarek Buchmann verletzt ist, stand mit Luca Denk nur ein gelernter Innenverteidiger im Kader. Dieser trainierte unter der Woche erstmals mit den Profis.
Nicht zuletzt deshalb pochte Tuchel in der abgelaufenen Transferperiode auf einen Ersatz für Benjamin Pavard. Am "Deadline Day" platzten jedoch die Deals für Chelseas Trevoh Chalobah und Nationalspieler Armel Bella-Kotchap in letzter Sekunde. Erst dadurch ergab sich die ungünstige Lage für den Rekordmeister.
Unglückliche Verkettung: Am Ende gehen Pavard und Stanisic
Dadurch – und durch die Leihe von Josip Stanisic. "Um sich auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln", wurde das Eigengewächs bis Saisonende an Bayer Leverkusen verliehen, erklärte Dreesen. Dafür würde der 23-Jährige "kontinuierliche Einsätze" brauchen. Die Entscheidung fiel letztendlich im Transferausschuss, in dem neben Tuchel und Dreesen auch Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Entscheidungen fällten . Pavard gehörte zu Tuchels Lieblingsspielern und hatte als Rechtsverteidiger lange Zeit die Nase vor Noussair Mazraoui.
Um Tuchel diesen Wunsch zu erfüllen und ihn zu halten, entschied man sich Stanisic abzugeben: "Es hing immer davon ab: Bleibt Benji, geht Benji? Dann waren irgendwann die Zeichen da, dass Benji bleibt und von Bayern kam dann auch das Go, dass ich gehen darf", erklärte Stanisic selbst. Allein, anstatt zu bleiben, wollte Benji auch weg – und Benji durfte gehen. Derweil war Stanisic schon verliehen.

Josip Stanisics Leihe entwickelt sich zum Minusgeschäft für alle Seiten
Bei der Mannschaft von Xabi Alonso kommt der kroatische Nationalspieler bislang allerdings lediglich auf einen Startelf- und zwei Kurzeinsätze. Die Leverkusener Dreierkette, mit den Innenverteidigern Odilon Kossounou, Jonathan Tah und Edmond Tapsoba steht sicher. Auch Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong sind als Schienenspieler gesetzt. Bislang entwickelt sich die Leihe für alle Seiten zum Minusgeschäft. Dabei bewarb sich Stanisic bereits in den vergangenen Monaten beim FC Bayern für höhere Aufgaben.
Im Champions-League-Achtelfinale kam Kylian Mbappé kaum an ihm vorbei. Vor allem aber in der Sommervorbereitung und beim Asien-Trainingslager wusste Stanisic zu überzeugen. Gegen Kawasaki Frontale übernahm er in einem Team mit vielen Jugendspielern direkt eine Führungsrolle und erzwang den Siegtreffer. Beim wilden 4:3 über Liverpool brachte der kroatische Nationalspieler den Rekordmeister mit dem Tor zum 3:3 zurück ins Spiel.
Muss der FC Bayern gegen den neuen Angstgegner erneut mit improvisierter Defensive ran?
Stanisic ist genauso groß wie Pavard (1,86 Meter), spielt dieselben Positionen (rechter Innenverteidiger/Rechtsverteidiger) und ist genau im gleichen Alter wie Pavard, als dieser 2019 zum FC Bayern kam. Darüber hinaus beschwert er sich nie über mangelnde Einsatzzeit und lieferte verlässlich, wann immer er gebraucht wurde.
Eigentlich ein Spieler, wie ihn sich jeder Trainer wünscht. Thomas Tuchel muss bis kommenden Sommer jedoch ohne ihn auskommen. Die Konstellation vom Dienstag mag vielleicht für Drittliga-Aufsteiger Münster reichen. Am Wochenende steht jedoch der Trip nach Leipzig an.

Für den FC Bayern unter Tuchel erwies sich RB bislang als größter Angstgegner. Nach der Führung durch Serge Gnabry am 33. Spieltag setzte es in zwei Partien sechs Gegentore und zwei (krachende) Heimniederlagen. Gegen jene Mannschaft muss man schlimmstenfalls erneut mit improvisierter Defensive antreten. Nach AZ-Informationen fällt Matthijs de Ligt sicher aus. Bei Upamecano und Kim gibt es zumindest Hoffnung.
Allerdings muss Tuchel auch hier auf die Belastungssteuerung achten und darf einerseits keine größeren Verletzungen riskieren. Andererseits aber auch keine Punktverluste oder die dritte Niederlage am Stück gegen RB. Eine Zwickmühle, in die sich der FC Bayern selbst gebracht hat.