FC Bayern: Philosophen und Sekundenschläfer

Nach dem schnellsten Gegentor der Geschichte dreht Bayern das Spiel in Hoffenheim. "Ein Sieg der Philosophie", sagt Keeper Neuer danach zur AZ und lacht. "Ob das für eine Überschrift bei Euch reicht?"
von  Patrick Strasser
In allerletzter Sekunde: Die Bayern bejubeln mit Torschütze Robert Lewandowksi (links am Boden) den 2:1-Sieg.
In allerletzter Sekunde: Die Bayern bejubeln mit Torschütze Robert Lewandowksi (links am Boden) den 2:1-Sieg. © dpa

Nach dem schnellsten Gegentor der Geschichte dreht Bayern das Spiel in Hoffenheim. "Ein Sieg der Philosophie", sagt Keeper Neuer danach zur AZ und lacht. "Ob das für eine Überschrift bei Euch reicht?" - Klar!

Sinsheim - So schnell haut diese Bayern nichts um. Rekord-Gegentor, Rückstand, Gelb-Rote-Karte, Unterzahl, Elfmeter gegen sich. Am Ende bejubeln sie das 2:1 bei der TSG Hoffenheim durch den Last-Minute-Treffer des eingewechselten Robert Lewandowski.

Da spielen die Münchner nun seit 50 Jahren in der Bundesliga und haben im Grunde schon alles, wirklich alles erlebt – außer einem Abstieg. Könnte man meinen. Eigener Anstoß, fünf Ballkontakte in den eigenen Reihen, ein schlampiger Pass und schon erzielt der Gegner mit der ersten Ballberührung das 0:1. Neun Sekunden! Das ging schneller als 100-m-Weltmeister Usain Bolt an diesem Sonntag in Peking durchs Ziel sprintete. „So als wenn du mit einer 0:1-Hypothek ins Spiel gehst“, meinte Thomas Müller.

Die Bayern haben mehrere Theorien für ihren schnellsten Patzer aller Zeiten, den der Ex-Löwe Kevin Volland zum 1:0 für Hoffenheim nutzte. „Es lag an der Konzentration“, sagte Kapitän Philipp Lahm nach dem 2:1-Erfolg und fügte hinzu: „Der Gegner hat es auch gut gemacht.“ Kunststück – war ja eine Einladung. „Wir haben den Anfang verschlafen. Es war ein Missverständnis von Boateng und Alaba. Jérôme wollten den Ball in den Fuß gespielt bekommen, David hat ihn ihm in den Lauf gespielt, damit er mehr Zeit hat“, sagte Manuel Neuer, der – völlig geschockt von dem, was da passierte – auch noch ausrutschte. Die Erklärung des Welttorhüters: „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass der Ball weiter in meine Richtung rollt und dann machst du den ersten Schritt und reagierst eben.“ Wäre er schneller an Volland dran gewesen, hätte er womöglich eine Rote Karte wegen Notbremse riskiert.

Weil man 2:1 gewonnen hatte, sah man das frühe Malheur relativ locker, siehe Neuer: „So ein frühes Gegentor ist mir dennoch lieber als eins in der letzten Minute. So hatten wir ja noch genügend Zeit, das Spiel zu drehen.“ Volland übrigens konnte damit laut DFL den Rekord des schnellsten Liga-Tores aller Zeiten einstellen. In der Vorsaison hatte Leverkusens Karim Bellarabi ebenfalls neun Sekunden für sein Tor in Dortmund gebraucht.

Matthias Sammer hatte seine ganz eigene Theorie zum Sekundenschlaf. „Es war alles nett, es war schön, das Hotel und das Wetter waren gut – man entwickelt ja ein Gefühl für die Situation. Das bestätigt einem immerhin, dass man noch nicht ganz verblödet ist.“

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Die Antennen, eine von Sammers Lieblingsmetaphern, sind also an. Auch nach der Gelb-Rote-Karte für Jérôme Boateng und der daraus resultierenden Unterzahl. Neuer hatte Glück beim Elfmeter von Eugen Polanski an den Innenpfosten (74.), der ihm dann an den „Beckenkamm“ (Neuer) sprang. Die Bayern blieben dran. Einmal gierig, immer gierig. „Wir haben uns dann nicht aus der Ruhe bringen lassen“, analysierte der Keeper, „wir waren die bessere und dominantere Mannschaft, hatten auch in Unterzahl die besseren Torchancen. Wenn wir hier mit einem Unentschieden abgereist wären, wäre das ein Witz gewesen.“

So war es. Man drückte und erdrückte die Hoffenheimer am Ende. „Die letzten Minuten waren ein bisschen verrückt“, meinte Trainer Pep Guardiola. „Wir sind am Ende drangeblieben und haben uns einfach belohnt“, meinte Müller, der mit dem Ausgleich (41.) nun schon auf drei Saisontreffer kommt. „Glückwunsch an die Fans, die das angeschaut haben.“ Nach dem 5:0 gegen den HSV war es die nächste Warnung für die Liga. „Die Gegner registrieren sicherlich auch, dass wir am Ende mit zehn Mann noch gewonnen haben“, meinte Lahm.

Zwei Spiele gespielt und die Bayern zeigten zwei Gesichter: Show gegen den HSV, Kampfgeist gegen Hoffenheim. „Es ist maximal ein Anfang“, verkündete Sammer, „wir sind im Marathon bei Kilometer drei. Da gibt’s noch keine Medaille.“ Was für ein Sieg war es denn nun? Einer der Mentalität, meinte Sammer. „Ein Sieg der Philosophie“, sagte Neuer zur AZ und lachte. „Ob das für eine Überschrift bei Euch reicht? Da müsst Ihr mal schauen.“ Klar: Sekundenschläfer & Philosophen. Passt.

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