Die Bayern feiern: "Los, Tiger! Pack ihn Dir!"
Nach dem Gewinn der Klub-WM rockt der FC Bayern München seinen letzten Titel des Jahres. Hermann Gerland derbleckt Boss Karl-Heinz Rummenigge, Pep Guardiola singt, Thomas Müller tanzt mit Bauchtänzerinnen, Matthias Sammer verweigert sich – und die AZ feiert mit.
Marrakesch - Die Sache war schnell klar. Der Tisch mit den Feierweltmeistern war der mit der DFB-Latino-Clique. Der mit dem Kapitän, dem Pokalestemmer Philipp Lahm, mit Thomas Müller, Toni Kroos, Manuel Neuer sowie den Südamerikanern Dante, Rafinha und Claudio Pizarro.
So richtig ausgelastet, so richtig groggy waren die Jungs weit nach Mitternacht immer noch nicht, im Mannschaftshotel des FC Bayern, im "Four Seasons". Vier Jahreszeiten, fünf Trophäen, Party bis sechs Uhr, ein nie dagewesenes Jahr des FC Bayern, zum Abschluss die Krönung, der Titel des Klubweltmeisters.
Darauf einen Brandy, die Flasche trug Kroos von Tisch zu Tisch, Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge stieß mit allen darauf an. Darauf einen Schampus, den Dante trank. Müller genehmigte sich Bier ("Fünf Halbe sind auch ein Schnitzel!"). Es wurde angestoßen mit Rotwein, Weißwein, egal. Nein, nicht egal.
Wer Hermann Gerland, dem Co-Trainer, etwas anderes als Whiskey-Cola anbot zur Zigarre, der bekam eine Abfuhr. "Nee, nee, nur Whiskey-Cola, dat trink ich immer, wenn's was zu feiern gibt", sagte der ewige Assistent aller Bayern-Cheftrainer, Liebling der Profis. Seine Zigarre im Mund trug er im Trainingsanzug ebenso stolz wie die Goldmedaille um den Hals spazieren.
"Man muss die Feste feiern, wie sie fallen", gab er als Motto aus und tänzelte, ja tigerte, von Tisch zu Tisch. Immer angefeuert von seinen Jungs. Als Karl-Heinz Rummenigge des Weges kam, rief dieser den Umstehenden zu: "Der Tiger aus Bochum hat 178 Jahre gebraucht, um Weltmeister zu werden!" Gerland schaute, zuckte mit den Achseln und meinte triumphierend: "Der Kalle ist 1982 und 1986 nur Vizeweltmeister geworden, ich bin Weltmeister."
Derweil wurden die Tänze hier und da immer ausgelassener. Zu "Let's twist again" zeigte Müller 60er Jahre-Qualitäten, zu "La Cucaracha" flippte die Latino-Gang aus, Lahm zeigte einen Moonwalk, Dante wedelte mit einer Serviette, Neuer schmiss mit Champagnerkorken. Es waren Männer, die gegen Gastgeber Raja Casablanca die erste Klub-WM der Vereinsgeschichte gewonnen hatten, nun feierten sie wie Kinder.
Etwa um 0.45 Uhr hatte die Party begonnen. Moderator Stefan Lehmann, Stadionsprecher des FC Bayern, rief die Mannschaft sowie Trainer Pep Guardiola und die Bosse auf die Bühne zu den aufgebauten fünf Pokalen. Um besser sehen zu können, stellte sich Peps Frau Cristina, an ihrer Seite die gemeinsamen Kinder, auf den Stuhl. Sie fotografierte und jubelte ihrem Mann zu, der warf Kusshände.
Später, nach dem offiziellen Teil, setzte sich Pep zu seiner Familie, auch Bruder Pere, zugleich Berater, war da – an deren Tisch wurde wenigstens nicht so gequalmt mit den dicken Zigarren wie am Vorstandstisch mit Ehrengast Wolfgang Niersbach, dem DFB-Präsidenten, sowie Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer und Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber.
Seitlich der Pott-Showbühne sorgten Trommler und Percussionisten für Rhythmus, richtig feurig wurde es, als marokkanische Bauchtänzerinnen die Tische der Profis umlagerten. Die Spieler klatschten begeistert mit, doch als die Damen am Stimmungstisch die Kicker zum Tanz aufforderten, wurden sie scheu und schüchtern wie damals als sie als Teenager oder Vereinsneuankömmlinge zum ersten Mal mit den Profis trainieren durften.
"Hey, komm, Junge, auf geht's!", brüllten sie sich gegenseitig an. Rafinha war das ausgesuchte Opfer, er verweigerte. Bis Gerland so böse wurde wie im ganzen Jahr nicht und den Brasilianer beinahe am Kragen aus dem Stuhl in die Senkrechte zog. "Los, Tiger, pack’ ihn Dir", schrie Müller losgelöst.
Eine Tänzerin schaute rüber und forderte Brüller Müller zum Tanz auf - und der Mann aus Pähl machte mit – unter dem Gejohle der Kollegen. Am nächsten Tisch hatten die Damen Sammer im Visier, doch der Sportvorstand täuschte ein Telefonat vor, die Spieler lachten sich kaputt. Und rockten los.
Um 2.20 Uhr verließ Guardiolas Frau Cristina den Party-Saal, verabschiedete sich bei Uli Hoeneß, der sich lange mit Lahm unterhalten hatte, mit Küsschen rechts, Küsschen links. Pep blieb, kümmerte sich um seinen Sohn, ab und zu sang er in sich versunken einen der aus den Boxen dröhnenden Songs mit.
Es war nicht die ausgelassene, damals erlösende Feier wie nach dem Champions-League-Triumph im Mai in London, aber doch eine veritable Hinrundenabschluss- und Weihnachtsfeier in einem. Und eben die Feier der nun besten Mannschaft der Welt.