Bayerns Sturm: Kompany steht vor einem Luxusproblem
Ist Lennart Karl ein Kandidat für die WM? Im Alter von 17 Jahren und mit gerade einmal zehn Profieinsätzen? Bayern-Trainer Vincent Kompany musste lachen, als er vor dem Bundesliga-Spiel bei Borussia Mönchengladbach am Samstag (15.30 Uhr/Sky live) mit dieser Frage konfrontiert wurde. Und der Belgier bewies Humor. "Es ist immer schön, wenn man kein Spiel in der Quali absolviert und dann mit in den Flieger darf", sagte Kompany. "Das wäre super für ihn."

Und super für Deutschland? Diese Debatte nimmt seit Karls Glanzleistung inklusive Traumtor beim 4:0 in der Champions League gegen Brügge Fahrt auf, sie wird wohl so schnell nicht wieder einzufangen sein. "Wenn seine Entwicklung so weitergeht, bin ich überzeugt: Karl kann nicht nur ein Kandidat für Bundestrainer Julian Nagelsmann für die WM 2026 sein - er muss ein Kandidat sein", schrieb etwa Ex-Bayern-Kapitän Stefan Effenberg in seiner Kolumne bei "t-online.de". Karl sei "potenziell ein Unterschiedsspieler", so Effenberg, "einer, der eine Partie auch mit wenig Einsatzzeit maßgeblich beeinflussen kann - und davon haben wir in Deutschland aktuell nicht sehr viele."
Kompany bremst bei Karl
Zweifellos. Doch tut man dem Youngster, der von Michael Ballack beraten und im Februar volljährig wird, mit solch hohen Erwartungen einen Gefallen? Kompany war am Freitag bemüht, Karl jeglichen Druck zu nehmen. Ja, räumte Kompany mit Blick auf eine mögliche WM-Teilnahme ein, "wenn man bei Bayern gut spielt, kann immer ein Bonus dazukommen." Aber darum gehe es für Karl aktuell nicht. "Mein Fokus als Bayern-Trainer ist, dass Lenny erst mal ein Bayern-Erfolg wird", sagte der Coach: "Am meisten hat Lenny das unter Kontrolle. Er muss es jetzt machen wie jeder erfolgreiche Spieler in seiner Jugend: Einfach weiter arbeiten. Sein Fokus muss auf dem Training liegen, auf seinen Minuten. Er muss zeigen, dass er Spaß hat, dass er Qualitäten hat."

Wie in den vergangenen Wochen. Dank Karl hat Kompany plötzlich viel mehr Optionen in der Offensive, eine ganz neue Breite im Kader. Gegen Brügge agierte der Teenager auf der Zehnerposition hinter Harry Kane, hier ist Karl am wirkungsvollsten. Ihn zeichnet vor allem seine Torgefahr aus, sein Instinkt, in Strafraumnähe freie Räume zu finden und dann zum Abschluss zu kommen. Zu bewundern bei seinem herrlichen Distanzschuss zum 1:0. Da hat Effenberg recht: Diese Gabe haben im DFB-Team vielleicht noch Florian Wirtz und Jamal Musiala, an guten Tagen Serge Gnabry.
Luxusproblem im Angriff
Jene zwei Offensivstars, Musiala und Gnabry, gehören ebenfalls zum Luxus-Angriff der Münchner, in dem es spätestens zum Jahresende Härtefälle geben wird. Mit Kane, Nicolas Jackson, Michael Olise, Luis Díaz, Musiala, Gnabry, Karl und dem 17-jährigen Wisdom Mike hat Kompany acht Optionen für vier Positionen. Auch Raphael Guerreiro und Alphonso Davies könnten im offensiven Mittelfeld spielen. Ein dünner Kader? Vorne gilt das nicht. Und es zeigt sich immer mehr, dass es im Sommer die richtige Entscheidung war, Leroy Sané (Galatasaray) und Kingsley Coman (Al-Nassr) ziehen zu lassen. Das Duo wird nicht vermisst.

Während Gnabry nach Adduktorenproblemen schon in Gladbach im Aufgebot zurückerwartet wird, braucht Musiala (Sprunggelenksluxation und Fraktur des Wadenbeins) noch Zeit. "Wir sehen Jamal fast täglich", verriet Kompany. "Die Körpersprache zeigt, wie sehr er sich auf den nächsten Schritt freut, dass er wieder auf den Platz darf. Aber es geht um Geduld." Daher werde er bei Musiala "alles dafür tun, dass er noch wichtig sein in dieser Saison", ergänzte der Coach, "und dass er auch ganz stark in die WM geht." Da wird sich Bundestrainer Julian Nagelsmann freuen.
Wann genau Musiala wieder spielen kann? "Der Plan war Januar", sagte Kompany, "aber schauen wir mal. Das sind diese langwierigen Verletzungen. Es kann ein bisschen schneller gehen, aber es kann auch ein bisschen länger dauern."
In Musialas Abwesenheit wird Karl weitere Chancen bekommen - und sicher auch danach. Beim FC Bayern sowie irgendwann in der Nationalmannschaft.

