Bayern in Lille - Et voila: Druck

Nach dem Rekordstart in der Liga stehen die Bayern in der Champions League gegen Lille nun unter Zugzwang: „Keine Frage, wir müssen gewinnen“, sagt Trainer Heynckes
Lille - Diese Statistik hatte Trainer Jupp Heynckes – sonst erhaben über jedes Detail und Zahlenspiel – nicht im Kopf. Ein Reporter erwähnte am Montagmittag nach der Ankunft im Mannschaftshotel „Barrière“ in Lille, dass der FC Bayern vier der letzten fünf Auswärtsspiele in der Champions League verloren habe, also in Borissow, Basel und bei Manchester City – das Halbfinale bei Real Madrid mit eingerechnet. Mit dem 1:2 erreichte man das Elferschießen und das Finale dahoam.
Der Rest ist Geschichte – und Tragödie. Die Bayern nehmen dieses Jahr einen neuen Endspiel-Anlauf. Und was in der Bundesliga bisher reibungslos und rekordmäßig mit acht Siegen in acht Partien läuft, klappte in Europa nicht. Das 1:3 vor drei Wochen in Weißrussland bedeutet, dass man am Dienstagabend bei OSC Lille im „Grand Stade Lille Métropole“ (20.45 Uhr, Sky live) gewinnen sollte – beinahe schon ein Muss. Bei einer Pleite droht der letzte Platz in Gruppe F. Undenkbar. Der Plan war: In der eher leichteren Gruppe (dritter Gegner Valencia) Rang eins zu belegen, um im Achtelfinal-Rückspiel im Frühjahr 2013 Heimrecht zu genießen. „Keine Frage, wir müssen gewinnen“, sagte Heynckes. Er weiß: „Wir sind gefordert hier nach einem Sieg und einer Niederlage bisher. Entsprechend werden wir auftreten. Wir müssen eine überdurchschnittliche Leistung bringen, um zu gewinnen.“ Um sich auf die Franzosen perfekt vorzubereiten, hatte der 67-Jährige sogar die Einladung von Präsident Uli Hoeneß zur Kirchweihgans am Tegernsee ausgeschlagen.
Das Videostudium von OSC Lille ging vor. Heynckes hofft: „Jeder unserer Spieler weiß, worauf es ankommt.“ Und er weiß: Eine Pleite darf man sich nicht erlauben. Schnell wäre der Liga-Rekord mit acht Siegen ein Randaspekt. In der Liga könnte man sich dank des üppigen Vorsprungs auf Frankfurt (5 Punkte), Schalke (7) und Dortmund (12) eine Niederlage erlauben – nicht in der Champions League. „Wir haben das letzte Spiel verloren, daher stehen wir schon unter Zugzwang“, sagte Kapitän Philipp Lahm. Thomas Müller sprach im Spaß gar von „unmenschlichem Druck“. Auch wenn es seine Art ist, damit umzugehen, weiß er um die Konsequenzen einer Pleite beim Elften der französischen Ligue 1. Erstmals verspüren die Bayern diese Saison richtig Druck. Ein anderes Gefühl – vorbei mit „Laissez-faire“, ausgerechnet in Frankreich. Voila: Druck. Ein erster Stresstest. „Wir dürfen uns keine Nachlässigkeiten erlauben“, betonte Sportvorstand Matthias Sammer, und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge meinte: „Wir müssen schauen, dass wir punkten, damit wir nicht noch mehr unter Druck geraten. Lille ist ein Team, das mit Stolz seine letzte Chance suchen wird. Wir dürfen sie nicht unterschätzen. Die Mannschaft ist gefragt, einen Sieg einzufahren.“
Javi Martínez wird wohl anstelle von Luiz Gustavo spielen, ansonsten die 5:0-Siegelf von Düsseldorf. „Natürlich haben wir jetzt mehr Druck, weil es nicht mehr so viele Spiele in der Gruppe sind, um eine weitere Niederlage korrigieren zu können“, sagte Toni Kroos, „wir können es uns ja nicht leisten, zu verlieren.“ So ist es.<QM>