Wildbad Kreuth: Die Krisen-Klausur der CSU

Kreuth So viel Wirbel hat die CSU noch selten im Vorfeld ihrer Kreuther Klausur gemacht: Kein Tag verging seit Weihnachten, an dem nicht gezielt handfeste Forderungen zu den Themen Flüchtlinge und Terrorismus an die Öffentlichkeit lanciert wurden. Kreuth 2016 ist für die Regionalpartei mit bundesweitem Anspruch besonders wichtig, weil es um Politikfelder geht, auf denen ihr von den Wählern die größte Kompetenz zugemessen wird. Und das bedeutet auch: Die größten Erwartungen.
Von diesen Erwartungen sieht man sich im Münchener Franz-Josef-Strauß-Haus denn auch unter Druck gesetzt. Denn am rechten Ende des politischen Spektrums lauert die AfD, die den seit 60 Jahren regierenden Christsozialen leicht die Mehrheit kosten könnte. Nach einer am Montag bekannt gewordenen Meinungsumfrage kann sich die CSU bei Landtagswahlen zwar immer noch auf 45 Prozent der Wähler stützen, doch weniger dürfen es auf keinen Fall werden, wenn die absolute Mehrheit im Landtag erhalten bleiben soll.
Merkel im Doppelpack
40 Jahre nach der legendären Kreuther Klausur, auf der die - nie vollzogene - Trennung von der CDU beschlossen wurde, steht die CSU-Winterklausur erneut im Zeichen des Konflikts der Christsozialen mit ihrer großen Schwester. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Es wird nicht wie 1976 im abgeschotteten Kämmerlein über die CDU hergezogen, sondern die Bundeskanzlerin Angela Merkel Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt sich ihren bayerischen Kritikern.
Lesen Sie hier: Grüne fordern Integrationskonzept von Seehofer
Und das gleich zweimal: Am kommenden Mittwoch (6. Januar) trifft Merkel in Kreuth auf die Mitglieder der CSU-Landesgruppe im Bundestag und am 20. Januar auf die CSU-Landtagsfraktion. In jedem Fall wird sie CSU-Chef Horst Seehofer empfangen, der für eine demütigende Szene auf dem letzten CSU-Parteitag gesorgt hat. Seehofer hat den unionsinternen Flüchtlingsdisput in den letzten Tagen durch die Einschätzung angeheizt, Deutschland vertrage pro Jahr nicht mehr als allenfalls 200 000 Flüchtlinge. Was so interpretiert wurde, dass die CSU damit die "Obergrenze" für die Aufnahme definiert.
Auch wenn Merkels Auftritt vor den Christsozialen in beiden Fällen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abläuft, wird schnell nach außen sickern, wie gut oder schlecht man sich verstanden hat. Die Kanzlerin darf sich jedenfalls keine Hoffnungen machen, dass die CSU so schnell einknicken wird, solange, so ein CSU-Sprecher "das Flüchtlingsproblem nicht gelöst ist".
"Auf dem Weg in die Angstgesellschaft"?
Die Lösung ist gemessen an den aktuellen Zahlen der Bundes- und Landespolizei noch weit entfernt. Allein im Dezember wurden an der bayerisch-österreichischen Grenze fast 103 000 Flüchtlinge in Empfang genommen. Am Neujahrstag kamen 1782 und am vergangenen Wochenende 5625 Asylbewerber. Hochgerechnet aufs Jahr wären das wiederum etwa eine Million Menschen.
In der CSU steht man den komplizierten multilateralen Operationen der Kanzlerin zur "Reduzierung" skeptisch gegenüber steht, zumal damit ein von den Christsozialen abgelehnter EU-Beitritt der Türkei näher gerückt scheint. Den Zustrom zu begrenzen, sei auch ohne Verfassungsänderung möglich, unterstützte am Montag Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seinen Ministerpräsidenten.
Lesen Sie hier: Seehofer - 200 000 Flüchtlinge sind verkraftbar
Der in den letzten Tagen zur Schau gestellte Gestaltungswille der CSU auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik und der inneren Sicherheit übertrifft alles bisher Dagewesene: Die CSU will Flüchtlinge per "Vereinbarung" zu Integrationskursen verpflichten, Asylbewerber ohne Papiere an der Grenze abweisen, die Bundeswehr auch im Inneren einsetzen, Gefährdern Fußfesseln anlegen sowie die Zuwanderung von EU-Ausländern in die Sozialsysteme eindämmen.
Unterstützung für letztere Forderung versprechen sich die CSU-Politiker von keinem Geringeren als den britischen Premier David Cameron, der am 7. Januar nach Kreuth kommt.
"CSU auf dem Weg in die Angstgesellschaft", kommentierte der bayerische Grünen-Landesvorsitzende Eike Hallitzky das Kreuther Programm.
Kreuther Geschichten wiederholen sich nicht
Bei Themen mit dieser Wucht tritt die Diskussion um die Nachfolge Seehofers als Partei- und Regierungschef in den Hintergrund. Sie in dieser Situation aufleben zu lassen, würde den Verursachern immens schaden. Dass es in der CSU gleichwohl grummelt, hat Seehofers vergleichsweise schwaches Wiederwahlergebnis als Parteichef gezeigt.
2007 hatten sich die damaligen CSU-Landesminister Günther Beckstein und Erwin Huber darauf geeinigt, eine Doppelspitze zu bilden und Ministerpräsident Edmund Stoiber zum Rückzug gedrängt. Für eine Wiederholung mit den Seehofer-Nachfolgekandidaten Ilse Aigner und Markus Söder in der Hauptrolle fehlt 2016 jeder Anhaltspunkt .
Lesen Sie hier: Seehofer will massiv für Pkw-Maut kämpfen
Eine aktuelle Umfrage unter Bürgern sieht Innenminister Joachim Herrmann knapp vor Finanzminister Markus Söder. Den ersten Platz belegt nach wie vor Seehofer selbst: 66 Prozent der Bürger wollten auch in Zukunft eine herausragende Rolle für den CSU-Chef, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut GMS bei einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von „Sat.1 Bayern“.
An zweiter Stelle folgt Herrmann mit 61 Prozent vor Söder (60 Prozent) und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (58 Prozent). Bei den CSU-Anhängern rangiert Söder jedoch mit 67 Prozent vor Herrmann mit 65 Prozent.