Wahl in Hamburg: Das sind die Spitzenkandidaten

SPD-Jurist mit absolutistischen Zügen, schwuler CDU-Arzt, grüne Werder-Anhängerin, FDPlerin mit Affäre am Bein und linke Töpferin – die AZ stellt die Hamburger Spitzenkandidaten vor.
von  M. Klemm, T. Lokoschat, dpa
Das Rathaus in Hamburg
Das Rathaus in Hamburg © dpa

Hamburg - Hamburgs Bürger entscheiden an diesem Sonntag über die Zukunft der einzigen SPD-Alleinregierung auf Landesebene. Bereits vor der Bürgerschaftswahl hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) angekündigt, er wolle entweder alleine oder mit den Grünen weiterregieren. Andere Optionen kämen für die SPD nicht in Betracht.

Mehr Politik-News

Scholz zeigte sich beim Wahlkampfendspurt siegessicher, die absolute Mehrheit verteidigen zu können. Nach den jüngsten Meinungsumfragen ist das aber offen. Die Umfragen sehen die SPD seit Jahresbeginn zwischen 42 und 47 Prozent. Eine Alleinregierung wäre nur möglich, wenn die FDP aus dem Parlament fliegt oder die AfD die Fünf-Prozent-Hürde nicht knackt.

Die AZ stellt die Hamburger Spitzenkandidaten vor:

OLAF SCHOLZ (SPD): Er hält, was er verspricht, verspricht er – und hat damit Beobachtern zufolge den Grundstein für den fulminanten SPD-Wahlsieg 2011 gelegt. Auch diesmal will der 56 Jahre alte Hamburger Parteichef und SPD-Bundesvize auf diese Weise wieder die meisten Stimmen scheffeln, woran auch kaum jemand zweifelt. Denn anders als die Opposition, die im studierten Juristen Scholz teilweise einen Technokraten mit absolutistischen Zügen sieht, mögen die Hamburger ihren Bürgermeister laut Umfragen sehr.

Trotz 47 Prozent könnte es mit der Alleinregierung knapp werden. Das hängt stark von FDP und AfD ab.

DIETRICH WERSICH (CDU): Der 50-Jährige gilt als Hoffnungsträger der CDU. Der gebürtige Hamburger ist der vierte von fünf Söhnen eines Landwirts, der sich im Stadtteil Lokstedt als Gartenbauer selbstständig gemacht hat. Ehe Wersich vor 18 Jahren in die Politik ging, studierte er Medizin und arbeitete bis 2002 als Arzt am Uniklinikum Eppendorf. Seit der Wahlniederlage der CDU 2011 ist Wersich Oppositionsführer, mit 17 Prozent aber chancenlos.

In seiner Freizeit geht Wersich in den Schweizer Alpen wandern und feuert den HSV an. Wersich lebt mit einem Mann zusammen – wie der frühere Bürgermeister von Beust.

KATHARINA FEGEBANK (GRÜNE): Twitter, Werder Bremen und Schwimmen – für die 37-jährige Politikerin sind das die drei Dinge, die sie rund um die Uhr beschäftigen. Knapp 4000 Tweets, am liebsten jedes Wochenende ein Spiel ihres Lieblingsvereins – ihre Bestzeit im Becken hält sie geheim.

Mit einem neuen, farbenfrohen Styling und „einer positiven Ausstrahlung“ geht sie mit ihrem Spitzenkandidaten-Kollegen Jens Kerstan ins Rennen um die Bürgerschaft. Familie Fegebank diskutierte schon immer am Mittagstisch über politische Themen und soll die einzige Tochter so inspiriert haben, in die Politik zu gehen.

Mit 27 Jahren trat die Politologin in die Partei ein. Vorher lebte sie einige Zeit in den USA. Fegebank und ihre Partei (in Umfagen bei 12 Prozent) hoffen, dass die SPD einen Koalitionspartner braucht.

KATJA SUDING (FDP): „Unser Mann für Hamburg“ – mit diesem Slogan startete die 39 Jahre alte FDP-Vorsitzende, Fraktionschefin und Spitzenkandidatin in den Wahlkampf.

Und auch danach machte die Mutter zweier Söhne erstmal abseits der Politik von sich reden. Die „Tagesschau“ filmte ihre Beine beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart so ausgiebig ab, dass sich „ARD-aktuell“-Chefredakteur Kai Gniffke hinterher dafür entschuldigen durfte: „Der Beine-Schwenk gehört auf den Index. Tut mir leid, Frau Suding“, bloggte er.

Suding hatte die FDP 2011 als Newcomerin völlig überraschend nach sieben Jahren ins Parlament zurückgebracht.

Umfragen zufolge könnte es die FDP mit sechs Prozent in die Bürgerschaft schaffen – das wäre auch ein bundesweites Signal für die Liberalen.

DORA HEYENN (LINKE): Beinahe hätte sie hingeworfen. Als Hamburgs Linke die 65-Jährige mit nur 55,4 Prozent zur Spitzenkandidatin wählten, wollte die Biologie- und Chemielehrerin aufgeben – und hätte der Partei damit ein ernsthaftes Problem beschert. Schließlich war sie es, die die Linke 2008 erstmals in die Bürgerschaft geführt und das Ergebnis 2011 verteidigt hatte. Heyenn gilt zum Frust einiger Hardliner in der Partei als unideologische Politikerin, die auch bei den anderen Fraktionen wohlgelitten ist.

Ursprünglich war Heyenn in der SPD, saß zwischen 1990 und 1992 im Kieler Landtag, warf dann aber aus Ärger über den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 nach fast drei Jahrzehnten das Handtuch. Die Bauerstochter ist eine begeisterte Töpferin. Ihre Partei liegt bei 8,5 Prozent.

JÖRN KRUSE (AfD): Der 66-Jährige ist ein Kopfmensch. Als emeritierter Wirtschaftsprofessor, der 16 Jahre an der Helmut-Schmidt-Universität lehrte, gehört die Eurokritik zu seinen Schwerpunkten. Im Wahlkampf widmete er sich vor allem Hamburger Themen. Die Umfragen prognostizieren fünf Prozent. Es wird knapp.

BURKHARD MASSEIDO, (PIRATEN): Das Twitterprofil des 40-Jährigen hat den Namen „Piratenproll“ – er selbst bezeichnet sich als „linksliberaler Anarchodemokrat“. In den Umfragen taucht die Partei nicht mal mehr auf. Dabei sind die Wahlplakate auffällig: „HVV für lau“ steht darauf zum Beispiel.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.