Umfrage: AfD im Nordosten klar vorn - SPD verliert deutlich

In einem Jahr wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Die AfD ist dort einer Umfrage zufolge mittlerweile mehr als doppelt so stark wie vor vier Jahren - und läuft der regierenden SPD den Rang ab.
von  Christiane Bosch und Frank Pfaff, dpa
Wenn am Sonntag der Landtag neu gewählt werden würde, wäre die SPD nicht mehr stärkste Kraft im Land. (Archivbild)
Wenn am Sonntag der Landtag neu gewählt werden würde, wäre die SPD nicht mehr stärkste Kraft im Land. (Archivbild) © Bernd Wüstneck/dpa

Die AfD legt in der Gunst der Wähler in Ostdeutschland weiter zu. Ein Jahr vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern kommt die Partei in einer vom NDR in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage auf 38 Prozent. Wenn am Sonntag Landtagswahl wäre, würde sie ihr Wahlergebnis gegenüber der Parlamentswahl 2021 mehr als verdoppeln und die damalige Wahlsiegerin SPD mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig an der Spitze klar von Rang eins verdrängen. Die in Schwerin regierende rot-rote Koalition hätte laut Umfrage mit 31 Prozent keine Mehrheit mehr. Die SPD ist in der Wählergunst nur noch halb so stark wie bei der Wahl (19 Prozent). 

In Sachsen-Anhalt, wo bereits Anfang September 2026 gewählt wird, lag die AfD in Umfragen zuletzt bei 39 Prozent. Und auch bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen legte die Partei jüngst kräftig zu. Die fortwährenden Debatten um die umstrittene Einstufung als gesichert rechtsextrem, die bis zu einer Gerichtsentscheidung dazu auf Eis liegt, und ein mögliches Parteiverbotsverfahren haben der AfD mithin nicht geschadet.

Wissenschaftler sieht wachsende Skepsis an politischem System

Für den Greifswalder Politikwissenschaftler Jochen Müller sind die hohen Zustimmungswerte Ausdruck einer inzwischen verfestigten Skepsis gegenüber dem politischen System. "Es gibt bei vielen Menschen eine große Unzufriedenheit mit dem, wie Demokratie funktioniert. Weil sie ihre eigene Position - etwa in der Migrationsfrage - nicht wie gewünscht berücksichtigt sehen, lehnen sie Regierungspolitik und -politiker grundsätzlich ab. Das geht durch alle sozialen Schichten", sagte der Universitäts-Professor. 

Dennoch erwartet er bis zur Wahl im Nordosten am 20. September 2026 noch deutliche Verschiebungen im Wählerverhalten. "Da kommt noch viel Dynamik rein. Vor allem, wenn dann zum Ende des Wahlkampfes die Personen in den Mittelpunkt rücken und die Frage steht, wer das Land denn künftig regieren soll", vermutet Müller. 

Schwesig will weiterregieren

Darauf setzt auch Schwesig, die nach eigenen Angaben ihre SPD wieder zum Wahlsieg führen will, um weiterregieren zu können. Die aktuelle Umfrage spiegele wie auch das Ergebnis der Bundestagswahl Anfang 2025 im Osten die große Unzufriedenheit in der Bevölkerung wider. Ihre Regierung arbeite hart für Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze, für gute Kitas und Schulen, für stabile Renten. "Deshalb bin ich zuversichtlich für die Landtagswahl in einem Jahr. Denn dann geht es um die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern und nicht um Bundespolitik", sagte Schwesig. Die AfD setze auf Hass und Hetze und gefährde die Stabilität des Landes. 

Der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm seinerseits schickte bereits eine Kampfansage an Schwesig. Er tritt in ihrem Schweriner Wahlkreis gegen sie an, will ihr dort das Direktmandat abnehmen und dann selbst Ministerpräsident werden. "Für mich ist klar: Wenn wir den Wahlkreis gewinnen, werden wir Mecklenburg-Vorpommern regieren", gab sich Holm nach seiner parteiinternen Nominierung demonstrativ zuversichtlich. Die Umfrage zeige, dass immer mehr Bürger die "trantütige Schwesig-Regentschaft" leid seien und einen Politikwechsel wollten. "Wir sind klar für die Wende im kommenden Jahr", sagte Holm. Bislang lehnen alle anderen Parteien eine Koalition mit den Rechtspopulisten ab. 

CDU verharrt auf niedrigem Niveau

Das gilt auch für die CDU, die nicht von der Schwäche der SPD profitieren kann. In der Umfrage verharrt die Union bei 13 Prozent und damit auf dem historisch niedrigen Wahlergebnis vom Herbst 2021. "Unser Wahlziel ist ein Politikwechsel für Mecklenburg-Vorpommern, also das Ende linker Politik. Es darf keine Regierungsmehrheit gegen die CDU geben", formulierte CDU-Landeschef Daniel Peters das Ziel seiner Partei. Mit Themen wie Wirtschaft, Innere Sicherheit, Migration und Gesundheitspolitik will er Wähler gewinnen und die CDU nach fast drei Jahrzehnten wieder zur stärksten Kraft in MV machen.

Die Linke, seit 2021 Juniorpartner der SPD in Schwerin, kann laut Umfrage gegenüber der letzten Wahl leicht zulegen und käme auf 12 Prozent. Für Parteichef Hennis Herbst eine gute Ausgangslage für die Vorbereitung auf den Wahlkampf, in dem seine Partei steigende Mieten, teure Lebensmittel, Heizkosten, geringe Löhne und knappe Renten thematisieren wolle. Herbst macht die schwarz-rote Bundesregierung maßgeblich verantwortlich für die wachsende Zustimmung für die AfD: "Wo demokratische Parteien es nicht schaffen Alltagssorgen zu lösen und so Vertrauen zurückzugewinnen, profitieren die Faschisten der AfD von der wachsenden Unzufriedenheit."

Für kleinere Parteien wird es laut Umfrage eng

Für die zwei anderen im Schweriner Landtag vertreten Parteien, Grüne und FDP, könnte es eng werden mit dem Wiedereinzug ins Parlament. Beide Parteien werden derzeit von heftigen Personalquerelen geschüttelt. Die Grünen liegen in der Umfrage bei 5 Prozent und damit genau an der Schwelle, die überschritten werden muss, die FDP deutlich darunter. Das noch junge Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht die Umfrage bei 7 Prozent, damit würde die Partei erstmals in den Landtag einziehen. Doch ist unklar, wer für das BSW antreten wird. Die bisherigen Landesvorsitzenden Friedrich Straetmanns und Melanie Dango kündigten am Donnerstag ihren Rücktritt zum 11. Oktober an.

Wie zuvor schon in den anderen ostdeutschen Bundesländern erwartet der Politikwissenschaftler Müller auch in Mecklenburg-Vorpommern im kommenden Jahr eine schwierige Regierungsbildung. "Die Wählerschaft ist heterogener geworden und damit auch die Parteienlandschaft. Bei den teilweise großen programmatischen Unterschieden ist es eine riesige Herausforderung, tragfähige Bündnisse zu schließen", sagte er.

Für Umfrage mehr als 1.000 Wahlberechtigte befragt 

Infratest dimap hatte im Auftrag des NDR zwischen dem 18. bis 23. September 1.151 Wahlberechtigte aller Altersgruppen, Bildungsabschlüsse und Geschlechter in Mecklenburg-Vorpommern mittels computergestützter Telefon- und Online-Interviews befragt. Insgesamt wurden 674 Telefoninterviews und 477 Online-Befragungen durchgeführt. 

Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.

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