Sprecher der Deppen
„Arbeitnehmer werden mehr und mehr zu den Deppen der Nation“, klagt Guido Westerwelle. Er sieht sich als deren Vorkämpfer – und will deswegen in der Hartz-IV-Debatte stur bleiben
BERLIN Er bolzt und bolzt und bolzt: Nach der Kritik an FDP-Chef Guido Westerwelle hat der die Tonart gleich noch verschärft – und inszeniert sich als Kämpfer gegen den Rest der Welt. Seine Partei eilte teils an seine Seite, teils gab es erste Absetzbewegungen. Der Kieler FDP-Chef Wolfgang Kubicki: „Es war ein Irrtum, dass die Koalition mit der Union eine Liebesheirat war.“
Westerwelle hatte angesichts des Hartz-IV-Urteils vor „anstrengungslosem Wohlstand“ und „spätrömischer Dekadenz“ gewarnt. Daran hatte es vehemente Kritik gegeben. Dazu sagt er nun: „Ich habe nichts zurückzunehmen.“ Kritik an ihm nannte er scheinheilig und sprach von „sozialistischen Denkverboten“. Westerwelle: „Diejenigen, die die Leistungsbereitschaft der Bürger mit Füßen treten, sollten sich entschuldigen.“ Einen innenpolitisch so rauflustigen Außenminister gab es selten.
"Abgekartetes Spiel von Angela Merkel"
Und dann zog er wieder vom Leder: „Es ist eine geradezu zynische Debatte, wenn diejenigen, die aufstehen und fleißig sind, sich mittlerweile entschuldigen müssen, dass sie von ihrer Arbeit auch etwas behalten möchten. Die Arbeitnehmer werden mehr und mehr zu den Deppen der Nation“, so Westerwelle. Deren Fürsprecher wolle er sein.
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sprang ihm bei: Seine Kritiker seien die Krawallmacher, er setze auf Inhalte. Martin Zeil (FDP), Vize-Ministerpräsident in Bayern, sieht in den Angriffen auf die FDP ein „abgekartetes Spiel mit Billigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel“. FDP-Vize Andreas Pinkwart: „Westerwelles Äußerungen entsprechen dem, was Millionen Menschen denken, die tagaus, tagein den Karren aus dem Dreck ziehen.“ Der gleiche Pinkwart – der schon das Hotel-Geschenk kritisiert hatte – stellte aber auch die Machtfrage: Die FDP müsse mehr Gesichter in den Vordergrund stellen. „Die Parteiführung ist stärker im Team gefordert. Die FDP muss es aushalten, wenn sich Persönlichkeiten aus der engeren Führung profilieren.“
"Vor 100 Tagen ist ein Esel Außenminister geworden"
Außerhalb der FDP gab es massive Kritik. Grünen-Chefin Claudia Roth: „Der kurze Ausflug in die Diplomatie ist beendet. Es tritt wieder auf: der Schreihals.“ Doch auch aus Reihen der Union kam Kritik. CSU-General Alexander Dobrindt: „Solidarität ist nicht sozialistisch.“ Er warnte die FDP vor Klientelpolitik: „Die christlich-liberale Koalition muss eine Regierung für alle Deutschen bleiben. Damit verträgt es sich nicht, wenn sich ein Partner nur für eine Bevölkerungsgruppe zuständig fühlt.“
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte deutlich, dass sie Westerwelles Vorstoß für überflüssig hält. „Wir brauchen uns in diese Debatte nicht zu verbeißen. Das Bundesverfassungsgericht hat klar gesagt: Das Existenzminimum muss gesichert sein.“ Deswegen werde es zu höheren Sätzen kommen. Dies sieht Finanzminister Wolfgang Schäuble allerdings anders: Karlsruhe habe nicht gesagt, dass die Sätze erhöht werden müssten.
Und Ex-CDU-General Heiner Geißler nannte Westerwelle einen „Esel“ - in Anspielung auf dessen spätrömische Vergleiche. Das passe insofern, als damals ein Esel zum Konsul ernannt worden sei. „Vor 100 Tagen ist ein Esel Außenminister geworden.“ tan