Seehofer präsentiert sich als Schirmherr der Vertriebenen

Vertriebenenpräsidentin Steinbach zeigt sich beim „Tag der Heimat“ angriffslustig. Gastredner Seehofer tritt eher staatsragend auf. Aber er gibt den Vertriebenen volle Rückendeckung.
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Bayerns Ministerpraesident Horst Seehofer (CSU) und die Praesidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), sitzen am Samstag in Berlin zu Beginn des Tags der Heimat 2010 nebeneinander.
dapd Bayerns Ministerpraesident Horst Seehofer (CSU) und die Praesidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), sitzen am Samstag in Berlin zu Beginn des Tags der Heimat 2010 nebeneinander.

BERLIN - Vertriebenenpräsidentin Steinbach zeigt sich beim „Tag der Heimat“ angriffslustig. Gastredner Seehofer tritt eher staatsragend auf. Aber er gibt den Vertriebenen volle Rückendeckung.

Erika Steinbach mag es gerne bunt. An Samstagnachmittag trägt sie einen Blazer in dunklem rosa, als sie im Internationalen Congress Centrum (ICC) in Berlin an das Rednerpult tritt. Einige würden ja meinen, sie müsse „in Sack und Asche“ gehen, sagt die 67-Jährige. Das stehe ihr aber gar nicht, und deswegen überlasse sie das auch lieber „den Kartoffeln“.

Es ist der „Tag der Heimat“, mit dem ihr Bund der Vertriebenen jedes Jahr an die Unterzeichnung der Charta der Heimatvertriebenen vor 60 Jahren erinnert. Im Publikum sitzen ein paar hundert Verbandsmitglieder, die die Rede ihrer Präsidentin immer wieder mit Applaus unterbrechen. In diesem Kreis ist Steinbach zu Hause, und das zeigt sie auch in ihrer kämpferischen Rede. Sie wettert gegen Bevormundung ihres Verbandes, spricht von konzertierten Aktionen, die darauf ausgerichtet seien, die Vertriebenen als Geschichtsfälscher zu diffamieren.

Ihre andere politische Heimat, die Steinbach in dieser Woche zumindest teilweise verloren hat, erwähnt die Vertriebenenpräsidentin nur am Rande. Sie dankt der Union dafür, dass sie als einzige politische Kraft das in Berlin geplante Vertriebenenzentrum von Anfang an unterstützt habe. Als Seitenhieb fügt sie aber hinzu: Das sollten CDU und CSU jetzt „nicht selber kaputtreden“.

Zum Zeitpunkt der Rede ist es keine 48 Stunden her, dass Steinbach ihren Rückzug aus der CDU-Spitze angekündigt hat. Zuvor hatte sie in einer Sitzung des Unions-Fraktionsvorstands gesagt: „Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat.“ Der anschließende Sturm der Entrüstung enttäuschte sie so sehr, dass sie sich von ihrer Partei abwandte. Als Konservative fühle sie sich zunehmend isoliert in der CDU, sagte sie.

Ihr umstrittenes Zitat nimmt Steinbach am „Tag der Heimat“ nicht zurück. Auch die umstrittenen Äußerungen anderer Spitzenfunktionäre ihres Verbandes verteidigt die Verbandspräsidentin. Sie seien „durch und durch Demokraten – und zwar alle“, sagt sie. „Ich lasse sie nicht einfach hier stigmatisieren.“ Gleichzeitig bekennt sie sich aber auch erneut klar zur deutschen Kriegsschuld: „Jeder im Lande hier weiß, wer den Zweiten Weltkrieg begonnen hat. Hitler hat die Büchse der Pandora geöffnet.“

Auf den Zwist zwischen Steinbach und ihrer Partei geht auch der Gastredner in seiner Rede nicht ein. Horst Seehofer tritt weniger als CSU-Chef, sondern vielmehr als bayerischer Ministerpräsident auf. Und die bayerischen Regierungschefs sahen sich schon immer als Schirmherren der Vertriebenen. „Solange ich Ministerpräsident bin, werden wir als Bayern an der Seite der Heimatvertriebenen stehen“, sagt Seehofer. „Wir lassen Sie nicht alleine.“

Sein zentraler Satz lautete aber: „Sie sind aufrechte Demokratinnen und Demokraten und keine Revanchisten.“ Damit nimmt Seehofer die Vertriebenen und Steinbach in Schutz. Auf die Zitate, die den Sturm der Empörung ausgelöst haben, geht er nicht ein. Auch die Entscheidung des Zentralrats der Juden, aus dem Stiftungsrat des Vertriebenenzentrums auszusteigen, kommentiert er nicht.

Trotz der Unterstützung Seehofers kann der „Tag der Heimat“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bund der Vertriebenen so isoliert dasteht, wie lange nicht. Das Prestigeprojekt Vertriebenenzentrum ist ins Wanken geraten. SPD und Grüne wollen mit Steinbach nichts mehr zu tun haben und sie sogar aus dem Menschenrechtsausschuss des Bundestags verbannen. Auch seitens der FDP wird sie scharf attackiert.

Dabei hatte der Bund der Vertriebenen es unter der Führung Steinbachs im letzten Jahrzehnt geschafft, auch im politischen Spektrum links von der Mitte salonfähig zu werden. Sozialdemokraten wie Innenminister Otto Schily und Kanzler Gerhard Schröder waren Gastredner beim „Tag der Heimat“ und der SPD-Politiker Peter Glotz gehörte zu den Gründungsvätern des Vertriebenenzentrums in Berlin. Am Samstagabend saß kein einziger einigermaßen prominenter Politiker von SPD oder Grünen im Publikum.

dpa

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