Seehofer: Der kleine König Horst

Rechtzeitig zum Parteitag ist Ministerpräsident Horst Seehofer ganz obenauf. Mit der Rückeroberung der Alleinherrschaft für die CSU möchte er sich selber adeln.
von  Angela Böhm
Horst Seehofer
Horst Seehofer © az

Rechtzeitig zum Parteitag ist Ministerpräsident Horst Seehofer ganz obenauf. Mit der Rückeroberung der Alleinherrschaft für die CSU könnte er sich selber adeln.

München - Er mag’s jetzt majestätisch: Seinen Ministern schwärmt Horst Seehofer von Bayerns König Max I. Joseph vor. Der hatte sich mit Napoleon verbrüdert, damit sein kleines Herzogtum ein Königreich wird. Dann ließ er den Korsen eiskalt fallen, um seinen eigenen Thron zu retten. „Das ist ganz große Staatskunst“, ist Seehofer voll Bewunderung.

Seine Untertanen nannten den Wittelsbacher einst den „guten Max“. Er war ein großer Stratege mit ungewöhnlichem politischen Instinkt und hatte bereits bewegte Zeiten hinter sich. Dass er es so weit gebracht hatte, bezeichnete der Monarch als „Sauglück“.

Zwischen sich und dem Bayern-König entdeckt Seehofer manche Parallele. Der Ministerpräsident denke inzwischen wohl, so lästern Vertraute: „Der war ja so, wie ich bin!“ Auch Seehofer würde gerne als der „gute Horst“ in die Geschichte des Freistaats eingehen. Kürzlich streifte er an einem Wochenende mit Herzog Franz durch die Wittelsbacher Wälder. Der Nachfahre von Max, der jetzt – gäbe es noch die Monarchie – Bayerns König wäre, hatte ihn, den vom Volk Gewählten, zu einem ausgiebigen Spaziergang eingeladen.

Danach prahlte Seehofer vor seinen Ministern, in welch königlicher Gesellschaft er sich nun bewegt. Der Arbeiter-Sohn aus Ingolstadt, den in der CSU keiner so recht mochte, will sich selber adeln – mit der Rückeroberung der Alleinherrschaft für die CSU. Alle Umfragen deuten derzeit darauf hin, dass sie 2013 wieder möglich ist. Wenn Seehofer das schafft, ist er der König.

„Im Moment fühlen sich in der CSU alle auf Wolke sieben“, beschreibt einer seiner Minister die neue Euphorie. Endlich kann sich die Partei wieder an sich selbst berauschen. Die Zeiten, in denen sie von panischer Angst getrieben wurde, scheinen überwunden. Dieses Gefühl soll die nächsten elf Monate anhalten – bis zur Landtagswahl. Deshalb hat Seehofer seiner CSU nun ein Wellness-Wochenende in der Münchner Messe verordnet.

Nichts soll auf dem Parteitag die Kuschel-Atmosphäre stören. Diesmal sollen sich die 1000 Delegierten einfach nur lieb haben. Seehofer will die CSU zur problemfreien Zone erklären. Er entsorgt jeden Konflikt. Zwar geht es auch auf diesem Parteitag wieder um das heikle Thema Europa. Der CSU-Leitantrag dazu ist aber so schwammig formuliert, dass sich jeder wiederfindet: die Gegner der Griechenland-Rettung.

Und die Befürworter. „Bayerisches Paradox“, nennt Europa-Kritiker Peter Gauweiler das. Statt der vielen roten Linien, die schon gezogen und übertreten wurden, gibt Seehofer nun einen Schmusekurs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vor. Denn von ihrem Glanz in Europa profitiert auch die kleine Schwester CSU im überschaubaren Bayern-Land. Seiner Gefolgschaft erklärt Seehofer das so: Nur die CSU habe Bundeskanzlerin Angela Merkel gebremst und auf den richtigen Weg gebracht. „Seehofers Stärke ist nicht die eigene, sondern von der Kanzlerin geliehen“, sagen dagegen die Realisten in der Partei. „Das vertuscht er. Da hat er ein Wahrnehmungsproblem.“

Den Delegierten ist das wurscht. Sie wollen endlich wieder jubeln. Seehofer hat ihnen den Stolz zurückgegeben, den ihnen Edmund Stoiber einst nahm. Für sie hat er bereits ein Wunder vollbracht in den vergangenen Monaten. Zappenduster sah es aus, als Münchens OB Christian Ude im Sommer 2011 zum roten Sturm auf die schwarze Staatskanzlei startete. Sofort war er mit Seehofer auf Augenhöhe. Sein Herausfordererbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern hatte die Nase leicht vorn. Der Machtwechsel schien zum Greifen. Doch Ude blieb mit seiner Truppe hängen. Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger irrlichtert lieber gegen Europa.

Wer den König beerben wolle, der müsse am Tag dessen Ablebens stark sein. Diesen Spruch habe er kürzlich gehört, erzählte Seehofer der SZ: „Das gefällt mir.“ Geschickt räumte er lautlos und schnell alle Angriffsflächen aus dem Weg. Das empfinden manche in Udes Umgebung schon als „richtig gemein“. Beim umstrittenen G8 führte der Ministerpräsident über Nacht zwei Geschwindigkeiten mit einem freiwilligen neunten Jahr ein. Den umkämpften Donau-Ausbau wird er beerdigen - auch wenn’s um den Kurswechsel auf dem Parteitag noch ein Scharmützel gibt. Das nächtliche Verkaufsverbot von Alkohol an Tankstellen für Radler und Fußgänger kassierte er sofort ein. Sogar die Asylbewerber will er nun menschenwürdig behandeln. Die Schuld an der stotternden Energiewende schiebt er auf Berlin. „Der wird auch noch die GBW-Wohnungen von der BayernLB kaufen“, prophezeit ein CSU-Stratege. Gegen den Willen seines Finanzministers Markus Söder.

Ude bleibt als Schlachtfeld die BayernLB. Bei der läppern sich inzwischen 13 Milliarden Schulden zusammen, die den Freistaat und seine Steuerzahler belasten. Seehofers Abwehrtrick: Er propagiert, Bayern bis 2030 schuldenfrei zu machen. Auch das hat er von König Max I. abgekupfert. Der gründete am 20. August 1811 seine „Königlich-Baierische Staats-Schulden-Tilgungs-Kommission“.

Seehofer hat seine Partei auf seine Kandidatur vorbereitet. Bis sie ihm geschlossen zu Füßen lag. Nun ist er in der Rolle des Patriarchen angekommen und mit sich im reinen. Auch wenn die Parole „50 plus X“ für immer der Vergangenheit angehören wird. „Aber mir sind auch nicht schlecht“, fasst ein CSU-Grande das neue Bewusstsein zusammen. Rein rechnerisch könnte die CSU die Alleinregierung mit nur 44 Prozent zurückerobern, wenn FDP und Piraten an der fünf Prozent-Hürde scheitern würden. Dafür ordnet Seehofer alles Bayern unter. Er will in seiner Staatskanzlei sitzen bleiben. Und das noch lange.

Wenn’s funktioniert, dürfen sich seine Kronprinzessinnen Ilse Aigner und Christine Haderthauer mit ihrem Testosteron-Prinzen Markus Söder noch bis 2018 messen. Aber vielleicht sollten die drei auch mal in bayerische Geschichtsbücher schauen. Noch nie konnte ein CSU-Ministerpräsident seinen Nachfolger selbst bestimmen. Und: Kronprinzen gingen bisher immer leer aus. Seehofer weiß: Bis zum Wahltag kann noch viel passieren. „Sie haben ja gerade einen guten Lauf“, gratulierte ihm Ude beim Anzapfen auf der Wiesn unter vier Augen. „Sie wissen ja, wie schnell das Pendel wieder umschlägt“, antwortete Seehofer demütig.

Daran aber will in der CSU keiner mehr denken. „Der Horst wird’s schon richten“, sind seine Anhänger überzeugt. Sogar seine Kritiker setzen auf ihn: „Der Seehofer ist einfach ein Glückskind.“ So wie einst König Max I.

 

 

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