Schäuble fordert: Länger arbeiten!
Berlin - Müssen die Deutschen in Zukunft länger arbeiten, um angesichts der demografischen Entwicklung das Rentensystem zu sichern?
Davon ist nicht nur der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, überzeugt, der jüngst eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 67 auf 70 Jahre forderte und deswegen heftig kritisiert wurde, sondern auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Lebensarbeitszeit und Lebenserwartung müssten auch in der Rentenformel in einen „fast automatischen“ Zusammenhang gebracht werden, um die sozialen Sicherungssysteme langfristig zu stabilisieren, sagte er bei einem Vortrag in Berlin.
Schäubles Äußerung löst Koalitionskrach aus
Doch mit diesem Vorstoß löste der 73-jährige CDU-Politiker einen handfesten Koalitionskrach aus. SPD-Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles wies die Ansichten ihres Kabinettskollegen gestern ungewöhnlich scharf zurück. „Das ist kein abgestimmter Vorschlag der Bundesregierung“, ließ die Sozialdemokratin ausrichten. „Das steht nicht zur Debatte.“ Nahles bekräftigte, dass sie derzeit an einem umfassenden Konzept zur Zukunft der Rente arbeite, das sie im Herbst vorlegen wolle. Darin wolle sie auch die demografische Entwicklung der Gesellschaft berücksichtigen.
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Massive Kritik an Schäuble übten auch die Sozialexperten der SPD, die Linkspartei und die Gewerkschaften. Nicht jeder Arbeitnehmer habe bis ins hohe Alter eine robuste Gesundheit, bemängelte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Carola Reimann. Die Entscheidung der ersten Großen Koalition, die Regelaltersgrenze bis zum Jahr 2030 schrittweise auf 67 Jahre anzuheben, sei „eine vernunftorientierte und mit Augenmaß getroffene Entscheidung“ gewesen. Es sei noch „eine Menge zu tun“, um alterns- und altersgerechte Arbeitsplätze zu schaffen und die Anzahl derer zu erhöhen, die mit über 60 Jahren noch im Arbeitsleben bleiben könnten.
DGB-Vize sieht in Vorschlag "billiges Ablenkungsmanöver"
Die Vize-Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Amelie Buntenbach, nannte die Vorschläge Schäubles „ein billiges Ablenkungsmanöver“: „Damit ist die Rente nicht zukunftsfähig zu machen, sondern die Leistungen werden noch weiter verschlechtert.“
Noch deutlicher wurde Linke-Chef Bernd Riexinger. Schäubles Vorschlag sei nicht nur „realitätsfern“, sondern laufe für Millionen Rentner in Wahrheit auf „weitere Rentenkürzungen“ hinaus. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liege derzeit bei rund 61 Jahren. „Wer nach 40 Jahren auf dem Bau oder im Schichtdienst in Pflegeheimen körperlich und psychisch erschöpft ist und nicht mehr arbeitsfähig, müsste bei einer ohnehin kleinen Rente Abschläge in Kauf nehmen.“
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Unterstützung erhielt Schäuble hingegen von der Jungen Union. Paul Ziemiak, der Chef der Nachwuchsorganisation der CDU, bekräftigte seine Forderung, das Renteneintrittsalter schrittweise von 67 auf 70 Jahre zu erhöhen. „Um das Rentenniveau künftig nicht so weit absenken zu müssen, dass immer weniger Menschen davon leben können, sollten wir das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung koppeln.“ Der CDU-Sozialexperte Peter Weiß verwies hingegen darauf, dass im Augenblick keine Änderungen nötig seien. „Die weitere Entwicklung des Rentenalters ist ein Thema erst für die Zeit nach 2030.“