Neue Möglichkeiten für Verfassungsschutz - Spionage im Fokus

Neuer BfV-Chef, verschärfte Gesetze und mehr Kontrolle: Warum Sicherheit heute als knappes Gut gilt – und was das für unseren Alltag bedeutet.
von  Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Sinan Selen hat sein Amt als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 8. Oktober angetreten.
Sinan Selen hat sein Amt als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 8. Oktober angetreten. © Soeren Stache/dpa

Der Verfassungsschutz soll 75 Jahre nach seiner Gründung robuster aufgestellt werden, um besser gegen Spionage, Sabotage, Cyberangriffe und ausländische Einflussnahme - vor allem aus Russland - gewappnet zu sein. "In Zeiten hybrider Bedrohungen und ausländischer Einflussnahme ist es wichtiger denn je, dass wir unsere Verfassung aktiv verteidigen", erklärt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) anlässlich des 75. Jubiläums des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Die schwarz-rote Koalition werde die rechtlichen und technischen Voraussetzungen schaffen, um das BfV "zukunftsfest" zu machen.

Koalition hat neue Regeln für Nachrichtendienste vereinbart

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: "Zur Stärkung unserer nationalen Souveränität und der operativen Fähigkeiten unserer Nachrichtendienste, und um mit der Leistungsfähigkeit relevanter europäischer Partnerdienste wieder Schritt zu halten, streben wir eine grundlegende verfassungskonforme, systematische Novellierung des Rechts der Nachrichtendienste des Bundes an, einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für einen effektiven und effizienten Datenaustausch zwischen den Diensten und anderen Behörden". Gleichzeitig wolle man - das war vor allem der SPD wichtig - für "effektivere 
Kontrollstrukturen und zielgerichtetere Kontrollen nach den jeweiligen Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts, auch durch den Deutschen Bundestag" sorgen.

Sicherheit ist knappes Gut

"Sicherheit ist wieder ein äußerst knappes Gut, das aktiv von unseren Gegnern und systemischen Rivalen verknappt wird", erklärt der BfV-Präsident, Sinan Selen. Es gelte daher, die Sicherheitsarchitektur zu härten - "technisch, physisch und mental". 

Für Selen ist seine Ansprache bei der Feierstunde im Bundesinnenministerium, die von Dutzenden Vertretern der Sicherheitsbehörden besucht ist, gleichzeitig auch seine Antrittsrede. Der frühere BfV-Vizepräsident hat sein neues Amt am 8. Oktober angetreten. Dobrindt sagt, er habe Selen den Auftrag gegeben, daran mitzuwirken, den Informationsaustausch der deutschen Sicherheitsbehörden mit Blick auf hybride Bedrohungen effektiver zu organisieren. 

Lorbeeren für den neuen Behördenchef

Der Bundesinnenminister erklärt, weshalb seine Wahl auf Selen fiel, der die Behörde nach dem Ausscheiden von Thomas Haldenwang Ende 2024 gemeinsam mit Vizepräsidentin Silke Willems leitete. Dobrindt sagt, Selen habe sich schon als Vizepräsident "einen herausragenden Ruf erarbeitet als versierter und integrer Fachmann". An den neuen BfV-Präsidenten gewandt, verrät der Minister, dass es "ein großer Wunsch von Ihnen auch war, an der Spitze des Verfassungsschutzes zu stehen". 

Und noch ein Detail enthüllt der Minister in seiner Ansprache: Vom BfV sei ihm einmal ein ganz spezieller "Flaschenöffner" mitgegeben worden, den er später - sicherheitshalber - ganz hinten in seinem Regal platziert habe. Das weckt natürlich die Neugier der Zuhörer. Doch es war nur ein Scherz und auf Nachfrage ist zu erfahren: Der mysteriöse Flaschenöffner mit dem Logo der Behörde enthält weder eine geheime Kamera noch ein Abhörgerät.

Gründung zu Beginn des Kalten Krieges

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde am 7. November 1950 gegründet - mit Zustimmung der Westalliierten. Die sahen den neuen Nachrichtendienst damals auch als Bollwerk gegen sowjetische Spionage und kommunistische Unterwanderung.

Nachdem bis vor einigen Jahren vor allem Rechtsextremismus und islamistischer Terrorismus die Arbeit des Verfassungsschutzes bestimmten, beschäftigt sich das BfV seit einiger Zeit wieder intensiv mit der Abwehr von Spionage, Sabotage und anderen Formen hybrider Bedrohung. Dabei gehe es nicht um einen Spannungs- und Verteidigungsfall, den es in der Zukunft zu vermeiden gelte, sondern um das, was heute geschieht. Die Anzahl der Gegner und ihre Geschwindigkeit habe sich drastisch erhöht. 

Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio zeichnet in seiner Festrede zum 75-jährigen Bestehen des BfV das Bild einer krisengeplagten Zeit, die geprägt sei von vielen Unsicherheiten - unter anderem, was die weitere politische Entwicklung in den USA betrifft. Zudem beklagt er eine den "Verfeindlichung des politischen Klimas" in Deutschland durch Radikale am rechten und linken Rand.

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