Generalinspekteur und Staatssekretär gehen
BERLIN - Dass unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Jung offenbar Informationen über einen Luftangriff in Afghanistan zurückgehalten wurden, kostet den ranghöchsten Soldaten sein Amt. Auch Kritik am jetzigen Arbeitsminister wird laut.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verliert wegen der Informationspannen nach einem Luftangriff der Nato in Afghanistan sein Amt. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) teilte am Donnerstag im Bundestag mit, dass Deutschlands ranghöchster Soldat um sein vorzeitiges Ausscheiden gebeten habe. Der 63-jährige Schneiderhan war seit Juni 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr. Auch Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert (64) gibt sein Amt vorzeitig auf.
Die Opposition im Bundestag will Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung zur Abgabe einer Erklärung im Bundestag über die Informationspannen nach dem Bombardement zweier Tanklaster in Afghanistan zwingen. Die Sitzung des Parlaments wurde am Donnerstagmittag mitten in der ersten Lesung der Verlängerung des Isaf-Mandats für die Bundeswehr unterbrochen, weil die SPD einen Geschäftsordnungsantrag gestellt hatte, mit dem sie Jung zum Reden bewegen wollte. Per Hammelsprung sollte über den Antrag entschieden werden.
Die SPD drohte mit einem Untersuchungsausschuss zu den Umständen des Luftangriffs. Dies sei angesichts der Vorgänge unvermeidlich, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in Berlin. In solchen Fällen ist kein spezieller Untersuchungsausschuss des Bundestages notwendig, sondern der Verteidigungsausschuss kann sich selbst als Untersuchungsausschuss konstituieren. Die Untersuchung richte sich nicht gegen die Soldaten, betonte der ehemalige Außenminister. Ziel müsse es vielmehr sein, die Vorgänge an der Spitze des Verteidigungsministeriums aufzuklären.
Bei dem Luftangriff in der Nähe des deutschen Lagers Kundus wurden nach offiziellen Angaben Anfang September bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt. Der Angriff war von einem deutschen Oberst angefordert worden. Guttenberg bestätigte, dass unter seinem Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) wichtige Informationen zurückgehalten worden seien.
Verantwortung übernommen
Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor unter Berufung auf vorliegende Berichte der Bundeswehr und ein Video des Luftangriffs aus einem der beteiligten Kampfflugzeuge berichtet, der damalige Verteidigungsminister Jung habe bereits viel früher über mögliche zivile Opfer informiert sein müssen als bislang bekannt.
Schneiderhan und Wichert hätten die Verantwortung übernommen. Die Opposition verlangte auch Konsequenzen vom heutigen Arbeitsminister Jung, der bis zum vergangenen Monat für die Bundeswehr zuständig war. Guttenberg sagte, er selbst habe einen von der "Bild"-Zeitung zitierten Bericht erst am Mittwoch das erste Mal gesehen. Ebenso seien weitere Berichte und Meldungen in der letzten Legislaturperiode nicht vorgelegt worden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte nach Angaben aus seinem Umfeld mit "völligem Unverständnis" auf die Informationspannen.
"Wir müssen den Afghanistan-Einsatz vom Ende her denken"
Beide Minister warben vor dem Bundestag um eine möglichst geschlossene Unterstützung für den Afghanistan-Einsatz. Zugleich mahnten sie eine "Abzugsperspektive" an. "Wir müssen den Afghanistan-Einsatz vom Ende her denken", sagte Guttenberg. "Wir müssen noch deutlicher festlegen, wie und unter welchen Umständen wir diesen Einsatz auch beenden können." Westerwelle sagte ebenfalls: "Niemand will diesen Einsatz bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag."
Der jetzige Arbeitsminister Jung wies die Vorwürfe zurück, möglicherweise Informationen über zivile Opfer bei dem Luftangriff zurückgehalten zu haben. In Berlin erklärte Jung am Donnerstag, es sei eine Tatsache, "dass ich von Anfang an und auch beispielsweise am 6. September klar gesagt habe, dass wir zivile Opfer nicht ausschließen können".
Derzeit sind in Afghanistan etwa 4500 Bundeswehr-Soldaten im Einsatz. Bislang kamen dort 36 deutsche Soldaten ums Leben. Mehr als 120 Soldaten wurden verletzt.
dpa/AP
Video: Schneiderhahn und Wichert treten zurück