Gabriel sieht wenig Chancen für Renten-Konsens
Berlin - SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht wegen der Uneinigkeit in der Union und inhaltlicher Differenzen derzeit keine Basis für einen Renten-Konsens.
"Es kann keine Solidarrente ohne Mindestlohn geben", sagte Gabriel in Berlin nach Beratungen des Parteivorstands über das neue Rentenkonzept der SPD. Dies sei der wesentliche Unterschied zum Konzept von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Es dürfe im Erwerbsleben nicht mehr zu so geringen Verdiensten kommen, dass mit Renteneintritt Altersarmut drohe.
Die SPD will eine Solidarrente von mindestens 850 Euro für langjährig Beschäftigte, die mit Steuermitteln aufgestockt wird, falls der Betrag sonst nicht erreicht wird. "Der Vorschlag von Frau von der Leyens ist allein schon deshalb eine mittlere Katastrophe, weil er davon ausgeht, dass der Anteil derjenigen, die trotz Arbeit arm bleiben, weiter ungebremst anwächst", kritisierte der SPD-Chef.
Die Ministerin verstehe offenbar nicht, dass es Altersarmut nur wegen einer Erwerbsarmut gebe. Wer die Erwerbsarmut nicht rechtzeitig bekämpfe, sorge dafür, dass die Kosten zur Bekämpfung der Altersarmut immer höher werden. Der Parteivorsitzende betonte, neben flächendeckenden Mindestlöhnen müsse es auch um faire Bedingungen bei Leih- und Zeitarbeit gehen. Die Union sei in dieser Frage derzeit nicht geschäftsfähig, weil unklar sei, wie die Parteilinie sei.
Von der Leyen hatte das SPD-Konzept gelobt und gemeinsame Gespräche angeboten. Sie will ebenfalls eine Rentenaufstockung, um Altersarmut zu verhindern, allerdings will sie dies über die Beiträge der Rentenversicherten finanzieren und nicht über Steuermittel. Die FDP wirft von der Leyen vor, mit der Annäherung an die SPD einer großen Koalition den Weg bereiten zu wollen.
Weil das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 von 51 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns sinken soll, droht vielen Menschen in Deutschland Altersarmut. Von niemanden im Vorstand sei die Forderung aufgestellt worden, an der Rentenformel etwas zu ändern, sagte Gabriel. Dies sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, betonte er mit Blick darauf, dass die Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent noch zu SPD-Regierungszeiten auf den Weg gebracht worden war.
Der SPD-Vorstand soll das Konzept wahrscheinlich am 24. September absegnen, damit es ein kleiner Parteitag im November endgültig beschließen kann. Im vergangenen Jahr hatte sich der Bundesparteitag in dieser Frage nicht einigen können, daher war eine Kommission zur Lösung der Rentenfrage eingesetzt worden, die ein Hauptstreitthema ist. Die Parteilinke wollte eine Rückkehr zum Rentenniveau von 51 Prozent. Gabriel beziffert die Kosten durch Steuerzuschüsse für die Solidarrente auf bis zu 6,5 Milliarden Euro jährlich.