Die Trittbrettspieler- Politiker und Fussball

Die Umfragen sind schlecht, jetzt hofft die CSU auf Euphorie durch die EM. Politik-Professor Peter Löscher widerspricht: "Man wählt nicht CSU, weil Basti Schweinsteiger das entscheidende Tor bei der EM schießt oder weil der FC Bayern CSU-Sympathisant ist.“
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Die Umfragen sind schlecht, jetzt hofft die CSU auf Euphorie durch die EM. Politik-Professor Peter Löscher widerspricht: "Man wählt nicht CSU, weil Basti Schweinsteiger das entscheidende Tor bei der EM schießt oder weil der FC Bayern CSU-Sympathisant ist.“

MÜNCHEN Aus eigener Kraft will es nicht so recht klappen – jetzt soll König Fußball die Alleinherrschaft der CSU in Bayern retten. Die Regierungspartei hofft auf Schweini, Poldi & Co. Die Nationalspieler des FC Bayern sollen die deutsche Elf zum Europameister und die bayerische Regierungspartei aus ihrem Tief schießen. „Wenn sie bei der EM gut spielen, braucht sich die CSU weniger Sorgen machen", da ist sich Bayerns Staatskanzleiminister Eberhard Sinne sicher. „Dann gibt's eine gute Stimmung. Wahlen werden durch Emotionen entschieden. Und wenn der Stolz im Sport noch dazu kommt, wird's auch für die CSU laufen.“

Fußball und Politik. Die roten Kicker-Stars als Gradmesser für die Schwarzen? Das würde perfekt ins Konzept der schwächelnden Staatsregierung passen. Denn die Bayern stellen mit Sebastian Schweinsteiger, Lukas Podolski, Philipp Lahm, Miroslav Klose und Marcell Jansen fast die halbe Nationalelf.

Huber sonnt sich im Glanz der Bayern

CSU-Chef Erwin Huber ist schon auf den Geschmack gekommen. Bei der Meisterfeier sonnte er sich mit Ehefrau Helma im Glanze der Bayern-Stars. Im Gegensatz zu Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. „Wir zeigen den Bayern, dass wir ihren Erfolg schätzen. Was die Landeshauptstadt nicht erkennt, macht die Staatsregierung besser", jubelt er. Ob's hilft?

Eine „nahtlose Übereinstimmung zwischen Fußball und Politik“ hat jedenfalls der Soziologe Norbert Seitz ausgemacht. Denn nirgendwo sonst spiele die Psychologie eine derartige Rolle. Als Deutschland 1954 in Bern die WM gewann, stieg das Selbstbewusstsein der Deutschen. Sie waren wieder wer.

Die WM 1990 wurde das „Jahr der Deutschen". Kaiser Franz Beckenbauer holte den Titel in Rom. Kanzler Helmut Kohl schmiedete die Einheit. Acht Jahre später, bei der WM 1998 dann das Desaster: Deutschland zeigte erst Berti Vogts Rot, dann seinem Männerfreund Helmut Kohl.

Sommermärchen für Angela Merkel

Bei der WM 2002 wurde Fußball von der Politik instrumentalisiert, wie nie zuvor. Der abgeschriebene Kanzler Gerhard Schröder überraschte im letzten Moment. So wie Rudi Völlers Elf. Die Deutschen wurden Vize-Weltmeister. Schröder blieb Kanzler. Mit dem Sommermärchen der WM 2006 begann auch für Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Höhenflug.

Für Politik-Professor Peter Lösche sind das allerdings nur Zufälle: „Die Wähler wählen nach ganz vernünftigen rationalen Kriterien. Da spielt es keine Rolle, ob die deutsche Elf gleich ausscheidet oder es ins Endspiel schafft. Man wählt nicht CSU, weil Basti Schweinsteiger das entscheidende Tor bei der EM schießt oder weil der FC Bayern CSU-Sympathisant ist.“

Doppelpässe-Fußball und Politik

Auch der Soziologe Norbert Seitz, der sogar Ähnlichkeiten zwischen den jeweils amtierenden Bundeskanzlern und Bundestrainern in seinem Buch „Doppelpässe-Fußball und Politik“ herausgefunden hat, will der CSU keine Hoffnung machen. Im Gegenteil: „Ich glaube nicht, dass die CSU im Schlepptau des FC Bayern was reißen kann. Uli Hoeneß hat über den Tellerrand hinausgeschaut und sich Stars wie Luca Toni und Franc Ribéry geholt. Die CSU hat Huber und Beckstein. Und der Franke Beckstein ist Absteiger mit seinem FC Nürnberg. Auch die Nationalelf wird bei der WM nicht weit kommen.“

Und dann gibt es natürlich auch beim FC Bayern, dessen Verwaltungsbeiratsvorsitzender Ex-CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber ist, einen interessanten Politikwechsel: Am 1.Juli tritt Jürgen Klinsmann sein Amt als Trainer an. Der hat aus seiner Sympathie zur SPD noch nie einen Hehl gemacht. 2002 kämpfte er an Gerhard Schröders Seite gegen Edmund Stoiber mit bundesweiten Anzeigen: „In der zweiten Halbzeit muss es auf vielen Positionen andere Spieler geben: Eine zweite Amtszeit Schröders bietet die Chance auf weiteren Wandel.“ Ganz zum Erfolg geführt hat's nicht. Schröder bekam noch während seiner zweiten Halbzeit einen Platzverweis. An einen solchen aber will die CSU einfach nicht glauben.

Angela Böhm

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