Die Seehofers: Horst setzt im Wahlkampf auf Karin
München - Manchmal, da wird Horst Seehofer richtig eifersüchtig auf seine Ehefrau. Dann pfeift er Karin zu sich: „Jetzt geh’ ma!” Die aber reagiert nicht und genießt, dass sie bei den Menschen besser ankommt als er. So schüchtern, so zurückhaltend, so natürlich, so menschlich wie die Ingolstädterin war noch keine bayerische First Lady. Das will Seehofer jetzt für den Wahlkampf ausnutzen – und Karin voll einspannen, damit er still und leise in einem Kuschelwahlkampf zur Alleinherrschaft in Bayern schleichen kann. „Die Seehofers” gemeinsam auf Wählerfang – in der Parteizentrale laufen bereits Vorbereitungen für ein gemeinsames Wahlplakat. Macht verbindet.
Vorbild sind Karin und Edmund Stoiber, die 2002 umschlungen als „Die Stoibers” in den Bundestagswahlkampf zogen. Der unbeliebte Edmund hatte sich mit Karin beliebt gemacht. Zu zweit an die Macht: so wie die Clintons und die Obamas. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat sich das in Florida bei der Krönung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney genau angeschaut, als dessen Frau Ann für ihren Mann warb, damit Amerikas Frauen ihr Kreuz bei ihm machen. „Das war einer der bewegendsten Momente”, ist er noch immer gerührt.
So weit allerdings will die CSU nicht gehen. Karin Seehofer soll keine Rede für ihren Horst halten. Ihm reicht’s, wenn sie nicht von seiner Seite weicht. Ein Glaubwürdigkeitsproblem zum Vorzeigepaar Stoiber, das immer damit kokettierte, dass es nur einmal und so glücklich verheiratet sei, sehen die Wahlkampfstrategen nicht. „Damit sind die Leute doch längst versöhnt”, winkt einer ab.
Mit seinem Privatleben ist Seehofer im Reinen: Seine erste Ehe hat er verdrängt, sein Doppelleben mit Freundin und Kind in Berlin aus der Erinnerung gestrichen. Von Papst Benedikt XVI. ließ er sich die Kommunion reichen, als wäre nie etwas gewesen. Als seine Heimatzeitung, der „Donaukurier” in Ingolstadt, das Kommunion-Verbot für Wiederverheiratete auf einer ganzen Seite thematisierte, bestellte Seehofer ihn wutentbrannt ab. „Wegen der Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte”, sagt er zu Parteifreunden. Kritischen Journalisten redet er ins Gewissen: „Auch für einen Ministerpräsidenten gelten Menschenrechte.”
Wenn’s um ihn selbst geht, ist der Mann, der in Berlin so gern den Krawallo macht, verletzlich. Seehofer sucht nach Harmonie und Liebe. Es kränkt ihn, dass seine Partei ihn nur aushält, ihn duldet, weil kein anderer da ist. Karl-Theodor zu Guttenberg, der ihm als einziger gefährlich werden konnte, hat sich aus der Politik katapultiert. Seine Kronprinzen-Riege hat er dort, wo er sie haben will: im Grabenkampf.
„Seehofer ist der einsame Star am schwarzen Firmament”, sagt einer seiner Getreuen. Das aber reicht ihm nicht. Mit aller Macht will er geliebt werden. Von seiner Partei. Und von den Bayern. „Die mögen ihn immer noch nicht so recht, haben sich aber an ihn gewöhnt”, analysiert ein CSU-Stratege. Gerissen greift Seehofer da zu jedem Trick, als wäre er der Dramaturg eines weiß-blauen Theaters. Seine Spezialität: Hat er mal eine Entscheidung getroffen, muss sie spannend auffrisiert werden. So auch seine Kandidatur als Ministerpräsident. „Die ist zwar klar wie Kloßbrühe”, heißt es bei den Christsozialen. Aber Seehofer will Nervenkitzel und seine Parteifreunde über die Ferien zappeln lassen. Doch kein Kreisverband rang sich zu einer Resolution durch: „Bitte, bitte Horst, mach’s!” Auch die landesweiten Bittprozessionen und Rufe nach Schamhaupten, seinem Feriensitz, blieben aus.
Seehofer aber zieht seine Verkündungs-Zeremonie durch und lechzt nach Bestätigung und Applaus. Kurzfristig hat er für Samstag alle CSU-Kreisvorsitzenden nach Ingolstadt geladen: die Basis als Auftakt für seine frohe Botschaft. Im Schatten der 14 Heiligen in Kloster Banz, wo die CSU-Fraktion am Montag zum Auftakt des Wahljahres in Klausur geht, will er sie dann den Abgeordneten mitteilen.
Generalsekretär Alexander Dobrindt wird danach die Wahlstrategie ausgeben und dafür sorgen, dass bloß keiner von „50plusX” spricht. Der alte CSU-Slogan ist tabu. Umfragen haben ergeben, dass die Wähler keine Alleinherrschaft mehr wollen. So hält Seehofer sein wahres Ziel lieber unter der Decke und säuselt, er wolle auch weiterhin eine Koalition mit der FDP. „Schleimen um Zustimmung ist die Devise”, nennt das einer aus der CSU-Spitze.
So soll Bayern zur Kuschelecke werden, in der sich keine Wechselstimmung breit machen kann. Die Rollen hat er klar verteilt: Er, der Landesvater, der sich daheim um alles kümmert und in Berlin auf den Tisch haut. Dobrindt und Söder als Stimmungshunde, die gegen den Euro kläffen und nachbellen, was Konkurrent Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, in seinem Anti-Europa Wahlkampf propagiert, damit es die CSU auch gesagt hat.
Seehofer selbst wird sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich entschlossen hat, Griechenland zu retten, nicht anlegen. Dazu ist er zu schlau. Gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel würde er nicht gewinnen. Lieber wälzt er den Länderfinanzausgleich aus, dass Bayern nicht mehr den Rest der Republik finanziert und seine Schulden bis 2030 tilgt. Das kommt bei der Bevölkerung gut an, haben CSU-Umfragen ergeben.
Dazu braucht’s ein paar Sündenböcke, um vom eigenen Versagen abzulenken. Bei der Energiewende wird alles auf Berlin geschoben. Beim Euro auf Brüssel. „Das wird eine Politik auf Bild-Zeitungsniveau”, fürchten schon manche in der CSU und warnen: „So blöd sind die Leute nicht.”
Seehofer kennt seine Schwachstellen. Vor dem Kabinett hat er Schulminister Ludwig Spaenle zusammengestaucht: „Nächstes Jahr will ich zum Schulanfang Ruhe.” Wenn am 15.September 2013 gewählt wird, sind die Ferien gerade drei Tage zu Ende.
Sein neuralgischster Punkt aber sind die Frauen. Vor allem sie haben 2008 der CSU den Rücken gekehrt. Höchstpersönlich wollte er sich um das schwache Geschlecht kümmern. 2011 hat er zum Jahr der Frau ausgerufen. Passiert ist nichts. Im nächsten Landtag wird der CSU-Frauenanteil sogar schrumpfen.
Karin soll das alles wett machen. Als First Lady ist sie pflegeleicht, braucht keinen Hofstaat, hat kein Streben nach Perfektion, aber Spaß und Genugtuung an ihrer neuen Rolle – und macht alles mit. „Sie hatte noch nie ein angenehmeres Leben als jetzt, vorher war sie unbedeutend und unbeachtet”, heißt es in ihrer Umgebung. Den Wahlkampf werde sie perfekt meistern.
Auch wenn sie sich nach der schweren Zeit nichts mehr von ihrem Ehemann sagen lässt, kein Blatt vor den Mund nimmt und voller Ironie ist. Und Seehofer? Der fühlt sich wie der „Messias”. Der Satz soll von Karin stammen. So jedenfalls erzählt man sich’s in Ingolstadt, in seiner CSU.