Alle Jahre wieder: Die Bundeswehr-Debatte
Beim Thema Innere Sicherheit rufen Innen- und Sicherheitspolitiker mit schöner Regelmäßigkeit nach Verfassungsänderungen. Sie wollen die Befugnisse der Bundeswehr erweitern und dafür die Verfassung ändern. Das stößt auf meistens auf massive Kritik.
BERLIN Das Thema ist ein politischer Dauerbrenner: Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat mal wieder eine Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr gefordert. Den Soldaten sollen Geiselbefreiungen im Ausland ermöglicht werden. Hintergrund waren fehlgeschlagene Befreiungsversuche der entführten "Hansa Stavanger".
Trotz massiver Kritik verteidigte Jung am Montag seinen Vorstoß: "Es geht mir nur darum, den Schutz der Bürger zu verbessern", sagte Jung. Doch – ist dazu wirklich die Bundeswehr nötig? Wozu gibt’s dann eine Polizei? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was sind die Aufgaben der Bundeswehr? Laut dem vom Verteidigungsministerium herausgegebenen "Weißbuch Bundeswehr" soll die Armee die außenpolitische Handlungsfähigkeit sichern, Deutschland verteidigen, den Verbündeten helfen und die internationale Zusammenarbeit fördern. Im Inland darf die Bundeswehr nur im Rahmen der Amtshilfe tätig werden – wenn der Polizei in einem konkreten Fall die Mittel fehlen.
Darf die Bundeswehr im Ausland Geiseln befreien? Im vorliegenden Fall: Ja! Das Anti-Piraten-Mandat der EU, das so genannte "Atalanta"-Mandat, lässt Geiselbefreiungen mit Waffengewalt eindeutig zu. Außerdem verfügt die Bundeswehr bereits über eine auf Terrorismusbekämpfung und Geiselbefreiung spezialisierte Truppe, das "Kommando Spezialkräfte" (KSK). Kritiker aus FDP, SPD und Grünen werfen Jung deshalb vor, er führe eine "Scheindiskussion". "Das KSK wäre für solche Einsätze geeignet", sagt FDP-Vizefraktionschefin Birgit Homburger. "Wenn es denn auch entsprechend trainiert und ausgestattet würde." Im vorliegenden Fall hätte die Bundeswehr die KSK-Truppe zum Beispiel erst aufwändig mit Spezial-Hubschraubern einfliegen lassen müssen.
Was ist mit Anti-Terror-Maßnahmen im Inland? Dafür ist die Polizeispezialtruppe GSG 9 zuständig, sie gehört zur Bundespolizei. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt aber: Nicht immer reichen die Mittel der Polizei aus. "Wir haben keine Polizisten, die zum Beispiel Raketenangriffe auf Flugzeuge abwehren können."
Warum ist ein Bundeswehr-Einsatz im Inneren ein so großes Tabu? Die im Grundgesetz festgelegte Trennung zwischen Polizei- und Bundeswehr-Aufgaben resultiert aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus: Eine Vermischung von Polizei und Militär soll es nie wieder geben. Viele Experten warnen davor, zu viel am Grundgesetz herumzudoktern. Auch das Bundesverfassungsgericht reagiert hier empfindlich: Alle bisherigen Vorstöße, das Grundgesetz in diesem Punkt zu ändern, wurden abgeschmettert.
A. Zoch