"Viel Show und nix dahinter!": So geht der U-Ausschuss zur Zweiten Stammstrecke zu Ende

München - Sie soll sieben Milliarden, 8,5 Milliarden oder gar 14 Milliarden Euro kosten: die zweite Röhre durch die Münchner Innenstadt. Es wird einem ganz schwindelig bei so viel Geld. Das spielte zwar im Untersuchungsausschuss Stammstrecke im Bayerischen Landtag auch eine Rolle, war aber letztlich nur nebensächlich, ebenso wie die Verzögerung von 2026 auf mindestens 2037.
Der Opposition ging es primär darum, der Staatsregierung und anderen politischen Entscheidungsträgern ein mögliches Fehlverhalten nachzuweisen. Es gab nämlich schon 2019 Hinweise, die sich im Frühjahr 2020 verdichteten. Informiert wurde die Öffentlichkeit jedoch erst am 30. Juni 2022, obwohl die Staatsregierung zu diesem Zeitpunkt schon längst mehr als genug Informationen hatte – so sieht das zumindest die Opposition.
Zweite Stammstrecke: Letzte Sitzung des Untersuchungsausschuss
Die Grünen sprachen bereits am Freitag von bewusster Vertuschung durch die Staatsregierung. Wie Akten aus der Staatskanzlei nahelegen, ganz bewusst als taktisches Manöver im Wahlkampf für den Bundestag, als Söder noch aufs Kanzleramt gehofft hatte.
Am Dienstag kam der Untersuchungsausschuss nun letztmalig zur Abschlusssitzung zusammen. Aus Sicht der Regierungsparteien Freie Wähler und CSU war dieser von Anfang an lediglich ein Wahlkampfmanöver von SPD, Grünen und FDP.
Insofern ist es auch nicht überraschend, dass man sich bei der Bewertung nicht einig wurde. Daher werden sowohl die Grünen als auch die AfD und auch die SPD gemeinsam mit der FDP jeweils Minderheitenberichte vorlegten.
Der Ausschuss-Vorsitzende Bernhard Pohl (FW) lobte die "konstruktive Arbeit" im Ausschuss. Man habe die "häufig üblichen Rollenspiele von Regierung und Opposition zugunsten gemeinsamer Sacharbeit unterlassen".
CSU macht Bahn für Debakel bei Zweiter Stammstrecke verantwortlich
"Für uns ist klar: Die Staatsregierung ist durch den Untersuchungsausschuss eindeutig und vollständig entlastet worden", sagt Pohls Stellvertreter Jürgen Baumgärtner (CSU). Und das, obwohl Baumgärtner einer der wenigen ist, der seinen Parteichef auch öffentlich scharf kritisiert und gelinde gesagt nicht als Söder-Freund gilt.
Für Pohl wie auch Baumgärtner ist in erster Linie die Bahn die Schuldige. "Ich frage mich: Wofür werden die bezahlt?", sagte Pohl im Hinblick auf die Aussagen der Bahnvorstände. Es sei aber eben auch ein Versäumnis gewesen, dass der Vertrag mit der Bahn keinerlei Auskunftsrechte oder Sanktionsmechanismen vorgesehen habe. Zwei Kritikpunkte haben Pohl und Baumgärtner dann doch: nämlich dass die Staatsregierung bei der Bahn härter hätte nachfassen müssen. "Kein Fehlverhalten, eine Einschätzungssache" sei das aber laut Pohl. Und: "Wir sind der Meinung, dass der Bayerische Landtag als Haushaltsgeber stärker einzubeziehen ist." Aber: Die Abgeordneten hätten auch stärker nachfragen können.
Starke Kritik am Ausschuss von der SPD
Zu einem weniger milden Urteil kommt Inge Aures von der SPD. Sie bezieht sich auf Söders Vorgänger Horst Seehofer. Mit dessen Worten sei Söder "schon überführt", denn die Stammstrecke müsse Chefsache sein und man dürfe sich nicht mit Ausreden durchlavieren. "Viel Show und nix dahinter!", resümiert Aures.
Für sie ist erwiesen, dass man sich aus politischen Motiven weggeduckt habe. Die frühere Staatsministerin Kerstin Schreyer nimmt sie als Bauernopfer wahr. "Er hätte den Landtag informieren müssen!", wirft Aures Söder vor. Und: Wäre er aktiv geworden, hätte man das Desaster mindestens abschwächen können.
Alles andere als gut kommt bei Aures auch der frühere Bundesminister Andreas Scheuer (CSU) weg, der aus ihrer Sicht mit Untätigkeit und Frechheit glänze: "Andreas Scheuer hat anscheinend überhaupt kein Schamgefühl!"
Zweite Stammstrecke bringt künftige Infrastrukturprojekte in Gefahr
Wie Aures ist auch ihrem FDP-Kollegen Sebastian Körber (FDP) angst und bang im Hinblick auf künftige Infrastrukturprojekte in Bayern. "Im Jahr 2016 hat die Staatsregierung mit der Sicherung der Gesamtfinanzierung einen jährlichen Finanzierungsanteil von 42 Millionen Euro für den Freistaat vorgesehen", sagte Körber. Nun werden die Kosten immer höher, das Geld fehle dann an anderer Stelle im ländlichen Raum – es gebe aber kein Konzept, wie die Mehrkosten in Höhe von 158 Millionen Euro pro Jahr gestemmt werden sollen.
"Es ist natürlich reiner Zufall, dass im Jahr der Landtagswahl zusätzliche Mittel bereitgestellt worden sind", sagt Körber süffisant. Für die Folgejahre gebe es noch keine Planung. "Mir schwant da Böses für unsere Reaktivierungsmaßnahmen und Taktverdichtungen."