TikTok Shop eröffnet in München: Davor warnt ein Experte
München - Das Augsburger "Institut für Generationenforschung" warnt vor dem "Tiktok Shop", der in diesen Tagen in Deutschland startet. Die Erweiterung der "Tiktok"-Plattform um direkte Kaufoptionen erhöhe die Gefahr von "Überkonsum" und Überschuldung junger Menschen, sagte Zukunftsforscher Hartwin Maas am Montag in Augsburg. Zahlen aus den USA, wo der "Tiktok Shop" seit 2023 online ist, belegten dies deutlich. Vergangene Woche hatte Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) die Eröffnung der deutschen Niederlassung des "Tiktok Shops" in München ausdrücklich begrüßt (AZ berichtete).
50 Mitarbeiter sollen in der bayerischen Landeshauptstadt das Deutschland-Geschäft aufbauen. Mit "Tiktok" erhalte der "nächste globale Tech-Gigant ein Bayern-Gen", zeigte sich der Minister begeistert: "Servus in München, Tiktok – und herzlich willkommen im Team Bayern."
TikTok Shop eröffnet in München: Warnung vor großer Schuldenfalle
Der "Tiktok Shop" biete zunächst grenzenlose Shopping-Möglichkeiten, erläuterte Forscher Maas: "Ein einfacher Klick, und schon ist der Kauf abgeschlossen – schneller als je zuvor. Die schlechte Nachricht: Die Rechnung kommt am Monatsende." Durch die raffinierte Ergänzung des E-Commerce werde eine große "Schuldenfalle" insbesondere für junge Leute eröffnet.
Der "Tiktok Shop" macht das Kaufen so einfach wie noch nie. Produkte werden auf der Plattform nicht nur gezeigt und angepriesen, sie können direkt innerhalb der App gekauft werden, "ohne Medienbruch", wie Maas es nennt. Jederzeit und überall kann so über das Smartphone geshoppt werden. In den USA habe die Kombination von Social Media und E-Commerce "wie eine Bombe" eingeschlagen. 47 Prozent der US-Generation Z (Geburtsjahre von 1995 bis 2009) hätten schon direkt beim "Tiktok Shop" gekauft. Durchschnittswert des Kaufs: 55 US-Dollar.
23 Prozent haben ihre Entscheidung bereut
58 Prozent dieser Generation haben nach einer Umfrage vom Februar von der verschuldungstreibenden Möglichkeit des "Buy now, pay later" (Kaufe jetzt, zahle später) Gebrauch gemacht. 23 Prozent der amerikanischen "Tiktok"-Käufer haben ihren Erwerb schon einmal bedauert, 17 Prozent wegen schlechter Qualität der gelieferten Artikel.

Bei der Vermarktung von Waren über die "Tiktok"-Plattform würden alle Register der Verkaufspsychologie gezogen, berichtete Zukunftsforscher Maas. Dazu gehört zum Beispiel die angebliche Verknappung des angebotenen Artikels. Dadurch wird ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugt, das den Kunden dazu bringt, schnell zu handeln.
Druck durch Influencer
Produkte werden durch virale Trends und Influencer emotional aufgeladen, so dass dem Nutzer vermittelt wird, etwas Wesentliches zu verpassen, wenn er nicht sofort zuschlägt. Anders als bei herkömmlichen Influencer-Methoden kann er gleich auf den Kauf-Knopf drücken und muss sich nicht erst zu einer anderen Plattform bewegen, wobei ihm möglicherweise bewusst werden könnte, dass er den Artikel gar nicht benötigt.
Die Freude am Kauf hält meistens nicht lange an. Das ständige Vergleichen, gerade auf Social Media, treibe den Materialismus in die Höhe, "was letztlich stresst und unglücklich macht", sagt Maas. Im passiven Konsum auf Social Media verstärke sich der Drang, sich mit anderen zu messen und immer mehr haben zu wollen, um ein Vielfaches.
"Völlig neue Dimension des Kaufverhaltens und der Überschuldung"
Die Aktivitäten der "Tiktok"-Strategen zielen nach Ansicht Maas' vor allem auf die kommende Konsumentengeneration "Alpha" (Geburtsjahre ab 2009), die sich im Konsumverhalten stark an "Z" orientiere. "Wir werden eine völlig neue Dimension des Kaufverhaltens und der Überschuldung, speziell bei der Generation Alpha, erleben", warnte Maas: "Ich bin mir sicher, dass dies das Kaufverhalten der Generation Alpha extrem beeinflussen wird."
Der stationäre Handel werde sich dadurch ebenfalls verändern. Auch er werde den "Tiktok Shop" nutzen müssen. Normalerweise setzt der Konsum auch über den "Tiktok Shop" den Besitz einer Kreditkarte voraus, über die Unter-18-Jährige nicht verfügen. Ungefährdet sind Kinder und Jugendliche unterhalb dieser Altersschwelle laut Maas aber nicht. Erfahrungen zeigten, dass Angehörige dieser Altersgruppe sehr findig darin seien, sich Wege zum Konsum zu erschließen.
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