So leben Flüchtlinge künftig bei München
Neubiberg - Ein wenig sieht es so aus, als stünde in Neubiberg bei München nun die Allianz Arena im Kleinformat. Doch unter der gewölbten, weißen Plastikkuppel mit Wabenmuster spielen keine FC-Bayern-Profis. In der Traglufthalle auf der Landebahn des ehemaligen Militärflughafens im Südosten von München, unweit der Bundeswehr-Universität, werden am Montag oder Dienstag Flüchtlinge erwartet.
Bis zu 300 Menschen können im Landschaftspark in Neubiberg unterkommen, ähnlich wie im nahen Taufkirchen, wo vor mehr als drei Wochen eine solche Halle aufgestellt wurde. In Berlin gibt es das schon länger. Insgesamt soll es allein im Landkreis München sieben dieser Notunterkünfte geben, jeweils befristet auf ein Jahr.
Ständiger Geräuschpegel
Doch wie fühlt es sich an, in einer Halle zu leben, in der andernorts Tennis oder Eishockey gespielt wird? Zumindest die Temperatur ist nun erträglich. Seit in Taufkirchen Hitzealarm mit mehr als 40 Grad ausgelöst wurde, sorgen dort zusätzliche Geräte für ein besseres Klima. Ansonsten ist der erste Eindruck nach dem Passieren der Schleuse mit Doppeltür freundlich, großzügig - und laut. Generatoren brummen, in der Luft liegt ein diffuses Rauschen und verbindet sich mit den Stimmen vieler Menschen zu einer steten Geräuschkulisse, vor der es kein Entrinnen gibt.
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In einer Ecke sind helle Biergarnituren aufgebaut. Hier werden die Flüchtlinge mit Essen versorgt, das ein Caterer anliefert. Gekocht werden darf in der Traglufthalle nicht, zu groß wäre die Brandgefahr. Einige Männer schrauben noch an Regalen für den Kinderbereich. Ein riesiger, bunter Spielteppich mit aufgemalten Straßen und Häusern liegt bereits in einer Ecke. Auch Stühlchen und Tische stehen für die Jüngsten bereit. Es gibt Sofas, Zimmerpalmen, viele quadratische Tischchen mit blauen Stühlen, zwei lange Reihen mit Waschmaschinen und ein buntes Schild in mehreren Sprachen: "Herzlich Willkommen".
Ein Vorhang als einziger Schutz der Privatsphäre
Weiter hinten der Wohnbereich. Aufgeklebte Blumen und Vögel in den Gängen lockern die Container-Atmosphäre etwas auf. In kleinen Gängen rechts und links liegen die Schlaf- und Sanitärräume. Neugierig sieht sich Sandra Ehmann hier um. Die Neubibergerin lebt mit ihrer Familie im Wohngebiet oberhalb der Traglufthalle. Etwas zweifelnd blickt sie in eine der Kabinen, in denen künftig bis zu sechs Menschen schlafen sollen. Schon ohne Bewohner ist es eng: Sechs Bettgestelle, immer zwei übereinander gestapelt.
Dazu schmale graue Metallspinde, ein kleiner Tisch und zwei Stühle. An der Wand hängt eine Leiste mit sechs Steckdosen - vor allem zum Aufladen der Handys, für viele Flüchtlinge die einzige Verbindung zur Heimat, zur Familie. Ein Vorhang schirmt zum Gang hin ab und schafft ein Stückchen Privatsphäre. Nach oben ist alles offen. Freier Blick auf die von Seilen unterstützte weiße Plastikkuppel, die im Wind immer wieder hin- und herschwankt.
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Sechs Personen in einem Kinderzimmer
"Die Zimmer unserer Kinder sind größer, da wohnt aber nur ein Kind drin und hier wohnen sechs Leute", stellt Ehmann fest. Doch besser als in einer Turnhalle sei es sicher. "Die sind wahrscheinlich froh, dass sie lebend hier angekommen sind. Wo sollen sie sonst hin?" Sie hofft auf neue Erfahrungen. "Wenn alles gut funktioniert und das ein Miteinander wird, kann das auch wertvoll für einen selbst sein, das kann uns allen neue Erfahrungen bringen", sagt Ehmann.
Positiv sieht auch Jasinska Wieser die Ankunft der Flüchtlinge. "Wir lernen zu schätzen, was wir alle haben. Was wir haben, ist Luxus, wir haben Frieden, wir müssen nicht weg", sagt sie. Das wünscht sie auch den Menschen, die um Asyl bitten. "Sie möchten einfach in Ruhe leben, in Ruhe schlafen, keine Angst mehr haben."
Sorgen und Fragen bei den Anwohnern
So wohlwollend sind nicht alle eingestellt. Vor allem die Nachbarn am Landschaftspark haben Ängste, so viele unbekannte, fremde Menschen direkt vor der eigenen Haustür zu haben. Sie fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet, zumal niemand genau sagen kann, wer hier bald einziehen wird. Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder?
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Yilmaz Demir, Mitinhaber eines Sicherheitsdienstleisters, kennt diese Unsicherheit schon aus Taufkirchen, wo seine Leute ebenfalls im Einsatz sind. Die Menschen dort seien zwar skeptisch, aber dennoch herzlich. Besonders gut funktioniere die Kontaktaufnahme über die Kinder. "Da findet eine rege Kommunikation zwischen der Bevölkerung und den Flüchtlingen statt", hat Demir beobachtet. "Man trifft sich in der Regel auf dem Spielplatz und auf der Wiese. Da sieht man dann, das Grenzen, die in den Köpfen da sind, ganz schnell verschwinden."
Auch der stellvertretende Landrat des Landkreises München, Ernst Weidenbusch (CSU), erzählt aus Taufkirchen vor allem Positives. "Wir haben im Landkreis eigentlich überall die Situation, dass wir sehr viel ehrenamtliche Helfer haben, teilweise mehr Helfer als Flüchtlinge", sagt er. Auch der Neubiberger Helferkreis Asyl hat viel vor: Begleitung zu Ärzten und Behörden, Spielenachmittage, Nachhilfe in Deutsch, Fußballspiele oder Kleiderspenden. "Die Helferkreise sind sehr wichtig", erklärt Achim Weiss von der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen, die in Neubiberg die Sozialbetreuung der Asylbewerber übernommen haben. "Wir würden das gar nicht schaffen."
Genaue Flüchtlingszahl unbekannt
Wie viele Menschen am Ende nach Neubiberg kommen werden, weiß keiner so genau. Anfang der Woche werden es etwa 90 sein, dann sollen nach und nach bis zu 250 in der Halle Platz finden. "Generell ist sie für 300 geeignet, aber wir sind bemüht, das nicht voll auszuschöpfen", sagt Weidenbusch. Langfristig will Neubiberg ohnehin dauerhafte Unterkünfte bauen. "Wir hoffen, dass in allernächster Zeit eine Entscheidung fällt, wo wir dann 150 Flüchtlinge in einer festen Anlage unterbringen können", sagt der Zweite Bürgermeister Volker Buck (SPD). "Bei Notfällen kann man ein bisschen unbürokratischer vorgehen, um Abhilfe zu schaffen."
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