Siko-Demos in München: Alle reden vom Frieden und meinen doch Unterschiedliches

Selten waren die Proteste am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz emotional so aufgeladen. Rechte wie Linke verwenden ähnliche Parolen und Symbole. Das Durcheinander ist kaum zu durchschauen.
Ralph Hub
Ralph Hub
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
12  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Ein Herz für die Ukraine zeigt diese Demonstrantin, die Farben Blau und Gelb dominieren am Samstag auf dem Odeonsplatz.
Petra Schramek 13 Ein Herz für die Ukraine zeigt diese Demonstrantin, die Farben Blau und Gelb dominieren am Samstag auf dem Odeonsplatz.
Ein junger Mann aus der Ukraine hält ein Transparent in der Menge hoch. Für ihn und seine Landsleute geht es ums pure Überleben.
Peter Kneffel/dpa 13 Ein junger Mann aus der Ukraine hält ein Transparent in der Menge hoch. Für ihn und seine Landsleute geht es ums pure Überleben.
Mit dem Mut der Verzweiflung stimmen diese drei Ukrainerinnen die Nationalhymne ihres Landes an.
rah 13 Mit dem Mut der Verzweiflung stimmen diese drei Ukrainerinnen die Nationalhymne ihres Landes an.
Sibylle P. und Holger B. zeigen sich solidarisch mit der Ukraine. Beide haben Freunde in dem angegriffenen Land und Angst um deren Leben.
rah 13 Sibylle P. und Holger B. zeigen sich solidarisch mit der Ukraine. Beide haben Freunde in dem angegriffenen Land und Angst um deren Leben.
Klare Botschaft: Mussolini, Hitler und Putin in einer Reihe.
rah 13 Klare Botschaft: Mussolini, Hitler und Putin in einer Reihe.
Einen gehäkelten Panzer auf dem Kopf und einen Friedens-Teppich in der Hand: Ein Münchner Ehepaar, das seit vielen Jahren an den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz teilnimmt.
Petra Schramek 13 Einen gehäkelten Panzer auf dem Kopf und einen Friedens-Teppich in der Hand: Ein Münchner Ehepaar, das seit vielen Jahren an den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz teilnimmt.
Polizisten führen bei der Schlusskundgebung des linken Friedensbündnisses am Marienplatz einen Demonstranten ab.
Petra Schramek 13 Polizisten führen bei der Schlusskundgebung des linken Friedensbündnisses am Marienplatz einen Demonstranten ab.
Rund 10 000 Menschen kommen zur Kundgebung der Querdenker auf dem Königsplatz, um für Frieden zu demonstrieren.
Petra Schramek 13 Rund 10 000 Menschen kommen zur Kundgebung der Querdenker auf dem Königsplatz, um für Frieden zu demonstrieren.
"Ami go home" und "Fuck Biden" - Parolen bei der AfD am Alten Botanischen Garten, die so oder ähnlich auch bei den Linken zu sehen waren.
Petra Schramek 13 "Ami go home" und "Fuck Biden" - Parolen bei der AfD am Alten Botanischen Garten, die so oder ähnlich auch bei den Linken zu sehen waren.
Mit einem Trommelmarsch schließen sich Anhänger der AfD der Querdenkerveranstaltung auf dem Königsplatz an.
rah 13 Mit einem Trommelmarsch schließen sich Anhänger der AfD der Querdenkerveranstaltung auf dem Königsplatz an.
Bei den Querdenkern sympathisiert mancher ganz offen mit Russland und dem Kreml. Für sie ist nicht Putin das Problem, sondern die Unterstützung aus dem Westen.
rah 13 Bei den Querdenkern sympathisiert mancher ganz offen mit Russland und dem Kreml. Für sie ist nicht Putin das Problem, sondern die Unterstützung aus dem Westen.
Friedenstaube bei der AfD-Demo am Alten Botanischen Garten.
Petra Schramek 13 Friedenstaube bei der AfD-Demo am Alten Botanischen Garten.
Friedenstauben auch bei der linken Demo am Marienplatz.
Petra Schramek 13 Friedenstauben auch bei der linken Demo am Marienplatz.

München - Mitten in der Menge stehen drei Ukrainerinnen. Beinahe trotzig stimmen sie die Nationalhymne ihres Landes an. Sie halten Schilder in den Händen. "Schwere Waffen für die Ukraine" steht auf einem, "Harte Sanktionen gegen Russland" auf dem anderen, und "Russland ist ein Terror-Staat" auf dem dritten. Die beherrschenden Farben am Samstag auf dem Odeonsplatz sind Gelb und Blau, überall wehen ukrainische Flaggen im recht böigen Wind.

Pro-Ukraine Kundgebung am Odeonsplatz

Sibylle P. hat sich bewusst für die Pro-Ukraine-Kundgebung entschieden: "Putin wird erst zum Frieden bereit sein, wenn er erkennt, dass er den Krieg nicht gewinnen kann", sagt die Münchnerin, die zusammen mit einer ukrainischen Freundin zur Demo gekommen ist. "Waffenlieferungen sind leider notwendig", sagt sie, "davon bin ich fest überzeugt."

Holger B. aus Hessen hält ein Plakat mit einem Leoparden in der Hand. Auch er ist für Panzerlieferungen: "Ich bin nicht für Krieg", sagt er, "aber das Land muss sich verteidigen und dabei sollte der Westen helfen."

Auf die Frage, warum sie am Odeonsplatz stehen und nicht ein paar Hundert Meter weiter am Königsplatz – dort demonstrieren zur selben Zeit nach Polizeiangaben rund 10.000 Menschen, fällt die Antwort bei beiden knapp aus: "Die machen sich dort die Realität nicht klar, die Menschen in der Ukraine sind die Opfer eines Angriffskriegs."

Linke, Rechte, Braune: Die Lager verschwimmen

Vor die Feldherrnhalle sind etwa 1.000 Menschen gekommen. In Sprechchören rufen die Ukrainerinnen und Ukrainer: "Danke Deutschland für die Hilfe" und "Wir wollen leben". "Stoppt den Genozid".

Als die Demonstration des linken Münchner Friedensbündnisses am Odeonsplatz in die Residenzstraße einbiegt, dröhnen altbekannte Parolen aus den Lautsprechern der Siko-Gegner: "Stoppt die Nato" und "deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt".

Die bis dahin friedliche Stimmung unter den Ukraine-Unterstützern kippt augenblicklich: "Lumpen-Pazifisten", schreien manche und "geht doch zu Putin". Dazu kommt aus Lautsprechern: "Danke Deutschland für die Hilfe". Einige Ukrainerinnen brechen in Tränen aus, als sie die Plakate der Rüstungsgegner sehen: "Verhandeln statt Schießen" steht darauf. Viele Geflüchtete aus der Ukraine empfinden solche Parolen angesichts des Leids in ihrem Land als puren Zynismus.

Anton Hofreiter: "Putin muss verstehen, dass er den Krieg nicht gewinnen kann"

Die Anti-Siko-Demonstranten (etwa 2.400) ziehen zum Marienplatz. Zu Übergriffen kommt es nicht. Die Polizei steht mit einem Sperrriegel zwischen beiden Lagern.

Wenig später betreten Anton Hofreiter (Grüne) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) die Bühne am Odeonsplatz. Hofreiter ruft: "Bei der Diskussion um jeden einzelnen Panzer brauchen wir eure Unterstützung." Nur wenn so viele Waffen wie möglich in die Ukraine kämen, werde Putin verstehen, dass er den Krieg verlieren werde.

Der Jubel auf dem Platz wird noch lauter, als Hofreiter sagt: "Wie kommen Leute nur auf die Idee, dass der Aggressor plötzlich verhandeln möchte?"

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: "Der Weltfrieden wurde aus den Angeln gehoben"

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, von Anti-Siko-Demonstranten kurz zuvor noch als "Mensch gewordene Rüstungsaktie" beschimpft, stimmt in die "Slavi Ukraini"-Rufe ein und sagt: "Der Weltfrieden wurde aus den Angeln gehoben. Das ist eine europäische, eine Weltkatastrophe."

Der Frieden wird auch immer wieder lautstark auf dem Königsplatz beschworen. Dutzende Fahnen mit der Friedenstaube flattern im Wind, dazu Pace-Fahnen. Dazwischen wehen aber auch russische Fahnen. Diether Dehm, Komponist und Politiker der Linken, gegen den aber derzeit ein Parteiausschlussverfahren läuft, spricht von "ukrainischen Killerbanden und Nazi-Faschisten". Er stimmt auf der Bühne das von ihm gedichtete Lied "Ami go home" an, kaum jemand singt mit.

Querdenker auf dem Königsplatz

Jürgen Todenhöfer, früher CDU-Bundestagsabgeordneter, behauptet in seiner Rede: "Der Westen wollte diesen Krieg", der Bundesregierung wirft er "Wahnsinn" vor. Der Applaus aus der Menge fällt in diesem Moment eher sparsam aus. Ein Ehepaar aus Bamberg ist extra nach München auf den Königsplatz gekommen: "Früher bin ich bei der Friedensbewegung mitmarschiert", sagt er, "aber dort fühle ich mich nicht mehr willkommen." Die massiven Freiheitsbeschränkungen während der Corona-Pandemie, so sagen die beiden Franken, hätten sie "nachdenklich gemacht". Ihnen gehe es, um was sonst: Frieden.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Unter den Menschen am Königsplatz sind auffallend viele Corona-Skeptiker, Esoteriker und auch manch Anhänger von Verschwörungsmythen. Oft werden Narrative der Kreml-Propaganda bemüht: Der Westen habe "Putin in die Enge getrieben", Russland werde "vom Westen umzingelt", die Osterweiterung der Nato sei schuld am Krieg. So klingen auch die Linken.

Wenn mancher auf dem Königsplatz von Frieden spricht, hat man das Gefühl, es gehe ihm vor allem darum, selbst in Frieden gelassen zu werden.

"Raushalten" ist die Kernbotschaft der AfD am Alten Botanischen Garten. 250 hören zu, als sich Redner vom rechten Rand als Friedens-Apostel inszenieren. Überhaupt fällt es an diesem Tag schwer, Demonstranten aus dem linken, dem querdenkenden und braunen Lager zu unterscheiden. Sie benützen inzwischen alle dieselben Symbole und dieselben Parolen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
12 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Der wahre tscharlie am 21.02.2023 00:15 Uhr / Bewertung:

    Dass die AfD sich jetzt auch als Friedenspartei inszeniert, ok. Man will halt nicht abseits stehen.
    Aber an den Plakaten sieht man schon, was ihre wahre Politik ist. "Unser Land ZUERST". Trumps german Version of "Amerika First". Incl Impfgegner-Spruch, "Gesund ohne ZWANG".
    Die englischsprachigen Aussagen auf den Transparenten, da wird aber so mancher AfD-Anhänger etwas irritiert gewesen sein. grinsen

    Aber man merkt schon bei den verschiedenen Gruppierungen, alle wollen Frieden, aber jeder sieht einen anderen Weg dorthin. Was auch in meinen Augen ein Spiegelbild ist, wie komplex der Krieg ist.

  • Tthomas am 20.02.2023 10:58 Uhr / Bewertung:

    Wenn jetzt noch der Chinese Waffen für Russland liefert, dann muss der Westen die Waffen- und Munitionproduktion gewaltig steigern. Wo soll das enden?

  • Ali Kante am 20.02.2023 10:08 Uhr / Bewertung:

    Das neue Mantra der Grünen: Frieden schaffen mit noch mehr Waffen.
    Während die "Rechten" für Frieden demonstrieren, sehnen die "Linken" den Krieg fast schon herbei. Verrückte Welt...

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.